Mit zwei Siegen, sechs Podestplätzen, neun Ausfällen und 215 WM-Punkten im Gepäck kommen die fünf deutschen Formel-1-Piloten der Saison 2012 zum Heimrennen in Hockenheim.
Klingt erst einmal nicht schlecht, auch wenn die Seriensiege eines Sebastian Vettel, die die deutschen Fans im Vorjahr noch verwöhnt haben, diesmal fehlen. Dafür sorgen auch andere für Highlights, allen voran natürlich Nico Rosberg mit seinem ersten Formel-1-Sieg in China.
SPOX blickt auf die ersten neun Rennen von Vettel, Rosberg, Michael Schumacher, Nico Hülkenberg und Timo Glock zurück und schätzt deren Leistungen mit Hilfe von Formel-1-Experte Marc Surer ein.
Sebastian Vettel (Red Bull): WM-Platz 3, 100 Punkte, 1 Sieg, 1 Ausfall
Der Weltmeister ist wieder da, wo er 2010 schon einmal war - zur Saisonmitte unter Druck. Er kommt mit dem RB8 nicht so gut zurecht wie mit seinem Vorgänger. Vor allem in den ersten Rennen fehlte ihm manchmal das Vertrauen ins nicht optimal abgestimmte Auto.
Im direkten Vergleich machte der wieder erstarkte Teamkollege Mark Webber mehr aus den Möglichkeiten des Autos. Webber führt im Quali-Duell 5:4, hat schon zwei Siege auf dem Konto und liegt in der Fahrerwertung 16 Punkte vor dem amtierenden Champion.
Besonders bitter sind in einer Saison wie dieser, in der jeder Punkt zählt, die beiden Nullnummern in Malaysia und Valencia. Während Vettel beim Europa-GP in Führung liegend großes Pech mit der Technik seines Red Bull hatte, ging die leichte Kollision mit Narain Karthikeyan in Sepang, bei der er sich den Reifen aufschlitzte, zum Teil auch auf seine Kappe.
Alles nicht erfreulich für Vettels Ambitionen auf den dritten Titel in Folge, aber auch noch kein Grund zur Beunruhigung, schließlich sind noch elf Rennen zu fahren und Vettel hat seinen ersten WM-Titel auch im Endspurt gewonnen.
Surers Zwischenfazit: "Die Situation in der WM ist für ihn nicht neu. Er hat die positive Erfahrung aus 2010, als er auch Rückstand hatte, und kann daher gut damit umgehen. Er kämpft auf der anderen Seite aber auch gegen einen sensationell guten Fernando Alonso. Man kann durchaus vom besten Alonso aller Zeiten sprechen. Vor ihm muss Vettel im Titelkampf mehr Angst haben als vor Mark Webber."
Nico Rosberg (Mercedes): WM-Platz 6, 75 Punkte, 1 Sieg, kein Ausfall
Er ist mit zwei Ergebnissen außerhalb der Punkteränge ganz zäh in die Saison gekommen. Sogar im Qualifying hatte er gegen Michael Schumacher keine Chance. Doch dann kam sein Sieg in Shanghai, der alles verändert hat. Bis zu seinem schwachen Rennen zuletzt in Silverstone fuhr Rosberg ab China immer mindestens auf Rang sieben und war einer der konstantesten Punktesammler im gesamten Feld.
In Monaco war Rosberg sogar nah am zweiten Sieg seiner Karriere dran, er fand aber keinen Weg an Mark Webber vorbei. Trotzdem fährt er die erfolgreichste Saison seiner Karriere.
Surers Zwischenfazit: "Der Knoten ist mit dem ersten Sieg geplatzt. Sollte das Auto zulassen, dass er mal wieder in Führung liegt, wird er nicht überrascht sein, sondern das Ding dann auch nach Hause fahren. Er ist konstant schnell und es hängt eher am Auto als an ihm, wie viel Erfolg er hat. Für mich ist Rosberg nach wie vor einen Tick besser als Schumacher."
Michael Schumacher (Mercedes): WM-Platz 12, 23 Punkte, kein Sieg, 5 Ausfälle
Mehr als die Hälfte aller Ausfälle der deutschen Piloten geht auf Schumachers Kappe. Das zeigt schon, wer bisher der große Pechvogel im Quintett war. Pechvogel deshalb, weil Schumi nur für den Ausfall nach dem Crash mit Bruno Senna in Barcelona etwas konnte. Der Rest war Technik und menschliches Versagen.
Aber Schumacher hat das Elend gefasst ertragen und sich nie frustrieren lassen. Dafür wird er seit seiner Qualifying-Bestzeit in Monaco auch endlich belohnt. Bei seinem ersten Podestplatz seit dem Comeback in Valencia war neben einer starken Fahrt auch jede Menge Glück dabei.
Alles in allem haben die letzten Rennen den Wunsch nach einer Vertragsverlängerung von Schumacher bei den Fans wieder angefacht. Es scheint, als könne er doch noch seine alte Bestmarke von 91 GP-Siegen ausbauen.
Surers Zwischenfazit: "Er hat nach zwei schweren Jahren den Anschluss an die Besten wieder gefunden. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er seinen Vertrag bis Ende 2013 verlängern wird. 2014 steht die nächste große Änderung des Reglements an, warum soll Schumacher die Saison 2013 also nicht noch mitnehmen? Das würde absolut Sinn machen."
Nico Hülkenberg (Force India): WM-Platz 16, 17 Punkte, kein Sieg, 1 Ausfall
Nach seinem Jahr Zwangspause ist Hülkenberg mit seinem Startcrash in Melbourne denkbar schlecht ins Comeback gestartet. Doch danach hat er Konstanz bewiesen und sich Rennen für Rennen näher an das Level seines hoch gelobten Teamkollegen Paul di Resta herangerobbt. Mittlerweile sind beide auf Augenhöhe.
Dass gute Leistungen allein noch keine Garantie für einen Stammplatz in der F1 sind, hat Hülkenberg 2010 bei Williams schmerzhaft erfahren. Aber zwei Jahre später ist er konstanter und deshalb hoffentlich auch für seinen Teamchef eine festere Größe.
Surers Zwischenfazit: "Er macht einen sehr guten Job und leistet mehr, als man erwarten konnte. Damit kratzt er auch ein wenig am Image von Paul di Resta, der ja in seinem ersten Jahr als das große Talent galt. Jetzt kann Hülkenberg mit di Resta mithalten, nachdem er sich damals bei Williams noch schwer gegen Rubens Barrichello getan hat. Vielleicht kam sein Formel-1-Einstieg damals noch etwas zu früh. Nun ist er gereift und kann mit der Situation in der Formel 1 umgehen. Möglicherweise war das eine Jahr Pause gar nicht so schlecht für seine charakterliche Entwicklung."
Timo Glock (Marussia): WM-Platz 21, 0 Punkte, kein Sieg, 2 Ausfälle
Eine tragische Figur. Glock hat alle Hoffnungen vor der Saison darauf gelegt, dass durch die Kooperation seines Teams mit McLaren nun endlich einmal etwas nach vorne geht. Aber nach der ersten Saisonhälfte muss er froh sein, wenn er HRT im Griff hat. Manchmal klappt nicht einmal das, von einem Angriff auf Caterham ganz zu schweigen.
Dass Glock krankheitsbedingt den Europa-GP absagen musste, passt ins Bild. Zwar gab es auch Lichtblicke wie die 14. Plätze in Melbourne und Monaco, aber das eigentliche Ziel, mit Marussia irgendwann einmal zum Mittelfeld aufzuschließen, scheint unerreichbar.
Man muss als Beobachter immer mehr Angst haben, dass Glock im Hinterfeld der Formel 1 versauert.
Surers Zwischenfazit: "Ich hoffe, dass er die Motivation nicht verliert. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer das ist, denn auch ich bin lange Zeit in schlechten Autos gefahren. Irgendwann resigniert man. Wenn es ihm gelingt, das zu verhindern, dann bekommt er hoffentlich noch einmal eine Chance in einem besseren Auto. Sein Problem ist natürlich, dass ein Mann wie Heikki Kovalainen in Sachen Aufstieg in ein besseres Team wahrscheinlich vor ihm an der Reihe sein wird. Warum der Marussia so schlecht ist, ist mir übrigens ein Rätsel. Die haben sogar McLaren-Unterstützung und sind trotzdem manchmal langsamer als HRT mit der Hälfte des Budgets. Das ist eine Blamage."
Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM