Eintracht Frankfurt: Wettlauf gegen die Zeit

Von Jochen Tittmar
Bei der Eintracht ist wie hier bei Daum und Bruchhagen (r.) Ernüchterung eingekehrt
© Getty

Eintracht Frankfurt erlebte in der Rückrunde einen beispiellosen Niedergang und wird wahrscheinlich absteigen. Dem Hauptverantwortlichen Heribert Bruchhagen geht es daher an den Kragen. Die sportliche Führungsebene soll, die Mannschaft muss neu strukturiert werden - aber die Zeit drängt.

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49 Tage ist es jetzt her, dass Christoph Daum bei Eintracht Frankfurt vorgestellt wurde. Der Presseraum in der Commerzbank-Arena war proppevoll, die Kameras der Fotografen klickten wie wild. Daum genoss seinen Auftritt im Scheinwerferlicht wie eh und je.

Christoph Daum resigniert

Er dozierte selbstsicher über sich und die Eintracht. 25 Stunden am Tag wolle er sich um die Mission Klassenerhalt kümmern. Damals stand die SGE auf Platz 14 der Tabelle, mit einem Vier-Punkte-Polster auf die Abstiegsränge.

Nun, nach der ernüchternden Ausbeute von nur drei Punkten aus sechs sieglosen Spielen, saß Daum wieder im Presseraum. Er wirkte stark angeschlagen. Entgegen seinem Naturell sprach er - obwohl der Klassenerhalt rechnerisch immer noch möglich ist - sein finales Urteil über ein Team, das er offenbar nie erreicht hat: "Bei mir stellt sich Realismus ein. Es sieht so aus, dass wir abgestiegen sind. Vielleicht ist momentan einfach nicht mehr drin."

Keine Hoffnung mehr am Main

In Frankfurt geht niemand mehr von jenem Fußballwunder aus, das die Eintracht am Samstag in Dortmund noch in der Liga halten könnte.

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Das, was in sportlicher Hinsicht an den vergangenen beiden Wochenenden vorgefallen ist, gibt keinerlei Anlass zur Hoffnung.

Das Projekt Klassenerhalt ist genauso grandios gescheitert wie das Experiment mit Daum. Der Trainer konnte der Mannschaft keine Impulse mehr geben, heißt es für gewöhnlich in solchen Fällen.

Daums Ruf beschädigt

Im Falle Daum sieht das anders aus: Der extrovertierte Coach hat der Mannschaft offensichtlich zu viele Impulse gegeben, sie mit seiner eindringlichen Herangehensweise regelrecht überfrachtet und damit unter dem Strich noch stärker verunsichert. Die zahlreichen Spielersitzungen, die Videoanalysen, die langen Trainingseinheiten - nichts fruchtete.

Im Gegenteil, im Zuge der intensiven Arbeit auf dem Platz meldeten sich mehr und mehr Spieler verletzt ab oder fanden kein bisschen zu ihrer Form zurück.

Die leidenschaftlichen Appelle, in denen Daum von dritten Beinen oder Denkgefängnissen parlierte, waren eher ein gefundenes Fressen für die Presse als Motivationsschübe für seine Elf. Daums Arbeitsweise hat sich für die Bühne Bundesliga in Rekordzeit als ungeeignet und überholt entpuppt. Sein Ruf wird dank des Fiaskos am Main wohl dauerhaft geschädigt sein.

Bruchhagens Zukunft entscheidet sich Montag

Eng mit Daums Niedergang verbunden ist die Personalie Heribert Bruchhagen. Der Vorstandsvorsitzende hat Michael Skibbe reichlich spät vor die Tür gesetzt und den Coup mit Daum eingefädelt.

Am Ende war dies die falsche Entscheidung. Bruchhagen ist der Hauptverantwortliche für Frankfurts Misere. Das weiß er selbst und es ehrt den 62-Jährigen, sich nicht aus der Verantwortung stehlen zu wollen.

Ob er vom Aufsichtsrat die Gelegenheit bekommt, den Betriebsunfall zu korrigieren, soll am kommenden Montag verkündet werden. Seit der Pleite gegen Köln tagen die Vereinsoberen und besprechen die Vorgehensweise für die neue Saison.

Wird Beiersdorfer Sportdirektor?

"Ein Einfach-weiter-so wird es nicht geben", verkündete Vize-Präsident und Aufsichtsratsmitglied Axel Hellmann bereits am Wochenende. Aufsichtsratschef Wilhelm Bender pflichtete dem bei, indem er erklärte, dass man über neue Strukturen innerhalb des Vereins nachdenke.

Die entscheidende Frage wird dabei sein, ob Bruchhagen von seinen Aufgaben entbunden oder ihm ein Sportdirektor zur Seite gestellt wird. Der Name Dietmar Beiersdorfer macht bereits die Runde am Riederwald.

Sollten sich die Vereinsoberen für die Installation eines sportlichen Gegengewichtes entscheiden, muss der von Bender geschätzte Bruchhagen diese Kröte schlucken: "Wenn es dem Wohl von Eintracht Frankfurt dient, hätte ich nichts dagegen einzuwenden. Auch wenn ich seit 23 Jahren Fußball-Manager bin", sagte der Ostwestfale.

Für Frankfurt drängt die Zeit

Es mutet ein wenig skurril an, dass Bruchhagen in diesen Tagen den Sportdirektor selbst aussuchen darf. "Er trifft die Vorauswahl, der Aufsichtsrat muss zustimmen", bestätigte Bender der "Frankfurter Rundschau". Dort gab er auch zu, dass es generell "unterschiedliche Auffassungen über die Ausrichtung" gebe.

Was auch immer letzten Endes dabei herauskommt, fest steht: Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Steigt die Eintracht am Samstag ab, soll das erste Training der neuen Runde genau drei Wochen später am 4. Juni beginnen, da die Zweitligasaison wenig durchdacht bereits am 15. Juli angepfiffen wird. In diesen drei Wochen brauchen die Hessen ungeachtet der offenen Fragen auf Führungsebene aller Voraussicht nach einen neuen Trainer und Klarheit über die Zukunft des aktuellen Kaders.

Womöglich viele Abgänge

Und die ist naturgemäß extrem ungewiss. Es ist davon auszugehen, dass Ralf Fährmann, Halil Altintop, Giorgios Tzavellas, Theofanis Gekas, Maik Franz, Caio, Aleksandar Vasoski, Zlatan Bajramovic und Marcel Heller dem Verein den Rücken kehren. Bei Patrick Ochs steht das schon fest. Auch der Vertrag des dauerverletzten Leaders Chris besitzt keine Gültigkeit fürs Unterhaus.

Der Kader von Eintracht Frankfurt

"Zweite Liga ist eine andere Spielweise. Wir werden nicht automatisch die übernehmen, die auch einen Vertrag für die zweite Liga haben", kündigte Bender an. Das zukünftige Personal-Budget wird lediglich zwischen 15 und 17 Millionen Euro liegen.

Abstieg als Chance

So bitter und unerwartet der Sturz in die Zweitklassigkeit ist, so bietet er auch die Möglichkeit, den Verein auf eine neue, eine zukunftsorientierte Ebene zu hieven. Bruchhagens nüchterner Sachverstand sowie seine Kontakte, gepaart mit einem fachmännischen Sportdirektor und einem unverbrauchten Trainer moderner Prägung - so muss die Konstellation der Zukunft aussehen.

Gelingt es, um Spieler wie Sebastian Jung, Sebastian Rode oder gar Pirmin Schwegler ein entwicklungsfähiges und Identifikation stiftendes Team aufzubauen, muss der Eintracht trotz der derzeit düsteren Prognosen nicht bange vor der 2. Liga sein. Doch es bleibt dabei: Die Zeit drängt.

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