Louis van Gaal war bestens vorbereitet. Der Niederländer verfolgte das Spiel gewohnt erhaben im Anzug an der Seitenlinie. Die Bayern gewannen 3:1. Als der Sieg feststand tauschte van Gaal den feinen Zwirn gegen Ballonseide, er wusste schließlich um die Tradition beim FC Bayern.
Wenig später, die Bayern hatten am 34. Spieltag im Mai 2010 gerade die Meisterschaft perfekt gemacht, flitzte van Gaal im Trainingsanzug und dem Ehrenwimpel der DFL in der Hand über den Rasen des Berliner Olympiastadions und ließ sich für seine Haken vom Publikum feiern. Am Ende erwischten ihn seine Spieler aber doch noch für die obligatorische Weißbierdusche.
Guardiola spricht nicht übers Feiern
Aller Voraussicht nach werden die Bayern am Dienstagabend erneut eine Meisterschaft in Berlin feiern, die schnellste in der Geschichte der Bundesliga. Und auch der aktuelle Trainer Pep Guardiola kennt die Gegebenheiten beim FC Bayern schon bestens, er hat Respekt vor der Geschichte und den Traditionen des Klubs. Er weiß, dass hier Trainer mit Bier übergossen werden, wenn Pokale gewonnen werden.
Nur reden wollte er am Montag nicht darüber. Er war sichtlich genervt von den vielen Fragen zur Partyplanung in Berlin. Ob er einen zweiten Anzug mitnimmt? Nein. Ob auch die Spielerfrauen mit nach Berlin reisen? Guardiola war ziemlich verwundert. Natürlich nicht.
Schließlich fahren die Bayern nach Berlin, um ein Fußballspiel gegen Hertha BSC zu absolvieren. Und Guardiola empfand es als ziemlich respektlos gegenüber dem kommenden Gegner, nur über mögliche Eventualitäten im Anschluss an die Partie zu sprechen.
Spaßbremse oder Perfektionist?
Er hat sich penibel auf die Aufgabe vorbereitet und die Spiele der Hertha analysiert wie bei jedem anderen Gegner auch. "Das ist mein Job. Ich möchte hier nicht über Feiern reden. Es ist ein Spiel gegen Hertha, darum geht es." Außergewöhnlich ist nur, dass die Münchner mit dem gesamten Kader nach Berlin fahren werden.
Bei 23 Punkten Vorsprung auf Borussia Dortmund ist allen klar, dass die Meisterschaft am Dienstag oder am Samstag oder die Woche drauf gewonnen wird, das ist nicht die Frage. Es geht Guardiola nur um den Stil. Und guter Stil heißt für den Spanier, den nächsten Gegner ernst zunehmen und das Spiel nicht schon im Voraus als gewonnen anzusehen.
Kritiker mögen Guardiola als verbissen bezeichnen oder ihn als Spaßbremse darstellen, aber es ist auch dieses Arbeitsethos, das Sportvorstand Matthias Sammer in den letzten Wochen immer wieder gelobt und für das er auch Respekt eingefordert hat.
Dank dieser Einstellung ist der FC Bayern zu einer führenden Kraft im europäischen Fußballs und zu einer schier unbesiegbaren Maschine geworden.
Jedes Spiel ein Test
Es ist also davon auszugehen, dass Guardiola auch die Mannschaft mit ihrem ersten Anzug aufs Feld schicken wird.
Für den Trainer ist jedes Spiel "ein guter Test für unsere Entwicklung", auch hinsichtlich der anstehenden Aufgabe in der Champions League gegen Manchester United. Der Spanier hält seine Mannschaft zwar für besser als zu Beginn der Saison, sieht aber trotz der 18 Bundesligasiege in Folge immer noch Luft nach oben.
Im Hinspiel hatten die Bayern große Probleme mit der Hertha, die sich bei der 2:3-Niederlage einen Punkt verdient gehabt hätte. Eine "überragende" Saison attestierte Guardiola den Berlinern als Aufsteiger bisher.
"Sie sind ähnlich wie Augsburg und Mainz sehr aggressiv und lassen einem wenig Zeit zum Denken. Sie sind im Konter sehr stark, über ihre schnellen Spieler wie Ramos. Aber sie können auch das Spiel mit Ball", lobte Guardiola.
Hertha in der Krise
Dass bei den Berlinern ein gehöriges Loch zwischen den Leistungen in der Rückrunde und denen der Hinserie klafft, verschwieg der Spanier höflich. Acht Punkte aus neun Spielen stehen zu Buche, dabei erzielte die Hertha auch erst acht Tore.
"Wir sind ein Aufsteiger, der in der Hinserie häufig am Limit und über seinem Maximum gespielt hat. Wenn wir dann, so wie in den letzten Wochen, Leistungsträger nicht auf dem Platz haben, dann ist das für uns schwierig, Topleistungen abzurufen. Dann stoßen wir an unsere Grenzen", sagte Trainer Jos Luhukay nach dem schwachen Auftritt beim 0:3 in Gladbach.
Keine Weißbierdusche
Es spricht also vieles für eine erneute Meisterfeier der Münchner im Olympiastadion. "Wenn es passiert, müssen wir feiern", sagte Guardiola. "Die Bundesliga zu gewinnen, ist nicht einfach."
Für einen Trainer sei die Liga immer der wichtigste Titel. "Es geht jede Woche bei 0:0 los und man muss zeigen, dass man besser ist als der Gegner." Die Tagesform sei nicht so entscheidend wie in den K.o.-Spielen der Pokalwettbewerbe. Außerdem könne man mit dem Meistertitel der Saison schon das Prädikat "gut" verleihen.
Der Erfolg seiner Mannschaft mache ihn auch stolz. Nur in aller Öffentlichkeit mit Weißbier überschütten lassen, will er sich beim besten Willen nicht. "Vielleicht gehe ich schnell in die Kabine."
Hertha - Bayern: Die Bilanz