Fanvertreterin Helen Breit über die Entwicklung der Bundesliga: "Auch der FC Bayern hat keine sechs Stimmen”

Von Stanislav Schupp
Zog laut Fanvertreterin Helen Breit "ein Schauspiel" im vergangenen Jahr ab, als er den kleineren Klubs ein Mitspracherecht versagte.
© imago images

Helen Breit war als Fanvertreterin Teil der DFL-Taskforce "Zukunft Profifußball" und ist Vorsitzende des Fanbündnisses "Unsere Kurve", einer Vertretung organisierter Fans in Deutschland. Diese ziehen sich immer weiter zurück. Doch steckt da wirklich nur die Corona-Pandemie dahinter?

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Im Gespräch mit SPOX und Goal spricht Breit, selbst Anhängerin des SC Freiburg, über die Gründe für den Rückzug der Anhänger, die derzeitige Attraktivität der Bundesliga, die aus der Pandemie gewonnenen Erkenntnisse und die Definition von Erfolg.

Helen Breit über...

... möglicherweise fehlendes Zuschauerinteresse an Livespielen in den Stadien: Wir haben nach wie vor eine Pandemie, in der sich manche Menschen immer noch gegen Ansammlungen und Kontakt zu anderen entscheiden. Die Leute holen viele Dinge nach, denen sie in den letzten anderthalb Jahren nicht nachgehen konnten.

Das muss man berücksichtigen, wenn man über nicht vollbesetzte Stadien spricht. In organisierten Fanszenen herrscht dennoch weiterhin eine große Enttäuschung darüber, dass bisher keine Reformen umgesetzt worden sind und nur wenige Empfehlungen aus der DFL-Taskforce angegangen wurden. Es wird weiterhin lediglich wie eine historische Zäsur behandelt.

Bundesliga und Fan-Entfremdung: "Höchste Zeit für Änderungen"

... die Erkenntnisse der Fans während der Pandemie: Die Frage nach einer vollen Auslastung der Stadien und einem Erlebnis, wie man es von früher kennt, spielt ebenfalls eine Rolle. Vielen Fans fehlt die Atmosphäre von vollen Stadien. Einige wollen erst wieder ins Stadion, wenn alles so ist wie früher. Ich spüre bei vielen Menschen aus organisierten Fanszenen auch eine gewisse Entwöhnung von dem Ritual. Zuvor war das gesamte Leben nach dem Spielplan getaktet. Durch die Pandemie konnten die Spiele lange nur vor dem Fernseher verfolgt werden. Dadurch entstehen andere Prioritäten und man merkt, dass es wichtigere Dinge als den Stadionbesuch gibt.

Darüber hinaus spielt der - teils sensible - Umgang der Vereine mit den Infektionsschutzgesetzen, ob es nun 2G oder 3G ist, ebenfalls eine Rolle. Der kritische Blick auf die fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs wird mittlerweile auch von mehr Menschen geteilt, als es vor der Pandemie der Fall war. Die symbolische Botschaft der Geisterspiele, die bei einigen Fans ankam, war: "Wir können auch ohne euch Geld verdienen, wir brauchen euch nicht für diesen Sport. Das Spiel und die Übertragungen funktionieren auch so."

Das hat bei viele Fans erst mal dazu geführt, nicht mehr bedingungslos alles für ihren Klub zu geben. Ich würde allen Vereinen und Entscheidungsträgern empfehlen, ihren Fans zuzuhören und nachzufragen, was sie brauchen und dann entsprechende Bedingungen zu schaffen.

... das größte Problem des Fußballs unabhängig von der pandemischen Lage: Wir haben uns in der Taskforce "Zukunft Profifußball" der DFL intensiv mit den notwendigen Veränderungen im Fußball auseinandergesetzt.

Er muss sich wieder an die Gesellschaft binden, bodenständiger werden, wirtschaftliche Stabilität ausstrahlen, er darf nicht mit solch horrenden Summen um sich werfen und in einer eigenen Blase leben. Das sind Aspekte, die bereits lange verhandelt werden, allerdings nie derart transparent gemacht wurden.

Wir diskutieren über eine Entfremdung zwischen Fans und den Vereinen. Es geht weiterhin darum, dass Fußballfans als Konsument*innen betrachtet werden und nicht als Teil des Fußballs. Es ist verständlich, dass Reformen nicht von heute auf morgen umgesetzt werden können, allerdings ist es mittlerweile höchste Zeit für spürbare und sichtbare Änderungen.

Breit: Modus-Reformen? "Nicht noch mehr Geld in den Fußball"

... mögliche Modus-Reformen für eine sportliche und finanzielle Ausgeglichenheit und größere Spannung in der Bundesliga: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nicht noch mehr neue Modelle brauchen, um noch mehr Geld in den Fußball zu bringen. Vielmehr brauchen wir Modelle, die eine gleichmäßigere Verteilung der Erlöse ermöglichen.

Die DFL und die Vereine hatten die Möglichkeit, bei der letzten Vergabe der TV-Rechte eine andere Verteilung zu beschließen. Allerdings ergaben sich daraus nur minimale Veränderungen. Es ist nicht so ausgeglichen, wie es vielleicht dargestellt wurde.

Die Durchlässigkeit der Ligen beziehungsweise das Ligensystem hat einerseits Tradition, andererseits hat es sich über lange Zeit bewährt. Die Spreizung resultiert aus der Verteilung der Gelder, nicht aufgrund eines schlechten Ligasystems. Es wird immer mehr Geld durch Fußball generiert.

Bei Vereinen mit mehr Reichweite und einer besseren Infrastruktur wird es dementsprechend mehr als bei anderen. Der sportliche Wettbewerb wird über den wirtschaftlichen gewonnen, das muss umgekehrt werden.

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