Formel 1 - Kommentar zum Ferrari-Desaster: Der Boss versaut Leclerc den Titel

Von Christian Guinin
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Beim Großen Preis von Ungarn stellt die Scuderia Ferrari einmal mehr ihre eklatanten Schwächen in Sachen Strategie unter Beweis. Die Weltmeisterschaft ist trotz des wohl stärksten Autos im Feld so gut wie dahin, nun muss es personelle Konsequenzen geben. Nur so kann es gelingen, das Gesicht zu wahren und nicht zum Gespött der Formel 1 zu werden. Ein Kommentar.

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Es hatte alles so perfekt ausgesehen. Während der größte Erzfeind Red Bull nach einer verpatzen Qualifikation nicht über die Startplätze zehn und elf hinausgekommen war, hatte man bei Ferrari vor dem Rennen des Ungarn-GPs eine Top-Ausgangssituation und alle Trümpfe in der Hand, das Blatt im Weltmeisterschaftskampf zu seinen Gunsten zu wenden. Eigentlich.

Denn anstatt die wichtigen Zähler mit einem guten Ergebnis einzustreichen, funktionierte bei den Roten - wieder einmal - überhaupt gar nichts. Zwei verpatzte Boxenstopps bei Carlos Sainz ruinierten diesem das Rennen, bei Charles Leclerc entschied man aus völlig heiterem Himmel heraus, einen Stint auf dem im gesamten Feld so unbeliebten und zuvor kaum getesteten, harten Reifen zu wagen.

Aus dem angepeilten Doppelsieg wurde folglich nichts. Beide Scuderia-Piloten wurden mit zunehmender Renndauer immer weiter durchgereicht und kamen nur auf den Plätzen vier und sechs ins Ziel.

Mit dem Fortschreiten der Saison zeichnet sich immer stärker das Bild eines Rennstalls ab, der an allen Ecken und Enden überfordert zu sein scheint. Taktisch leistet sich Ferraris Kommandostand Woche für Woche teils haarsträubende Fehler, welche bereits eine Vielzahl an WM-Punkten gekostet haben. Oft hat man den Eindruck, dass führende Strategen bei den Roten die simpelsten und offensichtlichsten Rennsituationen nicht korrekt einschätzen können oder diese schlichtweg ignorieren.

Mattia Binotto und Charles Leclerc sehen in der WM gegen Red Bull und Max Verstappen kein Land.
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Mattia Binotto und Charles Leclerc sehen in der WM gegen Red Bull und Max Verstappen kein Land.

Ferrari wird zunehmend zur Lachnummer der Formel 1

Mit einem Auto, welches vom reinen Potenzial her locker um den Titel mitfahren könnte, ist das inakzeptabel. Will man die ohnehin geringe Chance darauf noch wahren, muss in der anstehenden Sommerpause zwingend eine personelle sowie inhaltliche Neuaufstellung her. Teamchef Mattia Binotto steht als Hauptverantwortlicher ebenso zur Debatte wie die gesamte operative Strategie- und Mechaniker-Abteilung.

Gibt es diesen Cut nicht, kann man sich von der ersten Weltmeisterschaft seit knapp 15 Jahren (Team 2008, Fahrer 2007) mit Sicherheit verabschieden. Mit 80 Punkten Rückstand auf Max Verstappen ist Charles Leclerc ohnehin bereits auf Patzer des Niederländers angewiesen - aus eigener Kraft ist der Titel schon nicht mehr zu holen. Und selbst wenn man das WM-Abschneiden außen vor lässt, ist ein Neuanfang unvermeidlich. Allein, um dem sich immer stärker zementierenden Image als Lachnummer und Karriere-Zerstörer der Königsklasse entgegenzuwirken.

Denn auch Leclerc selbst wird seine Zukunft bei der Scuderia hinterfragen. Zwar präsentiert sich der Monegasse in dieser Saison ebenfalls keineswegs fehlerfrei (u.a. individuelle Patzer in Imola und Le Castellet), dennoch wirkt er in der aktuellen Situation wie die ärmste Sau im Fahrerfeld. Der von der Scuderia offen als Zugpferd und Zukunftshoffnung deklarierte 24-Jährige macht einen zunehmend frustrierten und niedergeschlagenen Eindruck. Kollegen wie Fernando Alonso und Sebastian Vettel können ein Lied vom Leid in Rot singen.

Wie es richtig geht, stellen Rivale Verstappen und Red Bull in diesem Jahr eindrucksvoll unter Beweis. Und manchmal ist der Weg zum Weltmeistertitel nur eine Garage weit entfernt. Bei Ferrari wird Leclerc der Schritt zum Weltmeister - zumindest in diesem Jahr - kaum gelingen.

Formel 1: Der WM-Stand (nach 13 von 22* Rennen)

  • Fahrerwertung:
PlatzFahrerTeamPunkte
1Max VerstappenRed Bull258
2Charles LeclercFerrari178
3Sergio PerezRed Bull173
4George RussellMercedes158
5Carlos SainzFerrari156
6Lewis HamiltonMercedes146
7Lando NorrisMcLaren76
8Esteban OconAlpine58
9Valtteri BottasAlfa Romeo46
10Fernando AlonsoAlpine41
  • Konstrukteurswertung:
PlatzTeamPunkte
1Red Bull431
2Ferrari334
3Mercedes204
4Alpine99
5McLaren95
6Alfa Romeo51
7Haas34
8AlphaTauri27
9Aston Martin20
10Williams3

*Der Russland-GP wurde aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ersatzlos gestrichen. Ursprünglich hatte die Formel 1 für die Saison 2022 23 Rennen eingeplant.

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