Christian Heidel: "Ist dieser Don Heiteli hier?"

Von Interview: Haruka Gruber
Christian Heidel ist seit 1991 für den FSV Mainz 05 tätig
© Imago
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SPOX: Präsident Harald Strutz, Jugendkoordinator Volker Kersting und Sie arbeiten seit einer halben Ewigkeit zusammen. Wie lässt sich das Verhältnis beschreiben? Sind sie gute Kollegen, gute Freunde oder ist es fast schon eine Familie?

Heidel: Auch wenn der Begriff heutzutage einen negativen Touch hat, weil es so provinziell rüberkommt: Familie trifft es am besten. Eng befreundet sind wir jedoch nicht. Wir gehen abends weder zusammen weg noch fahren wir gemeinsam in den Urlaub - was durchaus auch Vorteile im täglichen Miteinander mit sich bringt. Die Konstellation funktioniert seit Jahren. Jeder weiß, dass man sich vertrauen kann, weil immer der Verein und nicht die Personen im Vordergrund stehen. Harald Strutz und Volker Kersting sind ebenfalls Mainzer. Diese Konstellation gibt es nirgendwo. Wir sind alles Typen, die nicht daran denken, wo es einen besseren Job gibt, sondern wie man Mainz 05 besser machen kann.

SPOX: Sie waren zu Ihrer Jugendzeit einer der wenigen FSV-Fans in der Stadt. Wie kann man sich den Teenager Heidel vorstellen? Mit Jeansweste, aufgestickten Wappen, Schal ums Handgelenk und die Klub-Fahne wedelnd?

Heidel: Genau so. Der einzige Unterschied zu den Fans von heute: Damals wurde ich in der Innenstadt richtig angeglotzt, weil ich einer der wenigen war, die tatsächlich so rummarschiert sind. Ich empfand es aber als ganz normal. Ich stellte mich zu jedem Heimspiel mit 50, 60 anderen auf die Gegengerade und habe mir die Kehle heiser geschrien. Für mich gab es nie einen anderen Verein. Außer ein bisschen Mönchengladbach in der Bundesliga. (lacht)

SPOX: Wie kam später der Kontakt zum FSV zustande? Durch Ihre Fan-Vergangenheit? Oder vielleicht über die Politik-Schiene? Ihr Vater ist ehemaliger Bürgermeister von Mainz und Strutz seit Jahren in der FDP aktiv.

Heidel: Mein Vater ist in Pension gegangen als Harald Strutz mit der Politik angefangen hat - aber nicht deswegen. (lacht) Das lief ganz anders. 1990 spielte der FSV noch in der Oberliga Südwest mit einem Zuschauerschnitt von 1200. Ich war damals schon Geschäftsführer des Autohauses und hatte die Idee, den FSV in eine Werbeveranstaltung einzubeziehen. Also bin ich zum Verein und habe zu einem kleinen Preis auf einen Schlag alle 10.000 Karten für die Partie gegen den bundesweit bekannten FSV Saarwellingen aufgekauft. Wir haben dann um das Spiel herum einen großen Event mit richtig Remmidemmi auf die Beine gestellt, plötzlich waren 5000 Leute da und am Bruchweg war wieder was los.

SPOX: Und dann?

Heidel: Offenbar hatte es dem Verein gefallen. Nach einer Woche wurde ich gefragt, ob ich nicht mitarbeiten möchte. Ich wollte anfangs jedoch nicht, weil ich selbst noch unterklassig gekickt habe und noch richtig Spaß dabei hatte. Als Fußballer wollten sie mich aber nicht. Doch der Verein ließ nicht locker und zwei Jahre später, 1992, war ich dabei und wurde kommissarisch in den Vorstand berufen und ein paar Monate später dann auch gewählt.

SPOX: Als Verantwortlicher für die Amateure.

Heidel: Die zweite Mannschaft spielte damals in der Kreisklasse C, der untersten Klasse, die es überhaupt gab. Als erste Amtshandlung schmiss ich die komplette Mannschaft raus und holte 20 Neue. Es ging ja nicht an, dass selbst ich Welten besser gekickt habe als alle Spieler. Das neue Team ist danach in acht Jahren sieben Mal aufgestiegen, sogar einmal bis in die 3. Liga. Schon ein paar Wochen nach meinem Einstieg war ich aber auch für die Profis verantwortlich.

SPOX: Wie hat sich der Macher Heidel von damals zu heute verändert? Mussten Sie beispielsweise Härte lernen, um im Profi-Fußball zu bestehen?

Heidel: Jeder Mensch entwickelt sich, sonst wäre das ganz schlimm. Aus Erfahrung lernen ist die Basis zum Besserwerden. Härte ist für mich der falsche Begriff. Konsequenz passt besser. Um konsequent zu sein, muss man überzeugt sein von dem, was man tut. Und Mut haben zu außergewöhnlichen Entscheidungen. Ich hasse deswegen auch Populismus.

SPOX: Was sich bei der Entlassung von Aufstiegstrainer Jörn Andersen 2009 zeigte.

Heidel: Das stimmt schon ein bisschen. Wir geben als Verein die Philosophie vor und suchen das Personal danach aus und nicht umgekehrt. Daran muss sich der Trainer halten. Alles andere wollen wir nicht und der Verein ist inzwischen stark genug, das nicht zuzulassen. Auch deswegen wurden Jürgen Klopp und Thomas Tuchel Trainer in Mainz. Sie haben sich mit der Philosophie von Mainz 05 zu hundert Prozent identifiziert, auch wenn mich halb Deutschland zunächst für verrückt erklärt hat.

SPOX: Haben Sie über die Jahre ein Manager-Vorbild, an dem Sie sich orientiert haben?

Heidel: Uli Hoeneß. Keiner war so lange bei einem Verein wie er. Es ist nicht so, dass ich mir etwas speziell von ihm abgeschaut habe, aber ich habe die allergrößte Achtung vor seinem Wirken, seiner Loyalität gegenüber seinem Verein und seinem Umgang mit Menschen. Bei ihm wusste man, dass er morgen nicht da und übermorgen dort anheuert. Bei ihm hatte man immer das Gefühl, dass auch seine Arbeit bei den Bayern kein Job sondern mehr eine Profession war und ist. Das imponiert mir ungemein.

SPOX: Sie selbst genießen ebenfalls eine hohe Wertschätzung. Stimmt es, dass Sie intern sogar als 'Don' angesprochen werden?

Heidel: In manchen Kreisen heiße ich wirklich 'Don'. Aber es hat weniger mit Wertschätzung als mehr mit einem Jux zu tun. Vor einigen Jahren war ich mit der Mannschaft bei einem Trainingslager in Spanien und habe währenddessen Kontakt mit einem Spieler aus Ecuador gehabt. Sein Verein verweigerte aber die Freigabe und schickte uns einen Brief in das Hotel mit der Anschrift 'Don Heiteli'. Die Rezeptionistin wusste aber nicht, wer das ist, und ruft laut durch die Lobby, ob denn dieser 'Don Heiteli' hier wäre. Seitdem habe ich, insbesondere wohl in Fanforen, diesen Namen.

SPOX: Eine zweite Geschichte, die über Sie kursiert: Sie haben angeblich eine ausgeprägte Tunnel-Phobie. Stimmt das auch?

Heidel: Jeder hat wohl eine Macke und meine ist eben: Ich fahre nicht gerne mit dem Auto durch einen Tunnel. Keine Ahnung, warum. Aber es ist nicht so schlimm, dass ich zum Arzt gehen müsste.

SPOX: Obwohl Sie angeblich vor einem Autobahn-Tunnel bei der letzten Raststätte davor anhalten und fremde Menschen darum bitten, sich ans Steuer Ihres Wagens zu setzen, damit dieser Sie durch den Tunnel fährt?

Heidel: So schlimm ist das auch nicht. Zwar bin ich immer erleichtert, wenn ich aus dem Tunnel rauskomme, aber im Notfall fahre ich schon alleine durch. Und als Beifahrer habe ich ohnehin keine Probleme. Das mit der Raststätte ist einmal vorgekommen, als ich auf dem Weg in den Skiurlaub durch den Felbertauerntunnel musste. Neun Kilometer lang mit Gegenverkehr, geht ja gar nicht. (lacht) In der Raststätte habe ich zufällig Leute kennengelernt, denen ich das erzählt habe. Ruckzuck hatte ich einen Fahrer und kam ohne Schweißausbrüche aus dem Tunnel heraus. Gut gemanagt, würde ich sagen.

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