Explosionsgefahr

BVB-Neuzugang Emre Mor absolvierte bislang zwei Länderspiele für die türkische Nationalelf
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Emre Mor legte für seine erst 18 Jahre einen Raketenstart hin. Er ist nicht nur der Hoffnungsträger der Türkei bei der bevorstehenden EM 2016 in Frankreich, sondern auch Borussia Dortmunds neuestes Prunkstück, das sich der BVB einiges kosten lässt. Mor kommt mit großen Erwartungen, doch auf Thomas Tuchel kommt auch noch viel Arbeit zu.

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Es war als Belohnung gedacht. Fatih Terim wollte Emre Mor mit einem Präsent nach Hause schicken. Einen erst 18 Jahre jungen Mann, den er überraschend in den erweiterten Kader der Türkei für die EM 2016 berief. Mor war einer von 31 und eine ziemlich sichere Nummer als Streichkandidat.

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Für den türkischen Nationalcoach war eigentlich schon bei der Nominierung klar, dass er seinen Neuling nach dem Schnupperkurs wieder verabschieden würde. "Ich wollte, dass er das Umfeld der Nationalmannschaft kennenlernt", so Terim über seinen ursprünglichen Plan. Aber wie so oft in seinem Leben machte es sich der Imperator nicht leicht.

Da Mor sehr gute Trainingseindrücke hinterließ und trotz sprachlicher Barrieren keinerlei Anpassungsprobleme offenbarte, schenkte er ihm in der letzten Partie vor der endgültigen Kader-Nominierung das Länderspiel-Debüt gegen Montenegro. Mor wurde für Volkan Sen eingewechselt. Es dauerte rund fünf Minuten und die Türkei hatte einen neuen Liebling der Nation.

Wegen Mor: Terim schickt Stars nach Hause

Das verdutzte Publikum in der neuen, schmucken Antalya-Arena feierte Mor wenige Minuten nach dessen ersten Ballkontakten mit Sprechchören. Auf der türkischen Bank amüsierten sich Spieler und Betreuer köstlich - und Terim hatte den Salat. Mor setzte ein Tempo-Dribbling nach dem anderen an. Und kam jedes Mal durch. Jedes Mal.

Als Terim nach Schlusspfiff zum Interview kam, konnte der sonst so souveräne Coach sein Dilemma kaum verbergen. Er kratzte sich am Kopf, als er nach Mor gefragt wurde: "Ja... das war natürlich beeindruckend. Ich hoffe, dass er allen gefallen hat. Ich habe jetzt noch nicht entschieden, aber wir müssen sehen."

Keine 48 Stunden später verkündete der türkische Verband, dass Mor zum 23er Kader für Frankreich gehört. Leidtragende waren Galatasarays Yasin Öztekin und Fenerbahces Alper Potuk, von denen einer wohl sonst sicher mitgefahren wäre und die als Vertreter der großen Klubs natürlich eine besondere Lobby genießen. Ganz im Gegensatz zu einem jungen Mann, der kein Türkisch kann und irgendwo aus Dänemark angereist ist.

Mor bekam nun auch bei der Generalprobe der Türken gegen Slowenien (1:0) eine Chance - als erster Einwechselspieler. Wieder belebte er das fade Offensivspiel der Türkei und mimte den Dosenöffner. Wieder Tempo-Dribblings, wieder kam er jedes Mal vorbei. Wer Terim kennt, ahnt schon, dass Mor wohl spätestens im zweiten EM-Spiel in der Startelf steht.

"Gib' mir mal den Mor"

Mittlerweile ist man in der Türkei auch so weit, dass man es Terim nicht verübelt, wenn beispielsweise Sen, der bei Fenerbahce eine starke Runde spielte, auf der Bank sitzt. Selbst bei Fener war und ist man verzückt.

Laut Medienberichten griff Fener-Boss Aziz Yildirim einen Tag nach der Montenegro-Gala zum Hörer und rief Fenerbahces Mittelfeldspieler Mehmet Topal an. "Gib' mir mal den Mor, ich will mit ihm reden", wird Yildirim zitiert, "ich will ihn von einem Wechsel zu uns überzeugen."

Mor lehnte das Gespräch dem Vernehmen nach aber ab. Ein Problem für Topal, der weiß, dass es der mächtige Yildirim nicht gewohnt ist, abgelehnt zu werden. Topal rettete die Situation und verwies auf die fehlenden Türkischkenntnisse des Youngsters.

Mor löst Debatte aus

Inzwischen ist Mor bei Borussia Dortmund gelandet. Für fünf Jahre sicherte sich der BVB die Dienste des Offensivspielers. Dies hat nun zur Folge, dass in der Türkei mal wieder eine riesige Debatte über die Jugendarbeit und das mangelnde Scouting im Land ausgelöst wurde.

Denn vielen war Mor bis zur Kadernominierung mehr oder weniger unbekannt. Man hörte zwar etwas von einem "jungen Messi", der in Dänemark auf sich aufmerksam macht. Aber neue Messis und Ronaldos gibt es auf der Welt zuhauf und die türkischen Klubs gehen dann doch lieber auf Nummer sicher.

Nur beim Verband, der nach der Rückkehr Terims vor zwei Jahren ein neues Trainer- und Scoutingnetzwerk in Europa aufbaute, begann die Maschinerie zu rotieren. Kerem Yavas, beim türkischen Verband für den skandinavischen Raum zuständig, meldete bei Terim einen "Jungen, den du unbedingt sehen solltest".

"Macht das Ding sofort klar"

Yavas wurde zur Besprechung einberufen. Nach ersten Videoanalysen schickte Terim seinen Assistenten, den früheren Wolfsburger Tuncay Sanli nach Nordsjaelland, um Mor beobachten zu lassen. "Ich habe Tuncay angewiesen, sich nicht anzumelden, sondern ein normales Zuschauerticket zu kaufen. Wir wollten nicht, dass Emre Bescheid weiß und aufgeregt ist."

Die Beobachtungen Sanlis stimmten mit den Videoanalysen überein. Terim gab die Order: "Macht das Ding sofort klar." Denn auch der dänische Verband, für den Mor von der U17 bis U19 spielte, war interessiert. Der mazedonische Verband winkte gar früh mit dem A-Kader.

Doch der Sohn eines türkischen Vaters und einer mazedonischen Mutter entschied sich für die Türkei. "Er stellte keine Ansprüche, ihm war es auch recht, erst einmal in der U21 zu spielen. Viele verhandeln mit uns, aber Emre wollte nur Fußball spielen", lobt Terim.

X-Faktor für die Türkei

Die Lust am Leder ist Mor in jeder Sequenz, in der er den Ball am Fuß hat, anzusehen. Seine Dribblings, seine Technik, die Ballbehandlung, sein Tempo - all das macht ihn zu einem aufregenden Fußballer. Zwar kann er auch als Stürmer im Zentrum agieren, doch Stärken und Anlagen zwingen es seinen Trainern fast auf, ihn auf den Außenpositionen spielen zu lassen, damit Mor Schnelligkeit und Technik voll ausspielen kann.

Für die Türkei ist Mor schon jetzt ein X-Faktor für die EM. Für den BVB, der Mor ebenfalls schon länger im Visier hatte, dürfte es auch nicht zu lange dauern.

"Der Trainer liebt mich", sagte Mor über Thomas Tuchel, nachdem der Wechsel, den sich die Dortmunder offenbar knapp zehn Millionen Euro plus weiterer vereinbarter Bonuszahlungen kosten lassen, feststand. Es wird interessant zu beobachten sein, wie sich Mor unter dem Fußballer-Ausbilder Tuchel weiterentwickelt.

Die Tragödie für Dänemark

Denn noch ist der junge Mann bei all den sensationellen Anlagen lange nicht am Ende seiner Entwicklung und braucht nicht nur einen Fein-, sondern durchaus noch einen Grobschliff. Taktische Disziplin, Entscheidungsfindung, Gefühl für den Raum, dies alles kann er noch besser verstehen und machen.

In Dortmund ist man überzeugt, dass Mor mittelfristig helfen kann. "Er ist ein hoch veranlagter und in der Offensive vielseitig einsetzbarer, junger Spieler mit riesigem Entwicklungspotenzial", sagt Sportdirektor Michael Zorc.

Tuchels Nachfolger beim 1. FSV Mainz 05, Kasper Hjulmand, dagegen bleibt die Trauer. "Eine Tragödie", nennt es der Trainer des FC Nordsjaelland, dass Mor künftig nicht für Dänemark, sondern für die Türkei spielt. "Erfreulich", findet das natürlich Terim.

Der gab Mor für die EM einen kleinen Tipp: "An seiner Stelle würde ich explodieren."

Emre Mor im Steckbrief

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