Etwas ziellos irrte Ralf Fährmann durch sein Revier. Vielleicht hatte das hessische Exil doch seine Spuren hinterlassen. Gleich mehrfach musste Fährmann in der Gelsenkirchener WM-Arena nach dem Weg in die eigene Fankurve fragen.
So zielstrebig er zuvor Meister Borussia Dortmund im Supercup mit zwei gehaltenen Elfmetern und reihenweise starken Paraden im Alleingang gestoppt hatte, so planlos wirkte er nun beim Gang in die Schalker Nordkurve.
Lautstark hatten die Fans ihren neuen Liebling nach dem glücklichen 4:3-Sieg im Elfmeterschießen über den BVB gefordert, und während die neue Schalker Nummer eins noch zwischen Tor und Tribüne einsam umherirrte, saßen seine Mitspieler lachend vor der Kurve auf dem Rasen.
Fährmann: "Das gibt Rückenwind"
Benedikt Höwedes, nach einem Zweikampf mit Dortmunds Robert Lewandowski mit königsblauem Turban unterwegs, schlug belustigt die Hände über dem lädierten Kopf zusammen.
Schließlich gab sich Fährmann geschlagen, Ordner wiesen dem Nachfolger von Nationaltorwart Manuel Neuer im Tor von Pokalsieger Schalke 04 den Weg zu den eigenen Fans. "Das war natürlich ein Traumeinstand für mich", sagte Fährmann trotz seiner Odyssee durch die Kurve: "Vor allem weil es gegen Dortmund war. Das gibt mir ordentlich Rückenwind."
Den konnte der ehemalige Frankfurter gut gebrauchen, denn bei den Knappen bestanden offenbar gehörige Zweifel am 22 Jahre alten Nachfolger von Manuel Neuer. Sogar Torwart-Oldie Jens Lehmann sollte noch vor einigen Wochen sicherheitshalber verpflichtet werden.
"Die Lücke, die Manuel Neuer hinterlässt, ist riesig. Meine Aufgabe ist es, in den nächsten Jahren diese Lücke zu schließen", sagte Fährmann pflichtbewusst und stellte dann lapidar fest: "Ich hab die Nummer eins auf dem Rücken."
Mannschaft vertraut Fährmann bereits
Die bemerkenswerte Leistung gegen Erzrivale Dortmund reichte aus, und schon sind auf Schalke alle vom Neuer-Nachfolger überzeugt. Und zwar restlos. "Ralf hat für uns den Pokal geholt, eine super Leistung, super Paraden", lobte Stürmer Klaas-Jan Huntelaar.
"Ich habe absolutes Vertrauen zu Ralf", ergänzte Schalkes neuer Kapitän Höwedes: "Ralf ist ein richtig guter Nachfolger für Manuel. Für mich war Ralf immer die Nummer eins."
Zu ähnlichen Jubelstürmen wie Fährmann hatte am Samstagabend sonst nur einer den Schalker Anhang gebracht: Kevin Großkreutz. Als ausgerechnet der Ur-Borusse vom Elfmeterpunkt an Fährmann scheiterte, brachen im Stadion wahre Jubelstürme los.
Supercup: Schalke besiegt Dortmund im Elfmeterschießen
"Es freut mich, dass mich hier so viele Leute nicht mögen", kommentierte der Schalker "Publikumsliebling" die Reaktionen auf sein Scheitern: "Wir hätten in der regulären Spielzeit alles klar machen müssen. Elfmeterschießen kommt vor, das passiert."
Klopp: "Bin nicht unzufrieden"
Schon am letzten Spieltag der Vorsaison war der BVB zweimal vom Elfmeterpunkt am damaligen Frankfurter Fährmann gescheitert. Dass die Dortmunder nun zwei Wochen vor dem Saisonstart gegen den Hamburger SV erstmals seit dem 26. Februar 2010 wieder ein Prestigeduell gegen Schalke verloren und es zudem verpassten, sich mit vier Supercup-Erfolgen zum alleinigen Rekordsieger zu machen, störte beim siebenmaligen Meister aber nicht wirklich.
"Es gibt zwei Gründe, aus denen man sich zum Fußballspielen trifft", dozierte BVB-Trainer Jürgen Klopp: "Der eine ist, um zu gewinnen, der andere, um gut zu spielen. Das eine ist uns gelungen, das andere nicht. Ich bin nicht unzufrieden. Es war ein sehr intensives Spiel vor einer fantastischen Kulisse."
Der Meister wähnt sich auf dem richtigen Weg, und im Gegensatz zu den Schalkern wohl zu Recht. Denn während Schalke nach wie vor mit großen Problemen im Spielaufbau zu kämpfen hat, wirkte der BVB dynamischer, zielstrebiger und spielerisch wesentlich besser.Während Dortmund daher bis zum Ligastart nur noch "ein paar Sachen einschleifen" muss, wie BVB-Kapitän Sebastian Kehl befand, ist der Rivale noch "lange nicht da, wo wir hinwollen", so S04-Trainer Ralf Rangnick. Ausnahme: Ralf Fährmann. Denn der ist jetzt schon der königsblaue Held. Zumindest vorerst.
Schalke 04 - der Kader