Seit dreieinhalb Jahren kickt Atdhe Nuhiu bereits auf der Insel und hielt in weit mehr als 100 Spielen für den Traditionsklub Sheffield Wednesday die Knochen hin. Fans und Trainer schätzen die 196-Zentimeter-Kante mehr für vollen Einsatz als schicke Übersteiger. Doch obwohl der 27-jährige Ex-Rapidler in der laufenden Saison immerhin bei 14 Einsätzen hält, zählt er erstmals nicht zu Sheffields Stammpersonal. Bei prominenter Konkurrenz wie Lucas João (Länderspiele für Portugal) oder Steven Fletcher (189 Premier-League-Einsätze) freilich keine Schande. Im Interview mit SPOX spricht Nuhiu über seine Highlights auf der Insel, die Möglichkeit eines Jänner-Transfers und eine emotionale Zeit beim SK Rapid.
SPOX: Atdhe, du kickst jetzt seit dreieinhalb Jahren in der Championship. Wie blickst du auf 136 Spiele zurück?
Atdhe Nuhiu: Mich macht das schon gscheit stolz. Nicht viele Österreicher konnten sich so lange in England halten. Es war und ist eine super Zeit. Sheffield ist ein riesiger Klub in England - am Anfang bin ich mit ganz anderen Erwartungen gekommen. Wir waren schnell im Abstiegskampf und damit hat niemand gerechnet. Seither ist viel Zeit vergangen. Im Letzten Jahr spielten wir vor 85.000 Zuschauern im Wembley-Stadion um den Premier-League-Aufstieg. Das sind Momente, die ich nicht so schnell vergessen werde.
SPOX: Die Championship wird als ziemlich brutal bezeichnet. Warum eigentlich?
Nuhiu: In der Championship werden Spieler für Summen transferiert, von denen andere Ligen nur träumen können. Solche Spieler würden nie in andere zweite Ligen gehen. Dadurch steigt die Qualität natürlich. Zudem sind hier alle immer bei 100 Prozent. Und das Samstag, Dienstag, Samstag. Das ist unser Spielrhythmus. Da würde sich niemand über eine englische Woche beschweren. Vor zwei Tagen haben wir Samstag und Montag gespielt. Da hatten wir einen freien Tag. Dementsprechend groß sind die Kader. Das ist beinhart. In England wird im Sommer und im Winter gleichermaßen massiv eingekauft. Viele Premier-League-Spieler gehen mittlerweile in die Championship, weil man jetzt auch hier gut verdienen kann.
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SPOX: Und viele Premier-League-Aufsteiger können auch die Topteams der Liga ärgern.
Nuhiu: Die ersten acht Mannschaften in der Championship sind sicher nicht viel schwächer als die unteren acht der Premier League.
SPOX: Mit dir, Andreas Weimann, Michael Madl, Konstantin Kerschbaumer und Ivan Lucic kicken fünf Österreicher in der Championship. Habt ihr Kontakt?
Nuhiu: Andi Weimann kenne ich schon aus dem U21-Nationalteam, wir haben regelmäßig Kontakt. Wenn ich in London bin, treffe ich auch ab und zu Michi Madl.
SPOX: Sheffield wird als Kultklub beschrieben. Erzähl mir ein bisschen was über ihn.
Nuhiu: Wie groß der Klub ist, hat man im Play-off-Finale letztes Jahr gesehen. Da haben uns 55.000 Fans ins Wembley-Stadion begleitet. Deutlich mehr als unser Gegner Hull City. Die waren davon meilenweit entfernt. Wir sind wieder am Weg nach oben, haben eine riesige Fan-Base und große Vergangenheit. Da ist Potenzial dahinter. In der Championship gibt es kaum größere Klubs und auch vor manchen Premier-League-Vereinen müsste sich Sheffield nicht verstecken.
SPOX: Ihr habt das Championship-Playoff in der Vorsaison gegen Hull knapp mit 0:1 verloren. Hast du das Gefühl, dass ihr schon bereit gewesen wärt, für die Premier League?
Nuhiu: Das lässt sich schwer beantworten. Wir hätten uns im Sommer sicher verstärkt. Aber leider hat es nicht gereicht. In einem Finale gibt es nun mal einen Verlierer. Leider hatten wir das Nachsehen. Aber es war eine unglaublich Erfahrung, die ich nie vergessen werde.
SPOX: Was waren so deine größten Insel-Highlights? Ich kann mich etwa an einen 3:0-Sieg gegen Arsenal erinnern.
Nuhiu: Gegen Arsenal haben wir 3:0 gewonnen, ja. Einmal konnte ich gegen Manchester City treffen. Im Wembley hat auch nicht jeder gespielt. Auch normale Ligaspiele, wie etwa gegen Bristol, als wir ein 0:2 spektakulär gedreht haben, bleiben mir in Erinnerung. Diese Spiele sind typisch für England. Mentalität macht hier viel möglich.
SPOX: Ihr seid wieder in der Spitzengruppe der Liga. Wie siehst du das Aufstiegsrennen?
Nuhiu: Heuer wird es schwerer als letztes Jahr. Mit Newcastle, Norwich und Aston Villa sind sehr gute Vereine abgestiegen, die wieder rauf wollen. Dann gibt es noch die Konkurrenten vom Vorjahr - und das macht es nicht so leicht. Zwei steigen direkt auf und die anderen vier matchen sich um den weiteren Aufstiegsspot. Aber ich glaube, wir kommen wieder ins Play-off.
SPOX: Du hast auf deiner Position erfahrene Konkurrenz, wie Gary Hooper, Steven Fletcher, Fernando Forestieri. Bist du mit deiner Rolle unzufrieden?
Nuhiu: Ich bin auch kein Jungspund mehr und will natürlich spielen. Aber so eine Konkurrenz ist natürlich nicht ohne. Ich habe in den vergangenen Saisonen immer rund 50 Spiele gemacht. Diese Saison habe ich es etwas schwerer. Das ist mein erstes halbes Jahr, in dem es nicht so läuft. Es gibt einige Kaliber auf meiner Position, die machen es mir nicht ganz einfach. Ich warte jetzt mal ab, was auf mich zukommt.
SPOX: Du wurdest zuletzt mit verschiedenen Klubs in Verbindung gebracht. Darunter St. Pauli. Könnte sich im Jänner was tun?
Nuhiu: Man soll niemals nie sagen. Ich schaue mir die Situation gelassen an. Ich habe eineinhalb Jahre Vertrag und stehe nicht unter Druck. Aber wenn sich ein guter Klub meldet, wird man darüber reden. Etwas Neues zu probieren, muss auch nicht unbedingt falsch sein. Idealerweise steige ich aber mit Sheffield in die Premier League auf. Davon war ich letzte Saison 25 Minuten entfernt. Vielleicht können wir es ja in dieser Saison realisieren.
SPOX: Wie ist eigentlich dein Draht nach Österreich? Dein kleiner Bruder Festim kickt ja bei ASKÖ Donau Linz.
Nuhiu: Genau, der ist in Linz. Wenn ich mal frei habe, komme ich ganz gerne. Aber das kommt selten vor. Wir spielen eigentlich immer. Es gibt da eine Runde um Rene Gartler, Thomas Hinum und Mario Sonnleitner, die jedes Jahr zum Boxing Day zu mir kommen.
SPOX: Verfolgst du Rapid noch?
Nuhiu: Natürlich. Dort hatte ich eine meiner besten Zeiten. Und Sonni hält mich auch am Laufenden.
SPOX: Bist du überrascht, dass Rapid so schwach dasteht?
Nuhiu: Das neue Stadion ist zwar unglaublich, wird aber keine Spiele gewinnen. Das ist ein riesiges Projekt, das für den österreichischen Fußball gut ist, vielleicht motiviert, aber nicht die Meisterschaft garantiert. So genau kann ich die Situation aber nicht beurteilen. Dafür bin ich zu weit weg. Ich habe nur mit Sonni und Steffen Hofmann zusammengekickt. Sonst ist keiner mehr da.
SPOX: Viele Ex-Rapidler träumen irgendwann von einer Rückkehr. Ist das bei dir ähnlich?
Nuhiu: In meinen zwei Jahren bei Rapid habe ich alles mitgemacht, was man so mitmachen kann. Einzug in die Europa League bis zum Platzsturm - das war eine emotionale Zeit. Das hat mich sehr an den Verein gebunden. Darum kann ich mir eine Rückkehr vorstellen. Wenn ich nach Österreich komme, ist Rapid meine erste Adresse. Einmal im neuen Stadion zu spielen, würde mir schon taugen.
SPOX: Du hast uns mal im Interview gesagt, dass du unbedingt Marc Jankos Nachfolger im Nationalteam werden willst. Laut Medienberichten willst du mittlerweile für den Kosovo spielen. Erzähl bitte die Geschichte dahinter.
Nuhiu: Was das betrifft - ja, ich habe das einmal gesagt. Aber der Teamchef sieht das anders und das akzeptiere ich. Deshalb geht es mir nicht schlechter. Ich mache mir keine Gedanken mehr drüber.
SPOX: Und der Kosovo?
Nuhiu: Ich bin stolz, dass der Kosovo von der UEFA anerkannt wurde. Das ist für so ein kleines Land, das jahrelang darum gekämpft hat, sehr besonders. Wie es da weitergeht, schauen wir uns jetzt einmal an.
Atdhe Nuhiu im Steckbrief