Oliver Kahn suchte als Fußballprofi regelmäßig Körperkontakt mit Kollegen oder Gegenspielern: Heiko Herrlich wollte er in den Hals beißen, Andreas Herzog schüttelte er durch, Stéphane Chapuisat verpasste er mit seinem Kung-Fu-Tritt nur knapp - und Thomas Brdaric packte er am Nacken.
Es passierte bei einem Bundesligaspiel zwischen dem FC Bayern München und Bayer 04 Leverkusen im September 2002. Beide Spieler bekamen für die Aktion die Gelbe Karte, Brdaric flog kurz darauf für ein Foul an Jens Jeremies mit Gelb-Rot vom Platz. Das Ergebnis von 2:1 für Leverkusen verkam zur Nebensache.
"Ich hatte Todesangst, als ich die Pranke von Kahn in meinem Nacken spürte", berichtete Brdaric damals. Ein "Fernsehzuschauer oder Spielbesucher" erstattete laut des bearbeitenden Staatsanwalts gegen Kahn daraufhin sogar Strafanzeige wegen Körperverletzung. Unerfolgreich.
Brdaric verarbeitete den Vorfall unterdessen mit einem ziemlich legendären Lied - und befasste sich darin nicht nur mit Kahn, sondern gleich auch mit zwei weiteren damaligen deutschen Nationalkeepern. Jens Lehmann von Borussia Dortmund und Frank Rost vom FC Schalke 04. Der Name des Liedes "Die Wilde 13" war angelehnt an Brdarics Rückennummer.
Thomas Brdaric: Die Lyrics von "Die wilde 13"
Lieber Frank, es tut mir leid, deshalb mach' ich mal 'ne Pause.
Dass ich böse zu dir war, wird mir jetzt erst richtig klar.
Du hast im Interview geweint und Mutti holte dich nach Hause.
Fußball ist ja so gemein und im Tor fühlst du dich oft allein.
Warum bist du Torhüter geworden, warum, warum?
Warum hast du nicht auf deine Eltern gehört?
Nun fliegen dir die Bälle um die Ohren.
Und du hast schon verloren.
Wenn die Null nicht mehr steht.
Katze Kahn, ich danke dir, dass du mich wach geschüttelt hast.
Ja, ich hatte Angst vor dir. Dabei bist du doch nur ein liebenswertes Tier.
Lieber Jens, du fehlst mir sehr, mit dir gabs immer was zu lachen.
Ich schoss dir gerne einen rein, da konntest du so herrlich sauer sein.
Thomas Brdaric über das Lied und Oliver Kahn
Wie denkt Brdaric heute darüber? "Mit über 20 Jahren Abstand sage ich: Vielleicht hätte ich es besser nicht gemacht. Ich kann es nicht mehr ändern, aber man sollte darüber auch schmunzeln können", erklärt Brdaric im Gespräch mit SPOX und GOAL. "Wenn ich zuhause eine Party veranstalte und das Lied laufen lasse, muss ich lachen und daran denken, wie crazy ich früher war. Mit dem Lied habe ich diese Situation mit Oli Kahn verarbeitet."
Obwohl Brdaric seitdem noch viele Spiele gegen Kahn absolvierte und mehrmals gemeinsam mit ihm im Kader der deutschen Nationalmannschaft stand, habe er nach eigener Auskunft "noch nie mit ihm darüber gesprochen". Brdaric beendete nach Stationen bei Hannover 96 und dem VfL Wolfsburg 2008 zeitgleich mit Kahn seine aktive Karriere.
Anschließend avancierte Brdaric zum Trainer-Weltenbummler. Kahn versuchte sich zunächst als TV-Experte und in der freien Wirtschaft, ehe er 2020 als Vorstand zu seinem Ex-Klub FC Bayern München zurückkehrte. 2021 übernahm er den Posten des Vorstandsvorsitzenden, steht in dieser Rolle mittlerweile aber zur Disposition.
"Oli hat im Laufe der Jahre gelernt, diplomatischer zu sein", findet Brdaric. "Seine Art kommt bei dem einen oder anderen vielleicht nicht gut an. Aber er bringt eine unglaubliche Expertise mit und ist ein überragender Typ."