Dede, Lucas Barrios, Nuri Sahin sogar dreimal - trotz des Gewinns der Meisterschaft hatte Borussia Dortmund in der Saison 2010/2011 die Elfmeterseuche am Fuß. Keiner der fünf Strafstöße, die man während der Spielzeit zugesprochen bekam, wurde verwandelt.
Sechs von acht lautete die Bilanz in den beiden Folgejahren. Derzeit steht die Quote erstmals seit Alexander Freis Zeiten wieder bei 100 Prozent - was in drei von vier Fällen Marco Reus zu verdanken ist.
Reus schon 15 Mal mit dem 1:0
Wird er nicht selbst gefoult, ist Reus seit Saisonbeginn Dortmunds erste Option vom Elfmeterpunkt. Doch nicht nur dank der Elfmeter steht Reus nach zehn Bundesligapartien bereits wieder bei fünf Treffern und vier Vorlagen.
Der Mittelfeldspieler, der seit seinem Wechsel im vergangenen Sommer bei 15 seiner 27 Pflichtspieltreffer das 1:0 für den BVB erzielte, befindet sich seit Saisonstart in glänzender Verfassung und gehört zu den konstantesten Dortmundern.Zwar war Reus bereits in seiner ersten Saison 19 Mal für die Borussia erfolgreich, doch wie so vielen Neuzugängen vor ihm merkt man auch ihm an, dass er im zweiten Jahr noch einmal einen Sprung gemacht hat und das spezielle Dortmunder Anforderungsprofil nun vollkommen ausfüllt.
Probleme mit der Defensivarbeit
Reus hatte zunächst noch mit den Feinheiten des Defensivspiels der Borussia zu kämpfen, zumal er zuvor in seiner Karriere sowieso nicht als Zweikampfmonster in Erscheinung treten musste. Auch wenn das Spiel des BVB in der letzten Saison keinesfalls rechtslastig war, agierte das Duo Lukasz Piszczek und Jakub Blaszczykowski auf dem rechten Flügel in mehreren Partien kompakter als das Pendant Marcel Schmelzer und Reus - weil Reus teilweise zu große Lücken in seinem Rücken ließ und grundsätzlich Probleme hatte, den Rhythmus in der neuen Mannschaft zu verinnerlichen.
Das Abarbeiten der defensiven Aufgaben, die natürlich auch Reus zu erledigen hat, ging ihm mit der Zeit aber in Fleisch und Blut über. Reus weiß jetzt, wie er die Räume in seinem Rücken zuzulaufen hat und wann er beim Defensivpressing gebraucht wird. Seine Wege in die Defensive sind ausdauernder und effizienter geworden, er verkörpert nun auch die Dortmunder Gier, sich auch über Szenen gegen den Ball in eine Partie zu arbeiten. Auch hat er gelernt, den Körper im Zweikampf sinnvoller einzusetzen. 80 Prozent gewonnene Tacklings stehen derzeit für ihn zu Buche.
Reus häufig im Zentrum unterwegs
Es scheint bei dem 24-Jährigen also allmählich jener Defensiv-Automatismus eingesetzt zu haben, für den neue Spieler innerhalb des Kloppschen Systems seit jeher eine gewisse Anlaufzeit benötigen. Dadurch, dass Reus dies nun situativ immer besser gelingt, kommen auch seine herausragenden individuellen Stärken in der Offensive besser zur Geltung. Ballsicher und schnell, dynamisch und dribbelstark, einen präzisen Schuss - Reus bringt alle Anlagen mit, die es im Offensivverbund des BVB braucht. Er ist jetzt Dortmunds komplettester Spieler.
Trotz seiner Grundposition auf dem linken Flügel hat sich Reus seit Saisonstart immer mehr zum Taktgeber der Westfalen entwickelt und bringt im vorderen Spielfelddrittel rochierend seine Spielintelligenz ein.
Er dringt mit vertikalen Läufen nun sehr häufig ins Zentrum ein und lässt die Außenbahn fast vollständig für den Linksverteidiger frei. In der Mitte des Spielfelds agiert Reus dann häufig im Rücken von Henrikh Mkhitaryan sowie Stürmer Robert Lewandowski und steuert mit seinen Bewegungen die Positionierungen seiner offensiven Mitspieler. Kein anderer Spieler in der Bundesliga hat so viele Torschussvorlagen (36) auf dem Konto wie Reus. Bleibt er mal auf dem Flügel, rückt der Linksverteidiger in den Halbraum in der Zentrale und kann sich dort als weitere Anspielmöglichkeit anbieten.
Reus als Zehner auf der Außenbahn
Besonders das Timing mit Mkhitaryan wird immer besser: Je näher Reus dem Armenier auf die Pelle rückt, desto schneller positioniert sich dieser nun in Richtung Außenbahn oder lässt sich fallen.
Reus ähnelt mit dieser atypischen Interpretation seiner Position einem Zehner, der von außen nach innen kommt und dort weniger berechenbar für den Gegner zwischen den Linien hin- und herpendelt. Dies kommt einem Spieler wie Mkhitaryan, dessen Naturell nicht dem eines klassischen Zehners entspricht, auch entgegen. Mkhitaryan wird nun öfter in Umschaltsituationen gebracht oder trägt diese selbst vors Tor, wo er sein Tempo und die Abschlussstärke einbringen kann.
Als Taktgeber von der Außenbahn hat sich Reus somit von seinem Gladbacher Ruf emanzipiert. Dort gab er in den meisten Fällen eine hängende Spitze ab, die das Tempo aus der Tiefe benötigte, um dem Kasten des Gegners näher zu kommen - und defensiv weniger mitarbeiten musste.
"Er wird nicht viele Kopfballtore machen"
"Ich bin 24 Jahre alt. Ich bin jetzt kein Talent mehr", sagte Reus in einem Interview und wollte verdeutlichen, dass er in seinen Händen allmählich auch einmal Silberware halten möchte.
Doch half ihm neben den spieltaktischen Verbesserungen auch eine persönliche Reife in seiner Entwicklung. Reus tritt in dieser Spielzeit dominanter und somit spielbestimmender auf, was sich nicht zuletzt an seiner Rolle als Elfmeterschütze Nummer eins zeigt.Bleibt im Kollektiv des BVB für Reus eigentlich nur noch die weitere Arbeit an der Konstanz bei der Ballannahme. Reus springen noch zu häufig einfache Bälle vom Fuß, wie zu Gladbacher Zeiten greift er bei Zuspielen noch hin und wieder auf einen (zu) schnellen Steilpass oder eine direkte Ablage zurück.
"Er wird nicht viele Kopfballtore machen", fand Manager Michael Zorc kürzlich noch ein weiteres Härchen in der Suppe. "Das weiß man, aber ansonsten hat er alles drauf."
Marco Reus im Steckbrief