Fernando Llorente wartete ungeduldig auf den erlösenden Anruf. Zahlreiche Verhandlungen hatte er geführt, viele Klubs kassierten von ihm bereits eine Absage. Denn er spekulierte auf das Angebot eines bestimmten Vereins. Im fortgeschrittenen Fußballer-Alter sollte sich im Sommer 2015 endlich sein Wunsch erfüllen, im königlichen Weiß von Real Madrid zu spielen. Im Schatten der Nummer eins Karim Benzema könnte er im Spätherbst seiner Karriere noch etwas für den Briefkopf tun. Obwohl die Medien hier und da schon Vollzug meldeten, kam der Anruf der Königlichen jedoch nicht. Der Klub hatte andere Pläne.
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Die Königlichen kamen offenbar recht spät von der Idee ab, erneut einen arrivierten und bereits fertig geformten Stürmer der Marke Adebayor als klare Nummer zwei zu holen. Das Umdenken reifte, als man sich den Nachwuchs des eigenen Klubs genauer anschaute.
Denn in der Jugend stach ein Spieler heraus. Er beeindruckte die sportlich Verantwortlichen so sehr, dass für den einzigen Stürmer Benzema kein wirklicher Ersatz verpflichtet wurde. Die Rede ist von Borja Mayoral.
Bester Spieler des Turniers
Der Spanier ist derzeit das Vorzeigetalent der königlichen Nachwuchsschmiede. Stolz sprechen sie immer wieder davon, dass er bereits mit zehn Jahren zum Klub kam und Schritt für Schritt die einzelnen Jugendteams durchlief. Alleine in der letzten Saison erzielte der heute 19-Jährige 56 Tore in 57 Partien für die A-Jugend, C- und B-Mannschaft sowie für den spanischen Nachwuchs in der Saison 2014/15. Als Sahnehäubchen schoss er die U19 im Sommer 2015 mit drei Toren zum Europameistertitel, schnappte sich die Torjägerkrone und wurde zum besten Spieler des Turniers ausgezeichnet. Der damalige Real-Trainer Rafa Benitez soll begeistert von ihm gewesen sein und nahm ihn unter seine Fittiche.
Mehr oder wenige in Ruhe sollte Mayoral bei RM Castilla reifen und im Laufe der Saison immer mal wieder bei den Profis anklopfen. In der Zwischenzeit würden sich die Flügelspieler Jese und Ronaldo bei einem Ausfall von Benzema in vorderster Front um Tore kümmern.
Als der Franzose sich im Spätherbst am Oberschenkel verletzte, verzeichnete Mayoral jedoch direkt erste Einsatzminuten bei den Königlichen. Die hektische spanische Presse, die stets nach spanischen Helden lechzt, feierte ihn mal wieder, klar, als den "neuen Raul" und bekam anhand der rasanten Entwicklung bereits feuchte Hände.
"Er ist Stürmer Nummer zwei"
Doch das Juwel trat schnell auf die Bremse. "Mein Team ist die Castilla, das ist klar. Ich bin erst mal nur hier, um meinen Mitspielern zu helfen", erklärte der Nachwuchskicker kleinlaut. Im Nachwuchsteam gehört er jedoch mit 18 Jahren bereits zu den großen Leistungsträgern der Mannschaft. In 29 Spielen traf er 15 Mal und bereitete sechs Tore vor. Vor allem gegen Ende der Saison nahmen die Spielzeiten in der B-Elf allerdings ab. Mayoral wurde immer wieder zu Höherem berufen.
Bei den Profis hatte Benitez längst seinen Hut nehmen müssen und der frühere Castilla-Coach Zinedine Zidane übernahm das Ruder. Dieser kannte die Fähigkeiten von Mayoral bereits. Als Benzema im März erneut der Oberschenkel zwickte, schmiss Zizou das Juwel ins kalte Wasser und brachte ihn gegen Levante von Beginn an. "Er ist die zweite Nummer neun, das ist klar. Wir wissen, was er uns bringen kann. Er macht es gut, trainiert gut, ist engagiert und sehr jung. Er besitzt Selbstvertrauen und Persönlichkeit", überhäufte Zidane den Spanier nach dem Spiel mit Lob. Mayoral dankte es ihm. Noch im ersten Spiel war er direkt an einem Tor beteiligt.
Kritische Stimmen
Aus dem königlichen Umfeld kamen dennoch schnell kritische Stimmen auf. Es sei nicht der Anspruch einer Mannschaft wie Real Madrid, dass bei einer Verletzung des ersten Stürmers direkt ein Nachwuchskicker herumtoben darf. Auch Ex-Real-Coach Bernd Schuster äußerte sich im Radio kritisch und bezeichnete es als "lächerlich", dass Mayoral der ersten Benzema-Ersatz ist.
Scheinbar beeinflusst durch die Kritik findet bei den Königlichen für die kommende Saison ein Umdenken statt. Mit Alvaro Morata kommt einer der heißesten Stürmer zu den Königlichen und wird Benzema auf Augenhöhe begegnen. Mayoral, der mit Castilla den Aufstieg in die 2. Liga knapp verpasste, müsste somit trotz der starken Entwicklung einen Rückschritt hinnehmen. Im so entscheidenden Alter will man dem Juwel jedoch Spielpraxis geben.
Carvajal lässt grüßen
Noch im Frühjahr verlängerten die Hauptstädter den Vertrag mit dem Talent bis 2021 und sicherten sich somit langfristig die Rechte. Eine Leihe innerhalb der Liga schlossen die Verantwortlichen offenbar schnell aus. Der Junge soll im europäischen Ausland Erfahrungen sammeln und dann so schnell wie möglich im Bernabeu zeigen, was er gelernt hat. Ein Geschäftsmodell, das sie mit unterschiedlichem Erfolg bereits bei Dani Carvajal, Joselu und letztlich auch bei Alvaro Morata angewandt haben. Bei Mayoral hat Wolfsburg schnell den Finger gehoben - und bekam letzten Endes auch den Zuschlag.
In Spanien spekulierten bereits zahlreiche Medien, dass er unmittelbar vor dem Abflug ins Trainingslager nach Kanada den entscheidenden Anruf bekommen habe. Gesammelt stand die Mannschaft beim Check-In und stieg ins Flugzeug ein. Nachdem alle verschwunden waren, tauchte auf einmal Mayoral wieder auf und marschierte in Richtung Flughafen-Ausgang. War das der entscheidende Anruf von Wölfe-Manager Klaus Allofs? Nicht ganz. Vielmehr verbaselte es der Stürmer, seinen Pass an den Flughafen mitzunehmen und ließ ihn sich von seinem Bruder bringen.
Am Ende erreichte ihn der Allofs-Anruf doch noch. Und so hat der Youngster eine neue Aufgabe: den VfL Wolfsburg offensiv stärker machen und den Abgang von Andre Schürrle kompensieren. Aber auch persönlich hat Mayoral Ziele. Schließlich will er bei seiner Rückkehr nach Madrid eine noch wichtigere Rolle spielen.
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