Die alte Jungfrau und der Schleifer

Von Florian Bogner
Uli Hoeneß, Jupp Heynckes und Hermann Gerland (v.l.n.r.) waren am Dienstag gut gelaunt
© Getty

Der Reformer Jürgen Klinsmann ist beim FC Bayern Geschichte, die Realisten Jupp Heynckes und Hermann Gerland übernehmen. Machen sie die Bayern doch noch zum Meister? Die Antrittspressekonferenz macht in aller Nüchternheit klar: Nun sind vor allem die Spieler gefordert.

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Da war er also, Jupp Heynckes. Nach 18 Jahren Abstinenz hat es ihn doch noch mal gepackt, er steht wieder draußen an der Säbener Straße. Er und Hermann Gerland sollen der Mannschaft auf der Zielgeraden noch mal die Sporen geben, dafür hat Uli Hoeneß sie geholt.

Der erste Eindruck von Heynckes: Da sitzt ein Fußballlehrer im Ruhestand, der zu seinem Feuerwehrmanndasein beim FC Bayern wie die Jungfrau zum Kinde kam. Er sei überrascht gewesen, als der FC Bayern sich am Sonntagabend gemeldet hat, berichtet er auf der Pressekonferenz. "Das ist ein Freundschaftsdienst für den FC Bayern, für den Uli", sagt Heynckes. Seine Frau habe ihm nach kurzer Unterredung dazu geraten, es zu machen.

Neben Heynckes und Gerland sitzt Uli Hoeneß und grinst sich eins. Er war es, der Heynckes in der Not aufgetan hatte. Er wird sich fragen lassen müssen: Sind Heynckes und Gerland nach dem Klinsmann-Fiasko die Richtigen? Die eigentliche Frage dürfte aber sein, ob sie überhaupt die Falschen sein können - bei der Rückendeckung von Bayerns Mächtigen.

Minimalziel Platz zwei

Vor 18 Jahren war Heynckes auf Platz zwölf liegend entlassen worden. Von 1987 bis 1991 hatte Heynckes in München gewirkt, zwei Meistertitel geholt, zweimal im Landesmeistercup ans Finale angeklopft. Dann war es aus.

Hoeneß nannte den Schritt, Heynckes zu entlassen, einst seinen "größten Fehler". Am Dienstag bezeichnet Hoeneß den fein bezwirnten Jupp "meinen alten Kumpel, mit dem wir schon viele Schlachten geschlagen haben". Den hemdsärmeligen Hermann nennt er den "alten Kempen", der den Verein "aus dem Effeff" kennt. Für Hoeneß könnte es keine besseren geben.

Fünf Spiele sind noch zu spielen. Dann gibt es einen Meister. Ob der dann FC Bayern heißt? Heynckes weiß es nicht, Heynckes hat keinen Druck. Das erklärte Ziel heißt Platz zwei. "Unser Ziel muss die direkte Qualifikation für die Champions League sein", sagt Heynckes. "Über den Meistertitel soll man gar nicht nachdenken und nicht darüber sprechen."

Da hat er sich mit Hoeneß abgesprochen. Wenn man am Ende doch noch Meister werde, würde man sich nicht dagegen wehren. "Aber wir sind nicht angetreten, jetzt über den Titel zu reden", sagt Hoeneß später.

Nur alte Phantasten tun das, hatte Hoeneß einen Tag zuvor gesagt, und damit sich selbst und Karl-Heinz Rummenigge gemeint. Die Meisterschaft wäre ja quasi das Unmögliche, an das man nur noch insgeheim glauben mag. Bei drei Punkten Rückstand auf die Novizen aus Wolfsburg.

Heynckes will viel reden

Heynckes weiß, dass man in vier Wochen das Rad nicht neu erfinden kann. Dafür ist er viel zu lange im Geschäft, hat zu viel gesehen. In Spanien, in Gladbach, auf Schalke und bei den Bayern. "Ich denke, dass ich sehr viel Erfahrung als Trainer habe und so eine Situation ganz nüchtern analysieren kann", sagt er.

Er weiß, dass er nur im psychologischen Bereich ansetzen kann. Gerland, der Schleifer, ist derjenige, der den Profis auf dem Platz noch mal Beine machen soll. Heynckes soll der Mannschaft wieder Selbstvertrauen geben. Zuletzt gegen Schalke, als der Hoeneß-Freund Heynckes zufällig im Stadion war, hatte dieser den Eindruck, "dass bei der Mannschaft eine psychische Blockade da war. Sie war apathisch, paralysiert."

Dem will er nun vor allem mit Reden beikommen. In Einzelgesprächen, in Gruppenarbeit. "Man muss sie überzeugen, dass sie viel besser sind als sie in den vergangenen Wochen gespielt haben", sagt Heynckes nüchtern und spricht von Fesseln, von denen die Spieler befreit werden müssen.

Sein Credo: "Fußball muss mit Freude und Emotionen gespielt werden, das will ich wecken. Ich denke, dass die Spieler da mitziehen werden."

Gerland: "Habe mich noch nicht in den Griff bekommen"

So abstrakt Heynckes von seiner Arbeit spricht, so liebenswert direkt ist Hermann Gerland. Der Tiger sagt, was er denkt. Das war schon immer so. Dafür lieben die Fans ihren "Amateur-Trainer", deswegen ist er so herrlich authentisch.

Wie er seinen Aufgabenbereich sieht? "Ich werde Heynckes assistieren. Er ist der Chef und er sagt mir, was ich zu tun habe", sagt Gerland. Seine Frau brauchte er nicht extra zu fragen, bevor er das Amt antrat, scherzt er. "Ich muss sie erst dann fragen, wenn ich den FC Bayern verlassen will, aber das wird sie nicht wollen."

Etwas ernsthafter verkündet er, dass er sich als Co-Trainer voll reinknien will. "Ich bin ein wenig stolz, dass man mich als Assistent genommen hat", sagt Gerland artig.

Und manch ein Bayern-Fan sieht ihn schon auf dem Trainingsplatz hinter Franck Ribery herkeifen.

An Gerland schätzt man vor allem seinen Ehrgeiz, seine Akribie und eben seine Schimpftiraden. "Ich habe mich noch nicht in den Griff bekommen", sagt Gerland und Heynckes witzelt neben ihm: "Dann bekommst du einen Sicherheitsgurt angelegt."

Jetzt ist die Mannschaft gefragt

Für die Spieler war Jürgen Klinsmann zuletzt der Sicherheitsgurt gewesen. So abgedroschen es klingt: Mit dem neuen, von Hoeneß protegierten Trainergespann, wird es keine Ausreden mehr geben. Die Spieler sind jetzt gefragt.

"Für den ein oder anderen Spieler war der Jürgen ein gutes Alibi, hinter dem man sich verstecken konnte. Wir werden verfolgen, wer bereit ist, sich für den FC Bayern zu zerreißen", hatte Karl-Heinz Rummenigge am Montag schon angekündigt.

An der Aufstellung wird Heynckes nicht viel verändern. Einem Torwartwechsel zurück zu Michael Rensing erteilt er am Dienstag eine Absage. "Michael Rensing ist verletzt, deswegen stellt sich die Frage nicht", sagt Heynckes. Er möchte nun erstmal sehen, "wie aktiv die Spieler sind, wie lebendig die Mannschaft ist, und nach meinen Eindrücken werde ich das Team aufstellen".

Auch Gerland hat nicht vor, viel zu ändern. Seinen Nachwuchsstürmer Thomas Müller wird er nicht ins kalte Wasser werfen. "Wir können es uns bei fünf verbleibenden Spielen nicht leisten, zu schauen, ob Thomas Müller vor 70.000 Zuschauern spielen kann", sagt der Tiger.

Vielmehr sei es ratsam, auf erfahrene Leute zu setzen. Das hat Uli Hoeneß nun auch gemacht. Und wenn am Ende doch der Meistertitel raus springt, hat er damit bestimmt nicht die falschen gewählt.

So lief der Dienstag an der Säbener Straße