"Ich wünsche David Wagner auf Schalke viel Erfolg - solange er am Ende hinter dem BVB landet."
Dieses Zitat ist frei erfunden, es könnte jedoch eines von Jürgen Klopp sein. Denn dass der ehemalige Trainer von Borussia Dortmund seinem Trauzeugen Wagner, der am Donnerstag bei Schalke für drei Jahre unterschrieb, die Daumen drückt, ist genauso wahrscheinlich wie die Annahme, dass Klopp seine Liebe zum BVB trotz der jahrelangen Freundschaft zum neuen Chefcoach der Knappen nicht verraten würde.
Aus der jetzigen Warte heraus wäre das auch ein weiteres "Wagner wonder", sollte der 47-Jährige in seinem ersten Jahr in der Bundesliga direkt den aktuell weit enteilten Erzrivalen überholen können. Die vordringliche Aufgabe von Wagner wird vielmehr sein, einen in sportlicher Hinsicht aus den Fugen geratenen Klub zu befrieden und gemeinsam mit dem erst kürzlich installierten Sportvorstand Jochen Schneider sowie dem noch vakanten Sportdirektor eine Mannschaft aufzubauen, die dem Verein ein neues Gesicht und einen neuen Geist gibt.
David Wagner muss Schalke emotional befrieden
Dass Wagner kraft seiner Persönlichkeit und fachlichen Fähigkeiten dazu in der Lage sein kann, hat er zuletzt bei Huddersfield Town in beeindruckender Art unterstrichen. Wagner, der 2015 recht überraschend nach vier Jahren als U23-Trainer des BVB die Chance in England erhielt, stellte sich im Norden der Insel eine neue Truppe inklusive deutscher Enklave zusammen und hauchte dem über Jahre in der Unterklassigkeit darbenden Klub im Eiltempo neues Leben ein.
"Mit Huddersfield aufzusteigen und dann noch in der Liga zu bleiben, das ist, als würde Remscheid aus der jetzigen Situation hochgehen", sagte Klopp bei Sky über das "Wagner wonder" der Terriers. Das freilich davon begleitet wurde, dass der Klub finanziell extrem gesundet und in den professionellen Strukturen gewachsen ist.
Die Aufbauarbeit, die Wagner bei S04 wird leisten müssen, hängt ganz besonders zu Beginn seiner Amtsperiode mit der emotionalen Komponente zusammen. In acht Tagen beendet Schalke eine sportlich desaströse und emotional besorgniserregend trostlose Saison. Niederlagen, Fehlentscheidungen, Entlassungen, Disziplinlosigkeiten - die Häufigkeit an Verfehlungen in dieser Spielzeit überraschte und stellte einen Tiefpunkt in der jüngeren Vereinsgeschichte dar. Letztlich hatte Schalke schlichtweg vor allem Glück, dass das bald abgelaufene Bundesligajahr noch ein paar deutlich schlechtere Teams zu bieten hatte.
Schneider über Wagner: "Kann ein Team formen"
Wagner wird sein neues Umfeld vom Fleck weg also zwingend emotionalisieren müssen, so wie ihm das auch in Huddersfield gelungen war. Dort schwärmen sie noch heute vom neu geschaffenen Zusammenhalt zwischen Mannschaft und Publikum. Dieses Gerüst muss Wagner auf Schalke, in Fußball-Deutschland mit der beste Nährboden für alle Art von Emotionen, neu aufbauen.
Und das natürlich nicht nur mit Hilfe seiner geerdeten, teils kumpelhaften Ausdrucksweise und des positiven Wesens, mit dem er Menschen für sich vereinnahmen kann. Schließlich wollen sie auf Schalke erfolgreichen Fußball sehen. Der kann zwar auch nüchtern-maschinell sein wie jener im ersten Jahr von Domenico Tedesco, doch Wagner - als Jugendtrainer in Hoffenheim übrigens einst Coach von Tedescos Bruder Umberto - steht für einen anderen Ansatz.
Nämlich für einen, so ließ sich Sportvorstand Schneider zitieren, bei dem die Mannschaft "das Heft des Handelns selbst in die Hand nimmt, laufintensiv, mit möglichst viel Tempo". Schneider bezeichnet Wagner als Persönlichkeit, die "ein Team formen und Spieler individuell verbessern kann".
Schalke wird unter Wagner seinen Kader erneuern müssen
Den Umgang mit der Mannschaft, das Führen einer Gruppe, "das ist für mich fast grundsätzlich der Schlüssel", sagte Wagner bereits 2014 zu seiner Dortmunder Zeit im SPOX-Interview. "Einer Gruppe deine eigene Spielidee so zu vermitteln, dass alle Mann Lust darauf haben, sie umzusetzen - das ist in meinen Augen der entscheidende Faktor, noch vor dem bloßen Vermitteln taktischer Marschrouten."
Um dieses Idealbild auch in Gelsenkirchen zu schaffen, dafür müssen jedoch erst einmal eine Vielzahl an akuten Personalentscheidungen getroffen werden und letztlich auch sitzen. S04 muss und wird seinen Kader an einigen entscheidenden Stellen erneuern, schließlich konnte man dem aktuellen Schalker Team in dieser Saison nach und nach beim Ausbluten zusehen.
Die Bindung mit den Fans ging so früh in der Krise verloren. Wagner braucht daher eine identifikationsstiftende Elf, die frischen Elan und Aufbruchstimmung verkörpert - und dann seinen Fußball umsetzt, der vom ehemaligen US-Nationalspieler nicht nur emotional von der Bank angeleitet wird, sondern auch auf ähnliche Werte fußt: schnell, vorwärtsgerichtet, dynamisch-energetisch, intensiv.
David Wagner ist Schalkes Klopp-Versuch
Aufgrund der besonderen Konstellation drängt sich die Parallele zwar auf, sie ist aber vor allem inhaltlich nicht von der Hand zu weisen: Wagner ist auf gewisse Art Schalkes Klopp-Versuch, so wie ihn der Rivale aus Dortmund bereits vor elf Jahren unternahm. Wie damals beim BVB hat Schalke eine Tiefpunkt-Saison zu überwinden, wofür größere Umbaumaßnahmen innerhalb der Mannschaft vonnöten sind, um letztlich wieder lebendiger Fußball zu spielen.
Wagner, mit Schalker Spielervergangenheit zwischen 1995 und 1997 ausgestattet, bringt das Handwerkszeug mit, um den Turnaround einleiten und die triste Stimmung auf Schalke wieder aufhellen zu können. Am Ende werden aber auch Faktoren wie Geduld und eine sachliche Erwartungshaltung darüber entscheiden, inwiefern Wagner dies gelingt.
David Wagner: Seine bisherige Trainerkarriere im Überblick
Dauer | Verein |
2007-2008 | U19 TSG Hoffenheim |
2008-2009 | U17 TSG Hoffenheim |
2011-2015 | U23 Borussia Dortmund |
2015-2019 | Huddersfield Town |