Urlaub. Für die meisten Mechaniker der Königsklasse ist das ein Fremdwort. Nicht erst seit der Aufstockung des Rennkalenders ist es mit der Freizeit nicht sonderlich weit her. Jedenfalls meistens. Denn jetzt ruht der ansonsten hektische Formel-1-Zirkus. Zwei Wochen lang darf in den Fabriken nicht gearbeitet werden: es ist Sommerpause in der Formel 1.
Und wenn man sich vor dem Ungarn-GP in der Boxengasse umhörte, dann vergaß kaum ein Team zu betonen, wie wichtig es sei, sich mit einem guten Ergebnis in die Ferien zu verabschieden. Für die Psyche. Aber auch für den weiteren Verlauf der WM. Denn: Funktionieren die vor der Pause an die Boliden gebrachten Updates, kann man sich mit den gewonnenen Erkenntnissen auf künftige Aufgaben konzentrieren. Funktionieren sie aber nicht, steht man ohne Test-Chance auf dem Schlauch.
Gibt es einen Fünfkampf um die WM?
Nach dem Rennen könnten die Voraussetzungen bei den Top-Teams unterschiedlicher nicht sein. Während McLaren und Lotus auf extrem gut aussahen, erlebte Mercedes ein komplettes Desaster. Und auch für Red Bull und Ferrari lief es nicht optimal.
Doch was heißt das jetzt genau? Mischen sich in den erwarteten Dreikampf um die WM zwischen Fernando Alonso, Mark Webber und Sebastian Vettel nun doch noch andere Fahrer ein - so wie Lewis Hamilton oder Kimi Räikkönen?
SPOX fasst die Lage der Teams vor der Sommerpause zusammen.
Ferrari: Fernando Alonso tat in Ungarn das, was er vorausgesagt hatte. Er fuhr mit Blick auf die WM. Er wusste, dass der Ferrari auf dem Hungaroring nicht mit der Spitze mithalten konnte - und betrieb deshalb Schadesbegrenzung. Mehr noch: Seine WM-Führung ist trotz des fünften Platzes sogar noch gewachsen. Dennoch kann sich das Team nicht ausruhen. McLaren hat in den letzten Wochen deutlich schneller entwickelt, auch Lotus droht vorbeizuziehen. Das Problem: Die Entwicklung stockt. "Wir treten auf der Stelle", gibt Alonso zu. "Von unseren Updates haben in den vergangenen Wochen nur wenige das Auto wirklich verbessert. Wir benötigen mehr Zeit, um die Teile zu studieren und weiterzuentwickeln." Die wahre Pace des Ferrari sieht man immer wieder an den Ergebnissen von Felipe Massa (Platz neun in Ungarn). Wo es für Ferrari wirklich hingeht, wird deshalb auch damit zusammenhängen, wie man die Sommerpause nutzt. Vier Wochen sind es bis zum nächsten Rennen Zeit, nur zwei davon darf nicht gearbeitet werden. "Wir haben gute Ideen und bereiten einige Dinge vor. Darauf setzen wir große Hoffnungen", sagt Alonso.
Red Bull: Kaum einem anderen Team kommt die Pause wohl so gelegen wie Red Bull. Nach dem Chaos von Hockenheim wollte man bei den Österreichen in Ungarn vor allem eines erreichen: Ruhe reinbringen. Keine Strafen, keine Skandale, einfach nur ein anständiges Rennen abliefern und dann erstmal alles auf Null setzten. Das ist Sebastian Vettel und Co. gelungen. Die Plätze vier und acht sind zwar sicher nicht das Optimum im Kampf um die WM, spiegeln allerdings auch nicht das tatsächliche Potenzial des Red Bull wieder. Sowohl Vettel als auch Webber taktierten mit einem dritten Boxenstopp und hofften darauf, dass die Reifen der Konkurrenz gegen Ende extrem abbauen würden. Der Versuch ging in die Hose, sollte die Verantwortlichen aber nicht beunruhigen. "Unsere Geschwindigkeit war besser als das Ergebnis vermuten lässt", so Vettel. Und genau so ist es. Beide Fahrer können aus eigener Kraft um Siege mitfahren, der Red Bull sind von der Geschwindigkeit her noch vor Ferrari.
McLaren: Wenn es nach McLaren ginge, dann müsste es die Sommerpause vermutlich überhaupt nicht geben. Die Updates, die das Team zum Deutschland-GP brachte, haben extrem gut funktioniert. Nachdem man lange Zeit nicht den Speed der Top-Teams gehen konnte, verfügt man nun über ein extrem schnelles Auto. Buttons Abschneiden in Hockenheim und Hamiltons extrem starke Vorstellung in Ungarn, bei der er beinahe jede Session dominierte, sprechen eine deutliche Sprache: McLaren ist zurück. Und besonders Lewis Hamilton könnte im Kampf um die WM noch ein Wörtchen mitreden. "Unser Auto ist ganz offensichtlich schnell", sagt Jenson Button. "Und ich weiß, dass jeder bei McLaren so hart wie möglich daran arbeitet, diesen Aufwärtstrend fortzusetzen." Auch Teamchef Martin Whitmarsh ist zuversichtlich: "Selbst wenn Lewis von der WM-Führung noch weit entfernt ist, befindet er sich in einer sehr guten Position, um die Jagd auf den Titel zu eröffnen."
Lotus: Kein Team stand häufiger auf dem Podium, kein anderes Team ist so konstant. Der erste Sieg scheint für Lotus nur eine Frage der Zeit zu sein. Und in Ungarn waren Kimi Räikkönen und Romain Grosjean so nah dran wie noch nie - ohne die KERS-Probleme bei Räikkönen wäre es vielleicht bereits jetzt so weit gewesen. Natürlich kamen Kurs und Temperaturen dem Boliden entgegen, dennoch scheint klar: Auch in der zweiten Saisonhälfte ist mit Lotus zu rechnen. Und vielleicht sogar noch mehr als je zuvor. Denn: Man scheint das Auto immer besser zu verstehen, hat die Abstimmungsprobleme im Qualifying so gut wie ausgeräumt. "Unsere neue Herangehensweise an das Qualifying zeigt Wirkung. Wir haben uns an diesem Wochenende besser qualifiziert und haben Hamilton lange Zeit gejagt. Auf einer Strecke mit mehr Überholmöglichkeiten hätten wir gewinnen können", sagt Teamchef Eric Boullier. Der Trend zeigt nach oben. Und deshalb sei es auch "keine Fantasie, daran zu denken, dass wir uns immer noch in der Jagd um beide Meisterschaften befinden", so Boullier.
Mercedes: Nach Michael Schumachers zwischenzeitlichem Aufschwung wurde Mercedes in Ungarn unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Auch ohne das absichtliche Abschalten des Motors am Start, den Reifenschaden und die Durchfahrtsstrafe wäre für den Rekordweltmeister in Ungarn nichts zu holen gewesen. Überhaupt nichts. Dass Rosbergs zehnter Platz noch als Erfolg gewertet wird, zeigt, wie schlecht es um die Silberpfeile derzeit bestellt ist. "Nicos Ergebnis entspricht dem, was mit dem Auto derzeit möglich ist", sagt Mercedes-Boss Ross Brawn. "Vielleicht sogar noch mehr. Wir sind ganz einfach nicht konkurrenzfähig." Das größte Problem daran ist, dass man nicht einmal weiß, warum man sich trotz vermeintlicher Verbesserungen am Auto verschlechtert. Und genau das könnte dem Team zum Verhängnis werden. Entwickelt man nach der zweiwöchigen Pause weiter in die falsche Richtung, muss man sich in der zweiten Saisonhälfte noch weiter nach hinten orientieren. Auf der anderen Seite ist die Pause aber auch eine Chance, die gesammelten Daten in aller Ruhe zu analysieren.
Die Fahrer-WM: Haben Hamilton und Räikkönen noch eine Chance?