BVB-Pleite bei Union Berlin: Mittellos, gehemmt und zuweilen sogar fehl am Platz

Von Oliver Maywurm
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Auswärts kommt der BVB in dieser Saison bisher nicht in die Gänge. Nuri Sahin muss hoffen, dass seine Appelle diesmal Wirkung zeigen.

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Knapp zwei Wochen ist es her, dass Nuri Sahin eine eindeutige Forderung an seine Mannschaft richtete: "Das kann ich nicht akzeptieren. So ein Gesicht will ich nie wieder sehen", sagte der Trainer von Borussia Dortmund nach der herben 1:5-Klatsche beim VfB Stuttgart bei DAZN.

Dass Sahins Jungs am Samstag in Berlin nicht erneut derart unter die Räder kamen, lag - bei allem Respekt - wahrscheinlich vor allem daran, dass kein entfesselt leichtfüßiger VfB, sondern "nur" ein hart arbeitendes Union auf der anderen Seite stand. An dem Ausmaß der Ernüchterung änderte die weniger deutlich ausgefallene Niederlage aber natürlich nichts.

Der BVB zeigte im Auswärtsspiel bei Union Berlin, das am Ende mit 1:2 verloren ging, in der ersten Halbzeit nämlich genau das Gesicht, das Sahin eigentlich nie wieder sehen wollte. Trotz der deutlich höheren individuellen Qualität wirkte Dortmund über weite Strecken der 90 Minuten an der Alten Försterei mittellos, gehemmt, zuweilen sogar fehl am Platz. Und auch die Steigerung im zweiten Durchgang kann über die insgesamt schwache Vorstellung nicht hinwegtäuschen.

"Wir sind sehr schwach reingekommen. Bis auf wenige Momente ehrlich gesagt die ganze erste Halbzeit", gab Sahin nach dem Spiel zu. Dem Team des jungen Chefcoaches droht früh in der Saison ein Auswärtsproblem. Vor den heimischen Fans im ausverkauften Signal-Iduna-Park verfügt der BVB gefühlt über einen Bonus, eine Superkraft, die die Spieler in schweren Momenten aus dem Sumpf ziehen kann. In der Fremde fällt dieser Bonus logischerweise weg und kann die spielerischen Probleme nicht kaschieren.

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BVB trotz Sahins Warnung nicht sofort da: "Das geht nicht"

So fehlte dem BVB auch in der besseren zweiten Halbzeit meistens der Punch, die entscheidende Wucht, um ein Powerplay zu entfachen, den Gegner über weitere Strecken einzuschnüren und sich auch mal mehrere Torchancen in kurzer Zeit zu erarbeiten. Und wenn dann eben auch noch Unzulänglichkeiten im Defensivverhalten hinzu kommen, wird es eng.

"Auf dem Niveau und in dem Stadion musst du direkt da sein. Stattdessen kassierst du die Tore, wie wir sie kassiert haben. Das geht nicht", bemängelte Sahin. Vor allem die Entstehung des ersten Gegentores dürfte ihm ein Dorn im Auge gewesen sein: Ein unkonzentriertes Abspiel des enttäuschenden Maximilian Beier landete am gegnerischen Sechzehner bei Union, mit einem einfachen weiten Ball konnten die Hausherren den BVB übertölpeln und im eigenen Strafraum stellte sich Nico Schlotterbeck im Zweikampf mit Benedict Hollerbach dann ganz und gar nicht clever an.

Die Folge war ein Elfmeter, den Kevin Vogt zum 1:0 für Union verwandelte. "Die Herangehensweise, so wie wir die Gegentore kassieren, das darf uns nicht passieren. Wir müssen unser Tor besser verteidigen. Wir müssen unsere Zweikämpfe besser führen. Die erste Halbzeit war einfach nix", kritisierte auch Sportdirektor Sebastian Kehl.

Nach drei Bundesliga-Auswärtsspielen der Saison 2024/25 steht für Dortmund erst ein Punkt zu Buche, in der Auswärtstabelle ist man nur auf Rang 15 notiert. Viel Aussagekraft hat das zu solch einem frühen Zeitpunkt freilich noch nicht, in Verbindung mit den sehr schwachen Leistungen auf fremdem Platz darf die mickrige Ausbeute aber durchaus als Alarmzeichen gedeutet werden.

"Wir haben noch kurz vor Anpfiff klar aufgezeigt, was uns hier erwartet. Die erste Halbzeit haben wir trotzdem komplett hergeschenkt", wunderte sich Sahin vor allem über den schwachen Start seiner Mannschaft. Fast alle Feldspieler blieben unter ihren Möglichkeiten. Und die ohnehin Verunsicherten wie Neuzugang Beier konnten sich an den arrivierten Kräften wie Emre Can oder Schlotterbeck nicht hochziehen, da diese ebenso schnell hektisch wirkten und überrascht davon schienen, wie aggressiv Union sie störte.

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BVB: Maximilian Beier sucht nach seiner Unbekümmertheit

Das Offensivspiel war dementsprechend zusammenhangslos, vor allem Beier wirkte häufig wie ein Fremdkörper. Dem 21-Jährigen, für knapp 30 Millionen Euro aus Hoffenheim gekommen, war deutlich anzumerken, dass er die Unbekümmertheit der vergangenen Saison noch nicht wiedergefunden hat, dass er Probleme hat, in neuer Umgebung er selbst zu sein und seine Qualitäten bestmöglich einzubringen. Ins Bild passte sein schwacher Abschluss kurz nach Wiederanpfiff, als er im Strafraum frei vor Union-Keeper Frederik Rönnow viel zu leichtfertig und unentschlossen den früheren Anschlusstreffer vergab. Beiers Verunsicherung konnte man dabei förmlich spüren.

Dass der Youngster noch sein Selbstverständnis sucht, ist angesichts der ersten Wochen in Dortmund kein Wunder. Das volle Vertrauen dürfte er bisher noch nicht spüren, schließlich stand er in Berlin erst zum zweiten Mal in der Startelf des BVB. Auf einen Scorerpunkt kam Beier bisher noch nicht.

In der anstehenden Länderspielpause will er nun Selbstvertrauen tanken - allerdings nicht bei der A-Nationalmannschaft, sondern in der U21. "Wir möchten ihm idealerweise zweimal 90 und zweimal 70 oder 80 Minuten in den wichtigen Quali-Spielen der U21 geben. So kann er der U21 und sich selbst helfen, einfach wieder Rhythmus zu sammeln", erklärte Bundestrainer Julian Nagelsmann den Verzicht auf Beier.

Ein befreit aufspielender Beier würde auch dem BVB gut zu Gesicht stehen. Ebenso wie ein fitter Karim Adeyemi, der in Berlin schmerzlich vermisst wurde, allerdings wohl noch bis Mitte November ausfallen wird. Die gute Nachricht für Dortmund: Nach der Länderspielpause geht es mit einem Heimspiel gegen St. Pauli weiter. Und das auch noch freitagabends, da hat man bekanntlich seit über 20 Jahren nicht mehr verloren.

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