Als Mario Götze vor zwei Wochen über die roten Teppiche der MTV European Music Awards schlenderte, Anhängsel Ann-Kathrin Brömmel an seiner Seite, brach wenig überraschend ein Blitzgewitter über beide herein. Nichts Überraschendes, nichts Neues. Und der Boulevard durfte sich freuen, über das durchsichtige Kleid der Brömmel und auch über den stylischen, berollkragenpulloverten Götze. An sich keine große Nummer für den Fußballstar.
Und als die Nationalmannschaft - das ist zugegebenermaßen ein grober Sprung - vor dem vergangenen Länderspiel gegen Italien von Papst Franziskus höchstpersönlich im Vatikan empfangen wurde, da stand er schon wieder im Fokus. Alle Augen auf den Mann, der die Mannschaft des Heiligen Vaters im WM-Endspiel 2014 versenkt hatte. "Ich hoffe, der Papst reißt mir nicht den Kopf ab", durfte Götze verlauten lassen, mit einem Augenzwinkern, versteht sich. Mario Götze, der Weltmeistermacher.
Es war dieses Tor, zusammen freilich mit seinem Wechsel zum FC Bayern München, das aus Götze einen globalen Star machte. Aus dem Jahrhunderttalent wurde der, der besser ist als Messi. (sic!)
Und doch waren es durchwachsene letzte Jahre für Götze persönlich, aller Titel zum Trotz. Zurück im Schoß seines Heimatvereins will Götze jetzt zurück in die Spur, in der er doch schon war. Wieder wichtig sein, eine Rolle spielen.
Wohin mit der Messlatte?
Das wird schon, sagen sie in Dortmund aktuell, weil das eben noch gar nicht der Fall ist. Wird es das? Beim 24-Jährigen war es noch nie leicht, die geeignete Stelle zu finden, an der man die Messlatte anlegen soll.
Alleine der Weg zurück in den Pott: Götze war in München ein Dauerpatient, deshalb in Guardiolas Mannschaft Teilzeitkraft. Drei Jahre lang. Dazu die kurze Vorbereitung samt Europameisterschaft, dazu neue Blessuren und ein verheerender Fitnessstand. Einen "weiten und anstrengenden" Weg hatte Coach Thomas Tuchel für seinen Schützling auf dem Weg ins Team ausgerufen.
Und dann ist da natürlich all der Irrsinn, der von außen auf ihn einprasselt. Ein neues Beraterteam, eine vertraute Umgebung, ein protektiver Trainer - das sollen die Hauptsäulen für einen ruhigen und nachhaltigen Neustart sein. Doch ist Götze auf der anderen Seite eben auch das, als was er sich vermarktet: ein Promi, ein Celebrity, zu allem Überfluss noch der Held vom Maracana. Vielen fällt es schwer, das alles auseinanderzuhalten. Nicht immer gleich messi'sche Superheldentaten zu erwarten.
Denn davon ist Götze aktuell weit weg. Das belegt alleine ein platter Blick in die Zahlen. Elf von 17 Pflichtspielen absolvierte Götze, drei davon über 90 Minuten. Ein Tor und ein Assist in der Königsklasse stehen da als Scorerempfehlungen, in seinen Bundesligapartien kritzelten die Statistiker drei Torschüsse in sechs Spielen in ihre Notizbücher. Keine Werte eines Superhelden.
"Diesen alten Mario Götze wird es nicht mehr geben"
Im Topspiel gegen die Bayern (Sa., 18.30 Uhr im LIVETICKER) "geht die Saison erst richtig los", kündigte Hans-Joachim Watzke jüngst an. Dann, wenn alle Mann des BVB fit und an Bord sind. Das ist ein Startschuss für Götze, seine leicht nach oben zeigende Leistungskurve weitergehen zu lassen. Denn schlecht ist bei Weitem nicht alles. Es gibt sie, hier und da, die Situationen auf engstem Raum, aus denen Götze sich schlängelt; oder die vorletzten Pässe, die für die man keine Scorerpunkte bekommt, ohne die es die Tore am Ende aber niemals geben würde.
Die elende Frage nach dem "alten Götze" beerdigte er selbst, "diesen alten Mario Götze wird es nicht mehr geben". Doch meint diese Frage, die dem 24-Jährigen scheinbar unabwaschbar an den Hacken klebt, natürlich nicht den 18-Jährigen Mario Götze, oder den aus der Doublesaison. Nein, sie meint schlicht und einfach den Götze, der die Leute begeisterte.
Und der schimmert hervor, von Zeit zu Zeit. Doch ist der aktuelle Zustand, diese ewige Phase des Wartens auf die Topform, durchsät mit vereinzelten genialen Anwandlungen, das ist Götzes Ist-Zustand. Seit nunmehr gefühlt drei Jahren.
Immer noch ist sein Spiel geprägt von fehlender Explosivität, vom fehlenden Zug zum Tor, in die gefährlichen Räume. Geprägt von zu viel kleinklein, von unnötigen Dribblings und vom zu langen Halten des Balles. Von der Suche nach Ideen, die er nicht findet. Auf der Suche nach Einfluss und danach, das Spiel zu prägen.
Denn der aktuelle BVB ist nicht seiner. Es ist der Klub von Ousmane Dembele, von Raphael Guerreiro, Pierre-Emerick Aubameyang und Julian Weigl. Gesichter, die selbstredend alle ihre Schwächen haben, dem Klub aber gerade sein Profil geben.
Leistungssprung aus Eigeninteresse
Und schließlich drängt sich die Frage auf: Wie lange darf das noch so sein? Wie lange kann Götze es sich leisten, in dieser Aufzählung zu fehlen?
Da ist Watzke, der sagt, Götze "benötigt nun mal Zeit", und da ist Götze, der sagt: "Ich bin ja auch noch nicht so alt", und: "Ich habe inzwischen fast 60 Länderspiele, sechs Jahre Erfolg bei Bayern und Dortmund gehabt, bin fünfmal Meister geworden - das sind Fakten."
Das sind sie in der Tat, zusammen mit Götzes schwieriger Vorbereitung sogar mehr als genug, um ihm den Status Quo des durchschnittlichen Bundesligaspielers nachzusehen. Doch bei allem Verständnis und bei allem Respekt vor Götzes Akribie und Fleiß, muss das langsam herangeführt werden auch irgendwann vorbei sein. Und bei Mario Götze wird eben mit einem anderen Maß gemessen - weil er Mario Götze ist.
Und vor allem aus Eigeninteresse wäre der nächste Schritt Richtung Topform wünschenswert. Denn der BVB ist in der Breite so gut aufgestellt wie lange nicht mehr - und zeigt aktuell sogar in einer Verletztenmisere: auch ein Weltmeistermacher ist ersetzbar.
Mario Götze im Steckbrief