SPOX: Sie mussten lange auf den Aufstieg warten. Nach den sehr erfolgreichen Jahren in den Nachwuchsserien fuhren Sie in der Formel 1 bisher nie ernsthaft um Siege mit. Wie hält man die Motivation hoch, wenn man realistisch betrachtet gar keine Siegchance hat?
Hülkenberg: Das ist eigentlich kein Problem. Bei unserem Sport liegt es immer am Material. Das muss man verstehen. Wenn man nicht mit dem Besten gesegnet ist, wird es schwer. Deshalb fährt man für sich und sein Team. Natürlich hat man als Fahrer dabei ein Ziel vor Augen. Man arbeitet darauf hin, dass man um Siege kämpft. Das passiert nicht einfach im ersten oder zweiten Jahr. Man braucht lange, bis man ein Siegerauto hat. Aber auch im Mittelfeld hat man Spaß, so ein Auto überhaupt zu fahren. Die Befriedigung ist, das Beste herauszuholen, beispielsweise den eigenen Teamkollegen zu schlagen. Wenn man für ein Mittelfeldteam als Underdog geil fährt, kriegt man auch Anerkennung. Dann ist es immer noch einer der besten Jobs der Welt, denn man muss sich auch fragen, was die Alternativen sind. Da kommt lange nichts.
SPOX: Allerdings brachte Ihnen das einen Ruf als Pechvogel ein. Immer, wenn die Chance aufs Podium bestand, kam etwas dazwischen. In Österreich 2016 starteten Sie aus der ersten Reihe, in Brasilien 2012 kam es zum Unfall mit Lewis Hamilton. Wie verarbeitet man sowas?
Hülkenberg: Man schaut es sich an, analysiert es, verdaut es. Oftmals waren es Situationen, die nicht in meiner Hand waren. Ich hatte nichts falsch gemacht. Das ist einfacher abzuhaken, auch wenn man frustriert und sauer ist. In der Saison 2016 hatte ich drei glasklare Chancen aufs Podium, zweimal sind unglückliche Umstände eingetreten. Das ist Sport. Es gibt immer wieder Rückschläge. Aufstehen und weiterkämpfen!
SPOX: Eine Ablenkung war der Ausflug zur Langstrecke gewesen: Le Mans 2015 mit Porsche. Die drei Rookies Nico Hülkenberg, Earl Bamber und Nick Tandy übernehmen zuerst überraschend die Führung und schaffen es dann auch noch das ganze Rennen zu gewinnen. Waren Sie selbst von der Leistung überrascht?
Hülkenberg: Definitiv. Wir kamen da hin als junge Wilde. Unbefangen. Ohne Erwartungen. Es war eine locker-leichte Stimmung, wir hatten einfach Spaß. Wir sind von Platz 3 gestartet, zurückgefallen, ich musste mich erstmal akklimatisieren und zurechtfinden. Als die Nacht kam, haben wir wirklich den Turbo gezündet und es lief einfach. Earl, Nick und ich, wir haben alle drei Kurve für Kurve, Runde für Runde einfach nur fliegen lassen. Wir haben über nichts nachgedacht, sind einfach nur durchgebrettert. Ich weiß noch, als ich in der Nacht nach zwei oder drei Stunden Schlaf aufgewacht bin und realisiert habe, dass wir eine ordentliche Führung haben. Plötzlich fängt man an nachzudenken, das war so nicht zu erwarten.
SPOX: In der Schlussphase gab es aber noch einen Schreckmoment, der fast den Sieg gekostet hätte. Sie haben einen Aston Martin überrundet, der dabei abgeflogen ist.
Hülkenberg: Das war in den Porschekurven, wo der Geschwindigkeitsunterschied zwischen den Prototypen und den GT-Autos extrem hoch ist. Die Kurven fliegen nur so an einem vorbei und sind relativ blind für die GT-Jungs: Die gucken in den Spiegel, da ist nichts, und in der nächsten Sekunde sind wir schon da. Ich bin mit einem solchen Überschuss aus den Porsche-Kurven gekommen, dass ich gezwungen war, innen reinzustechen. Sonst wäre ich voll hinten auf ihn draufgeknallt. Eine richtige Berührung gab es eigentlich nicht, aber er hat sich mega erschreckt und ist böse abgeflogen.
SPOX: Schon vor dem Überraschungssieg standen Sie kurz vor einem Engagement bei Ferrari. Allerdings entschied sich die Teamleitung im letzten Moment, Kimi Räikkönen zur Saison 2014 nach Maranello zurückzuholen. Ist es daher eine Erleichterung, dass es bei Renault mit dem Werksvertrag geklappt hat?
Hülkenberg: Erleichterung würde ich nicht sagen. Es ist einfach eine gute Sache, ein guter Wechsel, ein guter Schritt für meine Karriere. Ich bin sehr zufrieden damit und fühle mich sehr wohl in meiner Haut. Renault kam genau zur richtigen Zeit. Nach vielen Jahren mit Force India, erfolgreichen und schönen, war eine neue Herausforderung gut für mich. Die habe ich mit Renault. Die Saison 2016 war nicht gut. Wir sind momentan der Underdog und ich bin sicher, dass sich das ändern wird. Wir können ein gutes Projekt daraus machen und gemeinsam auf die Beine kommen.
SPOX: Salopp gefragt: Haben Sie sich nach dem Rücktritt von Nico Rosberg geärgert, dass Sie nicht zwei Monate länger mit der Unterschrift gewartet haben?
Hülkenberg: Nein, überhaupt nicht. Es hätte keine Garantie gegeben, dass ich automatisch der Nachfolger bei Mercedes geworden wäre. Normalerweise wartet niemand bis zu dem Zeitpunkt, um einen super Vertrag zu unterschreiben. Mit meiner Rolle bin ich sehr zufrieden und habe wirklich Lust auf das Projekt Renault. Dass ich von Anfang an dabei bin, wenn wir uns nach oben kämpfen und entwickeln müssen. Da ist der Fahrer gefordert, einen Teil dazu beizutragen und das Team erfolgreich zu machen. Ich setze mich nicht ins gemachte Nest. Von daher bin ich sehr glücklich, wie es gelaufen ist.
Nico Hülkenberg im Steckbrief