SPOX: Kann man die Saison dann jetzt schon als Erfolg werten? In dieser schweren Top-16-Gruppe hatte Ihnen ja erst recht keiner mehr etwas zugetraut, aber drei Spieltage vor Schluss sind Sie immer noch mittendrin.
Melli: Seit dem Erreichen des Top 16 ist es eine erfolgreiche Euroleague-Saison für uns. Das war unser Ziel, und das haben wir geschafft. Und dann der erste Sieg im Top 16 - das gab es ja zuvor noch nicht in Bamberg, daher war das auch schon ein Highlight. Aber man muss zwischen 'erfolgreich' und 'zufrieden' unterscheiden.
SPOX: Soll heißen?
Melli: Wir sind gemessen an unseren Ansprüchen bisher erfolgreich gewesen, und das ist gut. Aber zufrieden sind wir deshalb noch nicht! Wir können schließlich immer noch mehr erreichen. Ob es dann letztendlich für die Playoffs reichen wird, weiß ich nicht - natürlich wird das schwer. Aber wir sind jetzt logischerweise nicht satt, nur weil wir uns bisher gut verkauft haben. Wir wollen mehr. Ich will mehr.
SPOX: Gerade in der Euroleague setzt Andrea Trinchieri dabei voll auf Sie, seinen erklärten "Wunschspieler". Sie spielen dort mehr Minuten als jeder andere. Spüren Sie dadurch eine besondere Verantwortung?
Melli: Auf jeden Fall. Es ist wunderbar für mich, dass Coach mich so viel spielen lässt und mir sein Vertrauen schenkt. Aber das stärkt bei mir natürlich auch umso mehr das Bedürfnis, ihn und mein Team nicht hängen zu lassen. Die Leute um mich herum erwarten viel von mir, deswegen kann ich mir keine Pausen nehmen und muss immer den richtigen Einsatz zeigen, selbst wenn beispielsweise mein Wurf gerade nicht fällt. Ich muss dann andere Wege finden, um irgendwie einen Beitrag zu leisten. Das ist nicht immer einfach, es soll aber keine Beschwerde sein: Ich wollte diese Rolle, diese Verantwortung übernehmen und bin froh darüber, sie zu haben.
SPOX: Einer der Gründe für Ihre viele Spielzeit ist sicher die Vielseitigkeit: Sie sind eigentlich Forward, können aber auch als Center aushelfen. Machen Sie das eigentlich gerne?
Melli (lacht): Naja, meine angestammte Position ist eigentlich schon die Vier, und dort spiele ich ja auch den Großteil der Zeit. Für die Fünf bin ich eigentlich etwas klein geraten [2,05 m, Anm. d. Red.]. Aber über gewisse Zeiträume kann ich dort auch aushelfen, solange es einigermaßen im Rahmen bleibt. Ich weiß aber nicht, ob ich als Vollzeit-Center effektiv wäre. Da bin ich als Power Forward denke ich besser geeignet, auf der Position hatte ich auch meine besten Spiele.
SPOX: Trinchieri hatte Sie bei Ihrer Verpflichtung wie erwähnt als seinen Wunschspieler bezeichnet. Wie ist Ihr Verhältnis - und inwiefern hat er Sie als Spieler bisher weitergebracht?
Melli: Coach ist jemand, der dich in jedem Bereich weiterbringt - nicht nur was das Spiel an sich betrifft. Er legt großen Wert auf die richtige Vorbereitung, hat ständig Tipps und kennt fast jedes Team, weshalb er dir vor jedem Spiel spezifische Ratschläge gibt, wie du deinen Gegenspieler attackieren oder verteidigen kannst. Wir stehen ständig im Austausch und er versucht, mich jeden Tag ein bisschen besser zu machen. Durch ihn habe ich beispielsweise auch gelernt, mich nach einem Spiel besser zu regenerieren. Aber es gibt hier ohnehin viele Leute, von denen ich etwas mitnehmen kann, ob nun von Assistant Coaches, einem unfassbar erfahrenen Mann wie Nikos [Zisis] oder eben Trinchieri.
SPOX: Hilft es, der einzige Italiener im Team zu sein?
Melli: Nicht, wenn er wütend ist. Dann verstehe nur ich ihn - und er kennt ziemlich viele Kraftausdrücke. (lacht) Nein, natürlich hilft es mir, da wir keine Sprachbarriere haben. Wir sprechen beide recht gut Englisch, trotzdem ist die Muttersprache eben immer noch etwas anderes. Wir haben mittlerweile ein richtig gutes Verhältnis.
SPOX: Das scheint fürs ganze Team zu gelten. Gerade in dieser Saison fällt es auf, dass immer wieder verschiedene Spieler zum Go-to-Guy avancieren. Mal sind Sie es, mal ist es Janis Strelnieks, mal Nikos Zisis, mal Brad Wanamaker. Wie kommt diese Ausgeglichenheit zustande?
Melli: Das ist durch unser System bedingt. Coach Trinchieri hat uns ein System eingeimpft, bei dem jeder Spieler seine Touches erhält und der Ball viel bewegt wird. Dadurch bekommt jeder ein gewisses Gefühl und zudem lässt sich auf die Weise leicht feststellen, wer gerade einen guten Rhythmus hat. Derjenige wird dann mehr "gefüttert", man will die heiße Hand ja nutzen. Und niemand neidet dem anderen diese Würfe, wenn sie dem Team helfen - es ist ja wie gesagt auch nicht immer dieselbe Person.
SPOX: Diese "heiße Hand" hatte Wanamaker kürzlich gegen Khimki...
Melli (unterbricht): So etwas habe ich noch nie miterlebt. Das war einfach unfassbar. 18 Punkte im letzten Viertel? Wenn er das von jetzt an immer so macht, kann er von mir aus immer den Ball haben. (lacht) Aber im Ernst: Das ist genau die Situation, die ich meine. Er war heiß, also wurde er gefüttert, auch wenn er sich viele Würfe natürlich auch selbst erarbeitet hat. Aber nächstes Mal ist es dann beispielsweise Janis, der von draußen heiß läuft. Da haben wir eine recht gute Balance.