"Meine Reaktion war: Was will Thomas denn?"

Giovanni Trapattoni und Thomas Strunz hatten bei Bayern München ein schwieriges Verhältnis
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Frage: Sie haben als Spieler und Trainer auf Vereinsebene gewonnen, was man gewinnen kann - dabei wären Sie beinahe nicht beim Profifußball gelandet. Ihr Vater war nicht begeistert davon, dass Sie im Fußball Karriere machen wollten. Er wollte, dass Sie eine vernünftige Ausbildung machen. Anfangs haben Sie noch in einer Druckerei gearbeitet und nur nebenbei Fußball gespielt. Ihr Vater ist sehr früh gestorben und konnte große Teile des Erfolgs seines Sohnes nicht mehr erleben. Sie schreiben in Ihrem Buch, dass er aus Kummer über Ihre fußballerischen Ambitionen verstorben sei. Können Sie das noch einmal erläutern?

Trapattoni: Das stimmt, mein Vater wollte nicht, dass ich Fußball spiele, sondern etwas Vernünftiges mache. Aber Milan hatte sich bei mir gemeldet und wollte mich verpflichten. Ich hatte einen gewissen "Wettbewerbsvorteil", denn ich war blond und als blonder junger Mann stach ich in Italien eben aus der Menge heraus. Deswegen fiel ich auf. Und als die Verantwortlichen von Milan bei uns zu Hause waren und mir das Angebot machten, für Milan zu spielen, hat mein Vater zugestimmt.

Frage: Wie ging es dann weiter?

Trapattoni: Als ich dann in der ersten Mannschaft gespielt habe - damals war ich so 20, 21 Jahre alt - sagte ich zu meiner Mutter, dass ich nicht möchte, dass Papa kommt, weil er so lange dagegen gewesen ist. Er hat also immer erst später erfahren, wie ich gespielt habe. Und eines Tages sagte er zu mir: 'Du wolltest nicht, dass ich dabei bin, aber jetzt ist es zu spät. Jetzt werde ich dich nicht mehr spielen sehen.' Und zwei Tage später ist er gestorben.

Frage: Ihr Buch heißt im italienischen Original sinngemäß "Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben". In Deutschland trägt es den Titel "Ich habe noch nicht fertig" nach Ihrem prägnanten Zitat bei der Wutrede. Sie haben angekündigt, dass Sie den Trainerberuf noch nicht an den Nagel hängen wollen. Welche Angebote hatten Sie zuletzt auf dem Schreibtisch?

Trapattoni: Ich hatte zwei Angebote von Nationalmannschaften in Afrika. Aber dort herrschten religiöse Kriege. Da hat meine Frau Paola zu mir gesagt, dass sie nicht will, dass ich dort hingehe. Also habe ich mich dagegen entschieden.

Frage: Aber Sie haben dennoch die Ambition, noch einmal als Trainer auf der Bank zu sitzen?

Trapattoni: Grundsätzlich ist es so, dass ich den Fußball immer noch sehr intensiv verfolge. Ich möchte jetzt nicht zu selbstbewusst erscheinen, aber ich schaue mir immer noch alle wichtigen Spiele an. Vor allem natürlich die Spiele des FC Bayern. Ich spüre in mir immer noch einen Sportsgeist und einen Wettbewerbsdrang. Und ich spüre auch nach wie vor diesen innovativen Prozess in mir. Mit einem gesunden Maß an Selbstbewusstsein kann ich sagen: Ich bin noch etwas wert, mit meiner Erfahrung und meinem Blick für das Spiel.

Frage: Wie reagiert Ihre Frau auf Ihre Ambitionen?

Trapattoni: Sie sagte zu mir: 'Du bist langsam zu alt.' Aber ich habe vor Kurzem ein Buch von einem Philosophen gelesen, der sagte: 'Alt ist, wer keine Anreize hat und wer sich keine Ziele mehr setzt.' Ich habe aber noch Ziele.

Frage: Wie sehen Sie als nach wie vor intensiver Beobachter die Entwicklung des Fußballs im Laufe Ihrer langen Karriere?

Trapattoni: Die größte Veränderung ist die Kommunikation, die mittlerweile global abläuft. Durch Fernsehen und Internet gibt es eine Vernetzung zwischen China, Afrika, Amerika, Europa - zwischen der ganzen Welt. Das alles vereint die unterschiedlichen Spielarten und die sportlichen Konzepte. Die Grenzen verwischen. Es gibt jetzt nicht mehr wie früher einen typisch deutschen Fußball oder einen Fußball der Chinesen. Alle Spiele tragen mittlerweile eine internationale Handschrift. Das Wissen über Fußball ist durch die modernen Kommunikationswege sehr transparent geworden.

Frage: Welche konkreten Folgen hat das für die Spieler und Trainer?

Trapattoni: Die Spieler können heutzutage nichts mehr verbergen oder geheim halten. Meine Kollegen - sowohl die jüngeren als auch diejenigen, die schon etwas mehr Erfahrung haben - wissen alles über die Entwicklung des Fußballs, sie kennen die Spielweise von jedem Gegner auswendig. Man kann niemanden mehr überraschen. Deswegen geht es um die Kreativität und um die Fantasie auf dem Spielfeld.

Frage: Carlo Ancelotti hat kürzlich gesagt, dass die Blase des Ballbesitzfußballs langsam platzen und es eine Entwicklung hin zu mehr vertikalem Fußball geben wird. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Trapattoni: Zwischen dem taktischen Spiel von Pep Guardiola mit seinem Tiki-Taka und der Spielidee von Carlo Ancelotti ist schon ein riesiger Unterschied. Das sind zwei unterschiedliche Arten von Fußball. Bei Guardiola geht es mehr um den Ballbesitz, Ancelotti geht es eher um das vertikale, schnelle Spiel und das Spektakel des Toreschießens. Dafür braucht er Zeit. Daran muss er seine Spieler natürlich erst einmal gewöhnen. Ich glaube aber generell nicht daran, dass eines der Systeme aussterben wird. Beide Spielweisen können erfolgreich sein, wenn die Spieler sie richtig umsetzen. Eine Fußball-Revolution sehe ich da nicht.

Frage: Glauben Sie nach Ihren jüngsten Beobachtungen bei der EM, dass es grundsätzlich wieder eine Entwicklung in Richtung einer defensiveren Spielweise geben könnte?

Trapattoni: Es gibt zwei Sichtweisen auf den Fußball. Zum einen geht es um das Ergebnis, zum anderen geht es aber auch um das Erlebnis, um Emotionen. Beides gleichzeitig zu haben, ist manchmal schwierig. Es gibt schöne Spiele, in denen es wenige Emotionen gibt. Das sind einfach zwei verschiedene Philosophien. Aber glauben Sie mir, wenn ich zu Hause im Fernsehen ein Spiel sehe und es fällt lange kein Tor, dann springe ich auch auf und schreie: Schieß! Schieß doch endlich! Defensiv gut stehen hin oder her: Nur wer schießt, kann ein Tor erzielen - und darum geht es im Fußball.

Giovanni Trapattoni im Steckbrief

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