Über zu wenig Reisen musste sich der FC Bayern noch nie beklagen. Das ging schon in der Sommervorbereitung los, als Josep Guardiola zum Einstand mit Stopps in Regen, Weiden, Rostock, Großaspach, Mönchengladbach und Dortmund eine halbe Deutschland-Tour innerhalb von dreiundeinhalb Wochen machen durfte. Zwischendurch ging es ins ungarische Györ.
Kurz nach Bundesliga-Start machten die Münchener Halt in Prag, um den Supercup zu bespielen. Im Dezember geht es für Franck Ribery und Co. nach Marokko, um im Weltpokal anzutreten. Die Auswärtsfahrten in der Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League inklusive.
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Um den regen Flugverkehr etwas einzudämmen, hatten Bayerns Verantwortliche neuerdings eine gute Idee. Nach dem 3:1 bei Manchester City blieb die Mannschaft vor Ort, absolvierte am nächsten Tag das Regenerationstraining. Im Anschluss ging es nicht etwa zurück nach München, sondern direkt nach Köln, um sich auf Bayer Leverkusen vorzubereiten. Immerhin eine Flugroute gespart.
Zu Gast beim besten Dritten
"Wir sind viel unterwegs. Da macht das Sinn", sagt Manuel Neuer über die Maßnahme. Auch Philipp Lahm freundete sich damit an, zumal man eine "schwierige Aufgabe" in Leverkusen zu bewältigen habe. Ein Teil der Mannschaft nutzte den Aufenthalt, um Claudio Pizarros 35. Geburtstag zu feiern. David Alaba traf seinen Kumpel Emre Can auf eine Cola. Am Samstag gibt's das Wiedersehen.
Die Bayern tun gut daran, so wenige Strapazen wie möglich auf sich zu nehmen. Leverkusen ist in blendender Verfassung, hat noch nie so oft gewonnen wie an diesen ersten sieben Spieltagen und firmiert aktuell als bester Bundesliga-Dritte der Geschichte zu diesem Zeitpunkt. Bayer hat mehr Tore als Bayern erzielt und eine bessere Chancenauswertung aufzuweisen. Und: Bayer ist der letzte Klub, der den FC Bayern in der Bundesliga besiegen konnte. Es passierte am 28. Oktober 2012, als Stefan Kießling und ein Eigentor von Jerome Boateng Bayerns erste Heimpleite gegen Bayer Leverkusen seit 1989 besiegelten.
Zwei dicke Ausrufezeichen
Eine ultradefensive Bayer-Elf mauserte sich damals zum Überraschungserfolg, die Bayern nur kurz zusammenzucken ließ, um dann eine Serie zu starten, die sich bis zum heutigen Tag hält. Aber: Damals schienen die Bayern noch schlagbar, inzwischen scheint das Unterfangen nicht mehr ganz so einfach zu sein. Pep Guardiola hat eine Anlaufzeit benötigt, um sich verständlich zu machen, inzwischen haben die Spieler verstanden. Wem die standesgemäßen Siege in der Bundesliga nicht genügten, belehrte der FC Bayern mit Ausrufezeichen auf Schalke (4:0) und Manchester (3:1).
"Das Spiel in Manchester war ein Härtetest - und wir haben ihn bestanden", sagt Lahm. "Zum Anschauen ganz schön", findet Thomas Müller seinen FC Bayern: "Wenn Du bei ManCity 3:0 führst und dann zwischen der 65. und 75. Minute Ballpassagen drin hast, dass City gar keine Chance hat, an den Ball zu kommen, dann macht das uns Spaß und möglicherweise auch dem Zuschauer zuhause."
Der Spaß ist ein wichtiger Faktor im Spiel des FC Bayern, der seine Identität unter dem neuen Trainer verblüffend schnell gefunden hat. Eine Statistik besagt, dass Bayern in der Champions League derzeit mehr Pässe spielt als Branchenprimus Barcelona. Auch in Sachen Ballbesitz steht der deutsche Rekordmeister auf Platz eins der europäischen Klub-Rangliste. "Bayern ist die beste Mannschaft Europas, vielleicht sogar die beste Mannschaft der Welt", sagt Roberto Hilbert vom nächsten Bayern-Gegner Leverkusen im SPOX-Interview.
"Lob im Oktober ist nicht gut"
"Extraklasse" bezeichnet Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge das Tun der Profis. Guardiola ist die ganze Lobhudelei um seine Mannschaft nicht vollends genehm. Zum einen entspricht es nicht dem Naturell des Fußball-Entwicklers, mit dem Fortschritt seiner Mannschaften vollkommen zufrieden zu sein. Zum anderen sieht er sein Bayern-Konstrukt drei Monate nach dem Start noch nicht auf dem höchsten Niveau. "Lob im Oktober ist nicht gut", sagte der Spanier am Freitag in Köln. "Erst im Frühjahr müssen wir unseren besten Fußball spielen." Dann, wenn die Grundlagen für Titel gelegt werden.
Noch kalkuliert Guardiola Rückschläge ein. Noch könnte der FC Bayern Probleme bekommen oder nicht den Fußball spielen, denn man sich vorstellt. Das knappe 1:0 gegen den VfL Wolfsburg war so ein Spiel, in dem es den Münchenern schwer fiel, Wolfsburgs gute Defensivstruktur zu durchbrechen. Guardiola kennt die Problematik aus Barcelona-Zeiten nur zu gut, als er gegen Almeria und Co. bisweilen zwei Fünferketten knacken musste.
"Bayern nicht unschlagbar"
Oder aber eine Mannschaft überrennt den FC Bayern mit schnellem Kontern, die Guardiola fürchtet und als gefährliches Mittel der Bundesliga-Klubs sieht. Leverkusen beherrscht derzeit das Umschaltspiel fast wie kein anderes Team und könnte die Bayern somit gefährden: "Wir haben gezeigt, dass wir mit beiden Außenverteidigern und unseren Offensivspielern relativ schnell das Mittelfeld des Gegners überspielen und vorne Überzahl schaffen können. Wir kommen schnell zum Abschluss und haben in den ersten Spielen dadurch viele Tore erzielt", sagt Hilbert.
Gegen Bayern will die Werkself ihre Stärken ausspielen und möglichst das Kunststück des Vorjahres wiederholen. "Ich glaube nicht, dass die Bayern unschlagbar sind", sagt Stefan Kießling. "Wir gehen in dieses Spiel und wollen es gewinnen." Die Bayern sind gewarnt.
Der FC Bayern München im Steckbrief