Der Trauerfeier blieb Schumacher fern. Seine Abwesenheit war die Folge der tödlichen Unfälle von Imola - es waren die ersten seit zwölf Jahren. "Ich musste das Bild vom Unfall ausschalten. Ich konnte einfach nicht mehr hinsehen", bekannte er schon nach dem Crash von Roland Ratzenberger, der im Samstags-Qualifying mit einem Simtek Ford in die Begrenzungsmauer gerast war und auf der Stelle tot war.
Nach dem Grand-Prix-Sieg zog sich Schumacher nach Monaco zurück und ging in sich.
"Ich wusste nicht, ob ich wirklich noch weiter Rennen fahren wollte. Ich brauchte unbedingt einen Test, ob ich überhaupt noch Freude am Fahren empfinden kann", erklärte Schumacher später. Während seine Kollegen die Ikone Senna zu Grabe trugen, testete der Benetton-Pilot in Silverstone.
Erste Pole nach Senna-Tod
Beim folgenden Monaco-GP holte er die erste Pole Position seiner Karriere und gewann nach einem Blitzstart. Derweil beschloss die FIA mit Zustimmung der Teams neue Regularien, mit denen die Formel 1 sicherer und langsamer werden sollte.
Einzig Benetton-Teamchef Flavio Briatore gefiel dies nicht. Er attackierte öffentlich FIA-Präsident Max Mosley: Er verstünde nichts von der Formel 1. "Ich habe schon Formel 1 gemacht, da verkaufte Briatore noch T-Shirts", erwiderte der Engländer und merkte sich den Angriff - was sich noch zum Nachteil für Schumacher auswirken sollte.
Doch zunächst lief die Erfolgsserie weiter. Nach vier Siegen holte Schumacher beim Spanien-GP mit einer heroischen Leistung Platz zwei, nachdem er bequem in Führung gelegen hatte. "Plötzlich fing mein Getriebe an zu spinnen", berichtete er anschließend von seiner heldenhaften Fahrt. Ausschließlich der fünfte Gang funktionierte noch. Schumacher verzichtete aufs Schalten, selbst bei Tankstopps, und rettete den zweiten Platz.
Betrugsvorwürfe gegen Benetton
Die Konkurrenz sah die Überlegenheit mit Argwohn und warf Benetton hinter vorgehaltener Hand vor, die verbotene Traktionskontrolle doch noch einzusetzen. Zwar fanden Elektronik-Spezialisten im Auftrag der FIA ein Programm für die ebenfalls untersagte Startautomatik, das ohne Traktionskontrolle nicht funktioniert, letztere konnte aber nicht nachgewiesen werden.
"Ich gewinne kein Rennen mit 20 oder 40 Sekunden Vorsprung, nur weil ich einen guten Start hinlege", verteidigte sich der Angeklagte. Der technische Vorsprung seines Benetton-Rennwagens sei das Ergebnis von drei Jahren harter Entwicklungsarbeit und keineswegs auf "illegale Dinge" zurückzuführen. Aus den Vorwürfen der Konkurrenten spreche der pure Neid: "Wer vorn ist, wird angefeindet."
Irres Chaos in Silverstone
Doch die Diskussionen ließen den unerfahrenen Titelaspiranten nicht kalt. Er wurde fehleranfällig. In Silverstone war Schumacher zu schnell: Er überholte Hill während der Aufwärmrunde gleich zwei Mal, dann nahm das irre Chaos seinen Lauf.
Nach 14 Runden sprach die verschlafene Rennleitung eine Fünf-Sekunden-Strafe aus. Benetton glaubte, sie würde am Ende des Rennens auf die Zielzeit angerechnet, doch Schumacher sollte zum Stop-and-Go in die Box. Die Rennleitung disqualifizierte ihn, doch der Deutsche kurvte unbeeindruckt weiter um den Traditionskurs.
Sein Team verhandelte solange, bis die Rennleitung die Schwarze Flagge zurücknahm und die Strafe doch noch bei einem Boxenbesuch abgesessen werden durfte. Wegen "Unkenntnis der Regeln" setzte es zudem 25.000 Dollar Strafe.
FIA-Präsident rächt sich
Doch jetzt schlug die Stunde des FIA-Präsidenten. Mosley fällte nach Studium der Unterlagen ein knallhartes Urteil: Zwei Rennen Sperre, das erste davon beim ausverkauften Heimspiel in Deutschland. Der einzige Ausweg: Ein Einspruch gegen die Entscheidung des Alleinherrschers.
"Ich brauche nur an Eddie Irvine denken, der nach seinem Unfall in Brasilien zu einer Ein-Rennen-Sperre verurteilt wurde. Eddie ging dagegen vor und bekam eine Drei-Rennen-Sperre aufgebrummt. Genau davor habe ich Angst", bekannte Schumacher.
Er legte dennoch Einspruch ein, um seine eigenen Landsleute nicht zu enttäuschen. Weil die Verhandlung später stattfand, konnte er in Hockenheim starten. Doch der Plan ging komplett nach hinten los: Schumacher fiel an zweiter Stelle liegend mit einem Motorschaden aus.
Weitaus schlimmer war der Vorfall, der sich bei Teamkollege Jos Verstappen ereignete. Während des ersten Tankstopps spritzte beim Nachtanken plötzlich das Benzin aus der Anlage, entzündete sich am Auspuff und erzeugte ein Flammenmeer. Der Niederländer kam mit dem Schrecken davon, erlitt nur leichte Verbrennungen, obwohl selbst der Lack seines Helms verbrannt war. Das Problem: Benetton hatte einen Filter der Tankanlage manipuliert, um die Durchflussmenge zu steigern.
Die Geburt von "Schummel-Schumi"
Die deutschen Medien hatten schon vorher begonnen, Schumacher als "Schummel-Schumi" oder "Schwarzfahrer" zu titulieren. Jetzt kochte die Suppe über. In Ungarn verpatzte er prompt den Start, rettete aber mit einem spektakulären Überholmanöver den Sieg. "Das war die richtige Antwort auf alle Beschuldigungen und Verdächtigungen", war seine gekränkte Reaktion.
Doch der Albtraum setzte sich fort. In Spa-Francorchamps gewann er zwar, wurde aber wieder disqualifiziert. Dieses Mal war der Unterboden nach einem Dreher über die Kerbs zu dünn. Der Vorsprung auf Hill war auf 21 Punkte geschmolzen und in Paris wurde der Schuldspruch von Mosley bestätigt. In Italien und Portugal musste der Deutsche also aussetzen, während Titelrivale Hill zweimal den Sieg holte.
Immerhin gab es keine Strafe wegen des Verstappen-Brands, für den dem Team der Ausschluss aus der WM gedroht hatte, und der Vorwurf des Einsatzes einer Traktionskontrolle wurde fallengelassen.
Mercedes baggerte schon 1994 an Schumi
Trotzdem: Schumacher war angespannt. Betrugsvorwürfe, Disqualifikationen, Sperren - ihm, der schon als Kartfahrer illegale Teile abgelehnt hatte, obwohl die gesamte Konkurrenz damit fuhr, musste übel aufstoßen, was sein Team um Flavio Briatore trieb.
Beim Comeback in Jerez kam Schumacher nur mit Rückenwind an die Strecke, weil sein Manager und Förderer Willy Weber den Rennstall unter Druck gesetzt hatte: Der Vertrag wurde von 1996 auf 1995 verkürzt und die Bezüge verdoppelt - angeblich wollte Mercedes seinen früheren Fahrer für den McLaren-Einstieg in der nächsten Saison unbedingt abwerben.
"Ich habe den Respekt vor dem Briten verloren, sowohl vor dem Menschen als auch vor dem Rennfahrer", bekannte der immer noch die Weltmeisterschaft anführende Deutsche in der englischen Tagespresse. Zwar gelang beim Europa-GP der Sieg, nachdem Bernie Ecclestone die Kontrahenten zuvor zum symbolischen Handschlag verdonnert hatte, in Suzuka schlug Williams aber zurück.
Hill überrascht vor dem Thriller in Adelaide
"Der Brite" überraschte im Regen von Suzuka mit seiner bisher besten Leistung. Während Martin Brundle mit Aquaplaning an derselben Stelle wie Jules Bianchi anno 2014 abflog und einen Streckenposten traf, wies Hill Schumacher in die Schranken und verschob mit dem sechsten Saisonsieg die Entscheidung aufs Finale.
Die Spannung war kaum zu überbieten, als Schumacher im Freitagsqualifying seinen Benetton in die Mauer setzte. Trotzdem stand er am Sonntag am Start hinter Mansell auf Platz zwei und schoss mit Hill direkt am Altmeister vorbei. Danach folgte ein Formationsflug bis zu Schumachers Fehler, der Kollision und dem Aus beider Piloten.
Schumacher machte eine gebrochene Lenkung für den Crash verantwortlich, Scham empfand er nicht. "Ich glaube, ich habe den Titel verdient. Ich habe Senna in Brasilien geschlagen. Keiner hat dieses Jahr mehr Rennen gewonnen als ich - und ich musste meine Punkte in nur zwölf Rennen einfahren", erklärte der achtfache Sieger.
Er war am Ziel der meisten Formel-1-Piloten. Doch seines war ein anderes gewesen: Er wollte die Nummer eins nicht irgendwie bekommen, sondern die Nummer 1 schlagen. Und so galten seine Gedanken nur dem einen früheren Kartfahrer, den er schon als zwölfjähriger Zuschauer bewundert hatte: Senna. "Ich will ihm diesen Sieg widmen. Für mich war er der Größte."