SPOX: Vor einigen Tagen ist Ihre Amtszeit bei Darüssafaka Dogus einvernehmlich zu Ende gegangen. Die Zusammenarbeit war ein aufregendes Projekt, doch es gab wohl auch einige Probleme. Wie bewerten Sie den Abschnitt?
Oktay Mahmuti: Mit Dogus als Sponsor wurde bei Darüssafaka eine neue Ära eingeleitet, was schnell Früchte getragen hat. Wir sind aus der zweiten in die erste Liga aufgestiegen, haben uns gleich für die Euroleague qualifiziert und haben in der abgelaufenen Saison bei unserer ersten Euroleague-Teilnahme die Top 16 erreicht. Das Endspiel um den türkischen Pokal haben wir erst in allerletzter Sekunde verloren, in den Playoffs das Halbfinale erreicht. Wir haben also die Ziele, die wir uns anfangs gesetzt hatten, insgesamt übertroffen. Jetzt sind sowohl der Klub als auch ich bereit für neue Herausforderungen und Aufgaben.
SPOX: Beim Thema Euroleague gab es auch Kritik. Es wurde vermutet, dass Darüssafaka die Wild Card nur durch Beziehungen erlangt habe, da die Dogus-Gruppe eine der Sponsoren der Liga ist.
Mahmuti: Wenn man die Liga etwa auf dem zehnten Platz beendet, bekommt man natürlich keine Wild Card. Wir aber haben letzte Saison den dritten Platz erreicht und uns das verdient. Die Euroleague war eine wichtige Erfahrung für uns, die natürlich auch mit Anlaufschwierigkeiten verbunden war. Man muss bedenken, dass wir es innerhalb eines Jahres vom Aufstiegsaspiranten zum Euroleague-Teilnehmer gebracht haben. Mit der nötigen Unterstützung können diese Erfolge ausgebaut werden. Das Potenzial dazu ist bei Dacka (Abkürzung für Darüssafaka, d. Red.) vorhanden.
SPOX: Bei solchen Projekten ist der Grundsatz des "kontrollierten Wachstums" wohl auch ein Schlüssel zum Erfolg.
Mahmuti: Als ich bei Darüssafaka antrat, war von der Euroleague eigentlich noch gar keine Rede. Wir haben das Ziel früher als erwartet geschafft, doch erst mit der ersten Teilnahme beginnt die wahre Herausforderung. Man muss sich als guter Vertreter des türkischen Basketballs und als seriöse Organisation präsentieren. Das Wichtigste ist, dass der Verein auf einem soliden Fundament steht. Denn schneller Erfolg bestätigt sich nicht immer. Ich kenne viele Klubs, die nach ihrer Euroleague-Teilnahme in der Versenkung verschwunden sind.
SPOX: Mithat Demirel, der seit Oktober Manager bei Darüssafaka ist, hat sich zuvor auch um den deutschen Basketball sehr verdient gemacht. Wie hat sich seine Verpflichtung ausgezahlt?
Mahmuti: Mithat stieß in der Mitte der Saison zu uns. Eine halbe Saison ist zu kurz, um die Eigenheiten des türkischen Basketballs komplett zu verinnerlichen. Trotzdem hat er sich schnell angepasst und war sehr engagiert. Er war der Mannschaft und mir eine große Hilfe.
SPOX: Sie haben in den vergangenen Jahren interessante Stationen durchlaufen und mit Galatasaray, Anadolu Efes und zuletzt Darüssafaka für Vereine mit großer Tradition gearbeitet. Wie haben diese Erfahrungen Sie weitergebracht?
Mahmuti: Es waren von Grund auf unterschiedliche Erfahrungen. Bei Anadolu Efes waren die Strukturen fest verankert, was Vor- und Nachteile mit sich brachte. Darüssafaka war ein neuartiges Projekt. Bei Galatasaray mussten wir dagegen bei null anfangen. Aufgrund der finanziellen Lage gab es viele Probleme, die nur mit viel Hingabe gelöst werden konnten. Es ging vor allem darum, den Verein und die Hoffnungen der Fans am Leben zu halten. Das haben wir geschafft. In meinem ersten Jahr erreichten wir das Playoff-Finale, im zweiten qualifizierten wir uns für die Euroleague. So konnten wir auch das Zuschauerinteresse wieder steigern. Zu Beginn meiner Amtszeit wurden die Spiele eher spärlich besucht, gegen Ende der zweiten Saison kamen so viele Fans in die Abdi Ipekci Arena, dass bei manchen Spielen vier bis fünf Tausend draußen bleiben mussten. Und all das haben wir mit einem sehr begrenzten Budget erreicht.
SPOX: Das hört sich nach sehr bereichernden Erfahrungen an.
Mahmuti: In diesem Jahr erschien in türkischen Medien eine Statistik. Sie besagt, dass es unter den Coaches der diesjährigen Euroleague nur drei gibt, die mehr als 200 Partien bestritten haben: Zeljko Obradovic, Dusan Ivkovic und mich. Meine Stationen haben mich also sowohl persönlich als auch professionell weitergebracht. Ich habe alles erlebt und viel Erfahrung gesammelt. Vor allem meine analytischen Fähigkeiten konnte ich dadurch weiterentwickeln.
SPOX: Der Sport in der Türkei ist kein einfaches Umfeld, gerade auch im Basketball. Neben Fenerbahce, Galatasaray und Besiktas gehört auch Anadolu Efes zu den Vereinen mit großen Zielen. Haben Sie je daran gezweifelt, mit Darüssafaka in die Phalanx dieser Großklubs einbrechen zu können?
Mahmuti: Das muss man differenziert sehen, denn hier sehe ich ein wesentliches Problem im türkischen Sport. Wir gehen bei der Bewertung des Sports nicht analytisch vor, sondern sehr emotional. Wer keinen Titel holt, gilt automatisch als erfolglos. Welche Fortschritte man gemacht und welche Ziele man erreicht hat, wird völlig außer Acht gelassen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der man den Meister hochjubelt und den Zweiten niedermacht. Von dieser Einstellung sollte man sich etwas lösen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus dem Fußball...
SPOX: Bitte.
Mahmuti: Bei der EURO 2008 hießen die Trainer der vier besten Mannschaften Luis Aragones, Joachim Löw, Fatih Terim und Guus Hiddink. Neben der Tatsache, dass sie mit ihren Mannschaften das Halbfinale erreichten, hatten diese vier Namen eine weitere Gemeinsamkeit: Sie alle wurden als Trainer in der Türkei entlassen! Und genau die gleiche Mentalität herrscht leider auch im Basketball. Diese Einstellung und die fehlende Geduld sind die größten Hindernisse für die Weiterentwicklung des türkischen Sports.
SPOX: Gleichzeitig gibt es weiterhin viele Feindschaften, Ausschreitungen und Eskalationen, die nicht gerade förderlich sind.
Mahmuti: Das ist eines der größten Probleme im türkischen Sport. Ich schaue mir inzwischen keine Fußballspiele mehr an. Viele andere auch nicht mehr. Sport soll den Menschen Spaß machen und sie unterhalten, doch in der Türkei entwickelt er sich in eine ganz andere Richtung. Das ist eine ernsthafte Gefahr, die nicht nur über einzelne Sportarten hinausgeht, sondern vielleicht sogar ganz über den Sport hinaus. Es werden zwar Schritte dagegen unternommen, doch die alten Probleme treten immer wieder auf.
SPOX: Es kommt sogar im Rollstuhlbasketball vor, dass Fans aufeinander losgehen. Wie neulich in Zwickau, als sich Fans von Galatasaray und Besiktas prügelten.
Mahmuti: Das ist der Punkt. Egal in welcher Sportart, sobald es ein Derby gibt, steht nicht mehr das Spiel im Vordergrund, sondern Ausschreitungen, Beleidigungen und andere Zwischenfälle. Als jemand, der persönlich einen Krieg miterlebt hat, kann ich sagen: Mit Kampf und Streit gibt es keine Entwicklung.