"Ich bin auf einem wirklich sehr guten Weg, Ich habe wieder die Vorfreude und richtige Motivation, um Gas zu geben. Das Gefühl ist gut. Nur die Anpassung ans Material fehlt noch ein bisschen", betonte der 28-jährige Weltcup-Rekordsieger im Vorfeld des am Wochenende in Wisla beginnenden Weltcupwinters im Gespräch mit der APA.
An der Fitness werde es hingegen nicht scheitern. "Ich habe einen sehr intensiven Sommer hinter mir, erstmals seit drei Jahren verletzungsfrei. Ich spüre, dass ich körperlich wieder da bin, wo ich vor meinem Kreuzbandriss war. Das stimmt mich zuversichtlich." Im Krafttraining gelte für ihn nach vielen Wettkampfjahren die Devise: Optimum statt Maximum.
Das Optimum im Saisonverlauf wäre für den Stubaier eine Medaille bei der WM in Seefeld. "Bis zum Feber ist noch Zeit, mein Ziel ist jetzt einmal die Konstanz, damit kommt die Sicherheit, das Vertrauen, und dann ist es eine Frage der Zeit, dass man den letzten Schritt macht, und dann ist man dabei", sagte der zwölffache WM-Medaillengewinner. Zuversicht schöpft der zweimalige Gesamtweltcupsieger auch aus "Ausreißern" wie der unerwarteten WM-Silbernen 2015 und der Skiflug-Weltrekordegalisierung mit Griff in den Schnee im vergangenen März.
Schlierenzauer: Knieverletzung und Motivationsprobleme
Nach dem Kreuzbandrisses 2016, Motivationsproblemen und einer weiteren Knieverletzung im Vorjahr habe er mittlerweile auch die für Erfolge nötige Freude wiedergefunden. "Dass ich ziemlich ausgebrannt war einige Jahre, weiß man. Diese Phasen im Leben eines Spitzensportlers gehören dazu, da bin ich durch, ich glaube, dass die Talsohle erreicht ist." Der Ex-Weltmeister arbeitet nach wie vor mit Mentalbetreuern und Psychologen zusammen. "Das tut mir sehr gut", betonte der Tiroler.
Positiv habe sich auch der neue Trainerstab um Chefcoach Andreas Felder ausgewirkt. "Wir sind auf einer Wellenlänge, haben uns sehr gut gefunden. Der Andi ist ja auch in Tirol, er war bei jedem Sprung dabei, was mir guttut und sehr wichtig ist. Es ist eine klare Linie da und es wird gut trainiert", meinte Schlierenzauer über den Nachfolger von Heinz Kuttin.
In Absprache mit Felder sei ein Sprungtechnik-Leitbild erarbeitet worden, an das es sich zu halten gilt. "Wir haben versucht, an der Struktur, an der Technik zu arbeiten, wie der Sprung ausschaut. Aber man braucht das Radl nicht neu erfinden. Wir haben nicht so viel umgestellt." Das Wichtigste sei, einfach das Wesentliche richtig zu machen. "Wir haben probiert, ein Technik-Leitbild voranzutreiben und für mich einzuschleifen. Das ist beinharte Knochenarbeit, wie ein neuer Golfschwung." Für ihn habe gegolten, gewisse "Baustellen" wieder richtig hinzubringen.
Erschwert habe das eine neuerliche Regeländerung, die für ihn die Verwendung von deutlich kürzeren Skiern mit sich bringt. "Das ist auch eine Anpassungsfrage. Jetzt ist die Challenge, das Setup so zu finden, dass es passt." Schließlich springe er nun die gleiche Skilänge wie vor zwölf Jahren als Weltcupneuling.
Schlierenzauer setzt auf den Aha-Effekt
Ein wichtiger Faktor sei es, das richtige Gefühl wiederzufinden und es dann zu konservieren. Schlierenzauer: "Das Entscheidende ist, wenn der Athlet das Gefühl und den Aha-Effekt hat, diesen dann zu speichern. Die Frage ist, wie oft bringt man es zusammen im Winter. (Kamil) Stoch hat es im Vorjahr gehabt, ich habe es auch schon gehabt." In der Vorbereitung habe das schon einige Male funktioniert. "Dann habe ich wieder Phasen drinnen, wo ich mir schwerer tue. Aber das braucht Zeit, jeder Sprung ist dabei nützlich."
Der seit Dezember 2014 auf einen Einzelpodestplatz im Weltcup wartende Schlierenzauer glaubt auch, dass die gesamte ÖSV-Mannschaft wieder besser aufgestellt ist. Wunderdinge seien freilich keine zu erwarten. "Ich denke, dass wir auf einem sehr guten Weg sind, dass wir als Mannschaft geschlossen den Schritt nach vorne machen. Aber wir müssen uns in den Spiegel schauen und sagen, ein bisschen brauchen wir noch."