Erik ten Hag wollte keinen großen Optimismus verbreiten. Mit leiser Stimme versuchte der Niederländer zu erklären, warum es unter Umständen sein kann, dass er nicht auf Anhieb Ergebnisse liefern kann. "Das ist alles andere als optimal", sagte der neue Trainer der U 23 des FC Bayern München wenige Tage vor dem Saisonstart in der Regionalliga.
Die eine Hälfte seines Kaders war mit Pep Guardiola im Trainingslager der Profis im Trentino unterwegs und für ten Hag quasi nicht zugänglich.
Und viele, die nicht mitgereist waren, hatten erst vor wenigen Wochen die Saison beendet. Bayerns U 19 bestritt ihr letztes Pflichtspiel am 17. Juni im Halbfinale bei Hansa Rostock. Eine zu kurze Zeitspanne, um Urlaub, Saisonvorbereitung und den Einstand in der nächsten Altersstufe unter einen Hut zu bringen.
Doch ten Hag liegt es von Natur aus fern, großartig zu lamentieren. Er sieht die Situation pragmatisch. "So ist das nun mal, wenn man eine U 23 führt. Da muss man oft improvisieren."
Spitzenreiter nach zwei Spielen
Zwei Spiele später sieht die Welt des Niederländers aber schon anders aus. Bayern II gewann die ersten beiden Saisonspiele mit insgesamt 10:2-Toren und führt die Tabelle der 4. Liga an. Der Favorit wird seiner Rolle zunächst einmal gerecht, ten Hag mag aber noch nicht frohlocken: "Gut ist nicht gut genug, es gibt noch viel zu verbessern."
Der 43-Jährige ist gerade mal ein paar Wochen in München und hat das Bayern-Gen schon impliziert. Die Eile hat ihren Grund: Ten Hag soll nicht nur die U 23 sofort zurück in den Profifußball führen, sondern bei der gesamten Nachwuchsförderung des FC Bayern eine federführende Rolle einnehmen.
"Ich bin der Trainer der U 23, aber ich habe auch eine Aufgabe in Zusammenarbeit mit Matthias Sammer, Wolfgang Dremmler und Michael Tarnat im Nachwuchsbereich in der Spielphilosophie und in der Technik etwas zu entwickeln und zu implementieren", sagte er zu SPOX.
Sammers Selbstkritik
Es ist kein Zufall, dass die lange Suche nach einem U-23-Trainer damit endete, dass ein Fachmann aus dem Vorzeigeland der Talentförderung übernimmt. "Es ist nicht richtig, dass nur die niederländische Schule funktioniert. In allen Ländern wird auch gute Jugendarbeit gemacht. Klar in Holland, aber auch in Spanien oder in Deutschland", wehrt ten Hag ab. "Guardiola nimmt zehn Nachwuchsspieler mit ins Trainingslager. Das ist schon ein Signal."
Die Anforderung lautet jetzt: Nachhaltigkeit. Das gilt auch für Matthias Sammer, der beim FC Bayern nicht nur anheuerte, um den Profibereich weiter zu entwickeln, sondern auch mit Hilfe seiner Erfahrungen beim Deutschen Fußball-Bund die seit Jahren stagnierende Nachwuchsabteilung auf ein höheres Niveau zu hieven. "Für den Nachwuchsbereich hatte ich noch nicht viel Zeit, da muss ich selbstkritisch sein", sagt der Sportvorstand des FC Bayern und gelobt Besserung.
Guardiola begrüßt ten Hag - auf dem Platz
Mit der Installierung von ten Hag und Heiko Herrlich, der die U 17 von Marcus Sorg übernommen hat, wurden wichtige Personalentscheidungen getroffen. Die nächsten Schritte sollen inhaltliche sein.
Ten Hag findet für das bayerische Vorhaben eine zentrale Vokabel: Agieren. Agieren für eine bessere Zukunft. "Das ist unser Ausgangspunkt. Bayern hat damit gute Erfahrungen gemacht, aber man muss innovativ denken und sich immer verbessern, um nach oben zu kommen und oben zu bleiben."
Elementar wichtig wird die Zusammenarbeit mit Cheftrainer Guardiola sein, dessen Faible für den Jugendfußball bekannt ist. Und auch beim FC Bayern wurde er früh vorstellig. "Ich habe ihn während des Trainings auf dem Platz begrüßt", berichtet ten Hag. "Das war ein Signal, dass er Interesse zeigt: an der Mannschaft und den einzelnen Spielern."
Guardiola nahm viele von ihnen mit ins Trainingslager und auch in München hat er Patrick Weihrauch, Julian Green, Benno Schmitz und Co. regelmäßig in seiner Trainingsgruppe involviert.
Gemeinsames Training
Künftig sollen Bayerns Profis und die U 23 an der Säbener Straße sogar parallel trainieren. "Das ist der Wunsch unserer beiden Trainer", bestätigt Sammer: "Da gibt es Gesichtspunkte, wie den gegenseitigen Austausch oder dass man auch mal gegeneinander spielt. Ziel ist es, eine enge Verbindung herzustellen. Wir wollen das weiter verzahnen."
Ten Hag gefällt die Idee, die er gemeinsam mit Sammer und Guardiola verabschiedet hat: "Das ist in meinem Sinne. Es ist einfacher zu lösen, wenn Spieler ausgetauscht werden sollen. Sie lernen viel und sammeln wichtige Erfahrungen." Mit dem Ziel, neue Profifußballer nach dem Muster Thomas Müller oder Holger Badstuber zu produzieren: "Wenn Du auf dem Niveau trainierst, beschleunigt sich der Prozess und das ist wichtig für die Entwicklung der Spieler, um in die erste Mannschaft kommen."
Die Bayern richten ihr Augenmerk dabei nicht nur auf sportliche Aspekte. "Es geht um das Totale", erzählt ten Hag: "Es geht darum, wie ein Spieler auf dem Platz handelt und da gehört der Körper, die Taktik, die Technik und die Mentalität dazu."
Sammers Forderung: Anders sein!
Sammer bemängelte jüngst die Herangehensweise vieler Junioren-Spieler, die mit ins Trainingslager nach Italien durften. "Ich würde den Jungs gerne vermitteln, dass sie alles vor sich haben und alles mit etwas mehr Enthusiasmus und Leidenschaft geschehen muss." Sammer fordert "einen kleinen Schuss mehr Frechheit, Witz" und den Drang "etwas anders zu sein".
Sammers Forderung des Andersseins ist eine Leitlinie, die sich der Sportvorstand schon zu DFB-Zeiten auf die Fahne geschrieben hatte. Von "Der Star ist die Mannschaft" hat Sammer nie etwas gehalten: "Der Slogan hat jegliche Individualität kaputt gemacht, weil Du das Anderssein nicht zugelassen hat."
Bei den Profis ist es längst Usus, nach Sammers Ideen, die er mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Karsten Schumann ausgearbeitet hat, Spieler zu kategorisieren: Führungsspieler, Teamspieler, Individualisten.
"Das wird sich nicht durchsetzen"
Sammer störte sich im Trentino an der Gleichförmigkeit der Nachwuchsspieler, sie seien alle gleich ruhig, gleich leidenschaftslos. Dabei müssten die Spieler ihre Persönlichkeit mehr schärfen. Die Farblosigkeit sieht Sammer als große Gefahr. "Das wird sich im Fußball nicht durchsetzen."
Eine wichtige Rolle wird neben ten Hag und den Jugendleitern Dremmler und Tarnat auch Herrmann Gerland einnehmen. "Er ist der beste Übergangstrainer der Welt", sagt Sammer über langjährigen U-23-Trainer des FC Bayern. Im Trainingslager nahm sich der "Tiger" immer wieder der Jugendspieler an und fand eine deutliche Ansprache. "Er macht das in einer Art und Weise, die überragend ist", sagt Sammer. Jetzt müssen die Youngster nur noch eins: Agieren.
Die U23 des FC Bayern München