SPOX: Nach der für Sie enttäuschenden zweiten Saison entschieden Sie sich dafür, den BVB zu verlassen. Was hat Sie von der Hertha überzeugt?
Schieber: Die Hertha war im Jahr davor aufgestiegen, frisch und motiviert. Ich habe als Stürmertyp genau in ihr Anforderungsprofil gepasst. Dazu waren die Gespräche mit Michael Preetz und dem damaligen Trainer Jos Luhukay sehr positiv. Ich hatte bei diesem Angebot einfach das beste Gefühl.
SPOX: Wie groß war die Umstellung auf die Weltstadt Berlin für Sie privat?
Schieber: Viele tauchen sofort ins Berlin-Leben ein und ziehen mitten ins Zentrum, um die Stadt pulsieren zu hören. Das war nicht mein Ding. Mit Hund und damals einem Kind, mittlerweile zwei, wollte ich lieber ans Randgebiet ziehen. Ich wohne am Wannsee, dort ist es eher ruhig. Insofern bekomme ich die Aufgeregtheit kaum mit.
SPOX: Empfinden Sie die Berliner Anonymität als Vorteil?
Schieber: Auf jeden Fall. Natürlich wird auch hier viel über Fußball geschrieben, du wirst als Sportler oder Künstler dennoch weniger wahrgenommen. Selbst Hollywood-Stars können sich in Berlin frei bewegen. Das gehört zur Identität der Stadt. Wenn ich angesprochen werde, sind es eher BVB-Fans. (lacht)
SPOX: Wie würden Sie Ihre bisherigen dreieinhalb Jahre bei der Hertha resümieren?
Schieber: Es ist sehr schade, dass ich so lange verletzt war. Man möchte einem Verein ja das Vertrauen zurückbezahlen. Ich habe mich am Anfang gut integriert und ein paar Tore geschossen. Aber dann kamen schnell die ersten Verletzungen und du wirst zum Einzelkämpfer. Da gab es viele einsame Tage. Nach meiner Rückkehr kam ich wieder gut rein, musste jedoch schnell wieder Rückschläge hinnehmen. Ich bin seit fast vier Jahren hier, habe allerdings wegen zweier großer Verletzungen kaum gespielt.
SPOX: Wie gehen Sie mit der vielen Zeit um, wenn Sie verletzt sind?
Schieber: Ich kann sehr launisch werden. Wenn das Knie drei Wochen hält und dann wieder reagiert, schlägt es mir sofort aufs Gemüt. In solchen Phasen kann man mich nicht aufmuntern und muss mich in Ruhe lassen. Aber das Wichtigste ist, dass ich das Ziel zurückzukommen nie aus den Augen verloren habe.
Julian Schieber über Pal Dardai und seine Zukunft
SPOX: Wie ist ihr Verhältnis zu Trainer Pal Dardai?
Schieber: Ich komme super mit ihm klar. Ich mag es, wenn ein Trainer relativ jung ist und selbst aus dem Profifußball kommt. Er weiß genau, was die Spieler brauchen, aber auch, was sie ankotzt. Er macht einen hervorragenden Job. Man muss sich nur mal anschauen, wie sich die Hertha entwickelt hat, seitdem er das Amt übernommen hat. Leider konnte ich ihm noch nicht über einen längeren Zeitraum den Julian Schieber zeigen, der ich sein möchte.
SPOX: Wie sehr fühlen Sie sich trotz Ihrer langen Ausfallzeit als Teil des Teams?
Schieber: Es ist schwierig, weil man nicht so oft bei der Mannschaft ist. Aber ich fühle mich in der Kabine voll akzeptiert und nicht als Außenseiter. Kabinenleben ist das, was den Fußball ausmacht. Dieses primitive Blödsinn-Gerede gehört einfach auch dazu. Da gibt es keinen Unterschied zwischen Bundesliga und Kreisklasse, außer dass bei uns nach dem Training kein Bier getrunken wird. (lacht) Wenn ich aber verletzt bin und dem Team nicht helfen kann, halte ich meine Distanz, um keine Unruhe reinzubringen. In diesen Phasen motiviert mich eine Sache besonders.
SPOX: Und zwar?
Schieber: Dass verletzte Spieler in der Öffentlichkeit so schnell in Vergessenheit geraten, finde ich bedenklich. Viele sagen: "Der Schieber ist schon 29 und immer verletzt, der kommt sowieso nicht zurück." Genau diesen Leuten möchte ich zeigen, dass ich noch da bin.
SPOX: Im Sommer läuft Ihr Vertrag bei der Hertha aus. Wie sehen Ihre Überlegungen für die Zukunft aus?
Schieber: Es ist eine schwierige Situation für den Verein und mich selbst. Ich habe lange nicht gespielt, deswegen haben auch noch keine Gespräche stattgefunden. Für mich geht es erst einmal darum, wieder komplett fit zu werden und bis zum Ende der Saison gute Leistungen zu zeigen. Dann bin ich sicher, dass ich auch in der kommenden saisonin der Bundesliga spielen werde.
SPOX: Was macht Sie zuversichtlich, dass Sie dieses Mal verletzungsfrei bleiben?
Schieber: Zuletzt hatte ich eine harmlose Muskelverletzung, das kann immer mal passieren. Aber in mein Knie habe ich großes Vertrauen. Daniel Didavi macht mir Mut. Was wurde bei ihm alles spekuliert. Und was war am Ende: Sein Knie ist fast so gut wie früher. Ich bin also guter Dinge. Mit 29 Jahren wegen einer Knieverletzung aufzuhören, wäre ohnehin nicht der Abgang, den ich mir wünsche.