Wieder so ein verrückter Rennverlauf - und zwar schon zum vierten Mal im vierten Rennen. Diesmal waren es Red Bull und überraschender Weise Lotus, die mit den Bedingungen am besten zurecht kamen und den Sieg unter sich ausmachten.
Dabei ging es sehr eng zu. Vettel musste sich zweitweise hart gegen einen furios auftrumpfenden Iceman verteidigen, um den ersten Saisonsieg einzufahren. Dritter wurde ebenfalls überraschend Romain Grosjean im zweiten Lotus.
Räikkönen trauert Siegchance nach
"Einmal war Kimi sehr nah dran, das war sehr knapp", sagte Vettel. "Es war eine unglaubliche Arbeit, die das Team geleistet hat, um diesen Sieg zu ermöglichen. Wir waren vorher nicht glücklich mit dem Auto. Die Balance im Rennen war erstmals so gut, dass wir auf Sieg gehen konnten. Hier hatten wir ein gutes Paket, aber ich bin mir nicht sicher, wie konkurrenzfähig das Auto in den kommenden Rennen sein wird."
Räikkönen meinte nach dem ersten Podestplatz seit seinem Comeback: "Wir hätten das Rennen gewinnen können. Ich bin nicht 100-prozentig zufrieden mit dem gesamten Wochenende, aber jetzt haben wir zumindest ein gutes Ergebnis. Ich hatte eine Chance, Sebastian zu überholen, aber ich habe mich für die falsche Seite entschieden."
Sein Teamkollege Grosjean fand keinen Grund für kritische Worte: "Ich bin sehr glücklich über mein erstes Podium und mein nächstes Ziel ist natürlich ein Sieg. Das kann aber noch etwas dauern."
Rosberg straffrei und mit "Schadensbegrenzung"
Mercedes und McLaren waren die großen Verlierer des Tages. Nico Rosberg rettete nach einem turbulenten Rennen immerhin noch Rang fünf ins Ziel, Michael Schumacher wurde nach einem Getriebewechsel und Startplatz 22 noch Zehnter.
"Insgesamt bin ich zufrieden", sagte Rosberg "RTL". "Das war heute Schadensbegrenzung, wobei es auch viel Positives gab. Wir haben die McLarens geschlagen, die Ferraris und hatten auch eine gute Strategie. Ich hatte ein paar gute Überholmanöver, es gab also einige gute Dinge."
Zweimal ging Rosberg bis hart an die Grenze, als er einmal den angreifenden Lewis Hamilton neben die Strecke drängte und einmal Fernando Alonso. Für beide Aktionen wurde er aber nicht bestraft.
Debakel für McLaren
Für McLaren war das Rennen ein Debakel. Hamilton landete nach zwei verpatzten Boxenstopps nur auf dem enttäuschenden achten Rang, Jenson Button schied kurz vor dem Ziel mit einem Motorschaden aus.
Dadurch ist Vettel nun schon wieder Führender in der Fahrerwertung. Mit 53 Zählern liegt er vier Punkte vor Hamilton und fünf vor Teamkollege Mark Webber, der kurioser Weise zum vierten Mal in Folge Vierter wurde.
Schlüsselszenen des Rennens:
Vor dem Start: Mercedes nutzt die Tatsache, dass Schumacher ohnehin weit hinten starten muss, und wechselt das Getriebe an seinem Auto. Das heißt, dass er fünf Startplätze verliert und nur als 22. losfährt. Direkt vor ihm steht Maldonado im Williams, der ebenfalls wegen eines Getriebewechsels fünf Plätze verloren hat.
Start: Vettel kommt vorne gut weg und verteidigt souverän die Führung. Rosberg erwischt einen miesen Start und wird bis auf Rang neun durchgereicht. Ricciardo fällt noch viel weiter zurück. Beide Ferrari kommen stark weg, beide Lotus ebenfalls. Schumacher ist nach der ersten Runde 18.
Runde 8: Lotus ist wirklich glänzend unterwegs. Grosjean geht an beiden McLaren und an Webber vorbei und ist sensationell schon Zweiter. Räikkönen kämpft gegen Massa im Ferrari sehenswert um Position sieben. Tolle Duelle! Kurz danach orientiert sich der Iceman nach vorne und geht an Button vorbei. Die McLarens haben Reifenprobleme.
Runde 10: Hamilton ist an der Box und verliert wegen eines Problems am linken Hinterrad einige Sekunden. Er kommt hinter Rosberg zurück auf die Strecke. Wenig später geht er spektakulär am Mercedes vorbei. Er greift an und wird von Rosberg neben die Strecke gedrängt. Trotzdem bleibt er auf dem Gas und überholt den Silberpfeil. Das harte Manöver wird von den Stewards untersucht.
Runde 12: Vettel wechselt zum ersten Mal die Reifen und geht kurz danach gegen di Resta wieder in Führung. Im Nacken hat er aber jetzt die bärenstarken Lotus von Grosjean und Räikkönen. Die beiden fliegen!
Runde 25: Rosberg ist bei seinem zweiten Boxenstopp an Alonso vorbei gekommen. Der Spanier will genau an der Hamilton-Stelle von vorhin kontern - und wieder drängt ihn Rosberg auf den Dreck. Alonso ist stinksauer und brüllt in den Funk. Mal sehen, ob das noch lange für Rosberg ohne Strafe abgeht.
Runde 26: Vettel kommt rein und holt sich wieder weiche Reifen. Räikkönen setzt auf die Medium-Mischung. Der Iceman holt auf. Das wird eine ganz enge Kiste um den Sieg.
Runde 40: Vettel und Räikkönen liegen direkt hintereinander, Vettel musste schon die ersten Angriffe des Iceman abwehren. Dann kommen sie zeitgleich zum letzten Boxenstopp - und Vettel bleibt vorne, er macht sogar etwas Boden gut und setzt sich um ein paar Sekunden ab.
Runde 55: Button muss noch einmal an die Box! Er hat hinten links einen Plattfuß. Das wirft ihn aus den Punkten. Eine Runde später geht auch noch der Motor hoch - was für ein gebrauchter Tag!
Ziel: Vettel gewinnt! Er rettet den Vorsprung auf Räikkönen ins Ziel und feiert seinen 22. Sieg. Direkt nach der Zieldurchfahrt stellt er seinen Red Bull am Boxenausgang ab. Er war offensichtlich am Limit.
Mann des Rennens: Kimi Räikkönen. Was für eine Aufholjagd! Der Iceman hat mit seiner Entscheidung, im Qualifying zu zocken, um einen Reifensatz zu sparen, alles richtig gemacht. Er hat das offensichtlich großartige Potenzial des Lotus zum ersten Mal voll ausgeschöpft und ist zurecht zurück auf dem Podium. Räikkönen hat in seinen zwei Jahren Abstinenz nichts verlernt. Im Gegenteil, er wirkt sogar in den Rennen wieder heißer als in seinem letzten Ferrari-Jahr. Die Motivation ist zurück. Grosjeans dritter Platz unterstreicht, wie stark der Lotus in Bahrain war.
Flop des Rennens: Mercedes-Power. Bei McLaren und den Silberpfeilen ging gar nichts. McLaren hat nie den Speed gehabt, um um den Sieg fahren zu können. Dazu kamen die beiden verpatzten Boxenstopps bei Hamilton, die ihn viel zu weit nach hinten geworfen haben, und der Reifenschaden und der Motorplatzer bei Button. Das entsprach nicht den Ansprüchen der WM-Anwärter. Ebenso schlecht lief es bei Mercedes. Der in China noch so bärenstarke Speed war in Bahrain wie weggeblasen. Das Podium war meilenweit entfernt. Dazu kamen die beiden diskutablen Manöver von Rosberg gegen Hamilton und Alonso. Das war schon sehr hart.
Analyse: Vier Rennen, gleiches Bild wie immer: Die Formel 1 2012 ist und bleibt die große Wundertüte. Nach McLaren, Ferrari, Sauber und Mercedes in den ersten drei Rennen waren diesmal Red Bull und Lotus an der Reihe zu glänzen. Was für eine faszinierende Saison.
Der Horror für Teams und Experten, niemals den Ausgang eines Rennens vorhersagen zu können, ist der große Spaß für die Fans. So unberechenbar war die Königsklasse noch nie.
Vettel das endgültige Comeback im Titelkampf zu prophezeien, ist vor diesem Hintergrund noch schwierig, aber da auch McLaren und Mercedes nicht konstant um Podestplätze kämpfen können, spricht nichts gegen Vettels Chance auf den dritten WM-Titel.
Vielleicht greift sogar Lotus noch in diesen Kampf ein - und im Rennen war auch Ferrari wieder einmal nicht allzu weit weg.