"Planung bedeutet, den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen." Das hat die Sponti-Bewegung der 1960er Jahre mal behauptet. Mit ein bisschen Sarkasmus ließe sich vielleicht auch die Welt beim VfB Stuttgart etwas besser ertragen. Nur: An der Realität ändert sich deswegen auch nichts.
Die vermeintlich blühenden Landschaften nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft hat der VfB Stuttgart mit der Planierraupe niedergewalzt, übrig geblieben ist im Spätherbst 2014 ein Klub ohne Trainer, ohne Sportdirektor, ohne sportliche Kompetenz im Führungsgremium und ohne sportliche Leitidee.
"Stuttgarter Weg"
Dem größten Triumph mit Trainer Armin Veh vor etwas mehr als sieben Jahren folgte der totale Absturz mit Trainer Armin Veh auf Platz 18 der Liga. Zwischen diesen beiden markanten Eckpfeilern der jüngeren Vereinsgeschichte hat sich der Klub spektakulär abgewirtschaftet.
"Der Stuttgarter Weg" war noch eine Marketingbotschaft aus der Zeit vor Bernd Wahler. Sie ist einigermaßen erkünstelt, zur Schärfung eines Markenbildes, dem leider aber die Inhalte fehlen. Der VfB ist ein Scheinriese, ein Tanker, der sich auf die Wucht der regionalen Wirtschaftskraft um ihn herum verlassen und auf den Meriten der Vergangenheit ausgeruht hat.
Und der in seiner ganzen Selbstgefälligkeit die kleinen, flinken Schnellboote übersehen hat, wie sie an ihm vorbeiziehen: Die Mainzer, die Hoffenheimer, die Augsburger, die Freiburger. Der Verein liegt im künstlichen Koma, er ist unfähig, sich selbst aus dieser lebensbedrohlichen Situation zu retten. Die vielen Fehler der Vergangenheit holen den VfB Stuttgart längst ein. Das hat Präsident Wahler auf der Pressekonferenz am Montag endlich auch so bestätigt. Nur werden die Intervalle zwischen den Einschlägen immer kürzer.
Schlechte Rahmenbedingungen
Offenbar wurden dem Trainer Veh, als man sich um ihn bemühte, durchaus reizvolle Aussichten offeriert. Dabei sind die Rahmenbedingungen beim VfB schlecht. Das liegt nicht nur am fehlenden Geld. Es liegt in erster Linie daran, dass der Klub altbacken und nach Gutsherrenart geführt wurde und wird. Dass die falschen Personen an den Hebeln der Macht saßen (und sitzen?).
Und dass es im Verein an einer leistungsorientierten Denke fehlt - die schlimmste aller Verfehlungen. Sattsam hört man die Argumente über Potenzial und Qualität des Kaders. Dass diesem aber bald der vierte Trainer im Kalenderjahr 2014 gegenüberstehen wird, ist ein Armutszeugnis für alle Beteiligten und absolut inakzeptabel.
Nach dem Beinahe-Abstieg sollte im Sommer endlich nass durchgewischt werden. Die letzten Wochen und Monate lassen Wahlers Worte aber wie Hohn klingen.
Schwere Entscheidungen stehen bevor
Der Präsident muss sich nun auf ziemlich ungewohntem Terrain bewegen. Wer sonst als er und Interims-Sportdirektor Jochen Schneider sollte die Entscheidungen für einen neuen Trainer und eventuell auch einen neuen Sportdirektor sonst fällen? Wahler ist angetreten, um unter anderem auch die angeblich notwendige Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung vorzubereiten und durchzuziehen.
Jetzt muss er, der kaum die sportliche Kompetenz dafür besitzt, den sportlichen Niedergang verhindern. Wie das gehen soll, kann sich kaum jemand vorstellen. Derzeit erscheint der Kollaps als Folge des Chaos jedenfalls wahrscheinlicher als eine Rettung am Ende der Saison.
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