FC Bayern München: Wappnet sich Thomas Tuchel schon für einen internen Machtkampf?

Von Constantin Eckner
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Gute Stimmung nach dem Harry-Kane-Transfer? Fehlanzeige. Bei Bayern München herrscht vor dem Start in die neue Bundesligasaison interne Unruhe. Die Kritik von Cheftrainer Thomas Tuchel an der eigenen Mannschaft nach dem 0:3 im Supercup gegen RB Leipzig mag überzogen wirken. Womöglich hatte der 49-Jährige dafür aber auch andere Gründe.

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Seit Harry Kanes Ankunft hat Thomas Tuchel seine Bewunderung gegenüber dem englischen Superstar mehrfach öffentlich zum Ausdruck gebracht. Er entschuldigte sich bei Kane in seiner ohnehin diskutablen Analyse für den schwachen Auftritt der Bayern im Supercup gegen RB Leipzig und ließ zudem verlauten, dass die eigene Mannschaft einiges vom Neuzugang lernen sollte. Die Bayern sollten sich an Kane orientieren.

Diese Aussage mag überraschen, da der Engländer bislang im Gegensatz zu seinen neuen Mitspielern noch nie einen Mannschaftstitel in seiner Karriere gewinnen konnte. Und bei allem Respekt für Tottenham Hotspur bisher auch bei keinem Klub unter Vertrag stand, in dem Siege und Titel Pflicht sind. Tottenham ist einer der großen Klubs der Premier League, aber er ist eben kein FC Hollywood.

Doch man muss davon ausgehen, dass Tuchel ganz bewusst mit dem Feuer spielt und sich auf einen internen Machtkampf vorbereitet.

Tuchel wirkt zunehmend angefressen angesichts der Leistungen seines Teams - oder zumindest einzelner Stammspieler. Darüber hinaus hängt Tuchels Job - im Falle von Misserfolgen in den kommenden Wochen und Monaten - auch vom Neuzugang ab. "Thomas Tuchel spielte eine große Rolle bei meinem Wechsel nach München. Er hat mir seine Vision vermittelt. Und mir aufgezeigt, wie er spielen lassen will, wie er mich ins Team integrieren möchte und wie er Spiele dominieren will. Wir haben eine gute Beziehung", sagt Kane im Interview mit Sky. Der 30-Jährige wäre sicherlich alles andere als glücklich, sollte Tuchel demnächst vor die Tür gesetzt werden in München.

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FC Bayern: Thomas Tuchel verärgert über Querpässe

Danach sieht es momentan freilich überhaupt nicht aus, alle Beteiligten wünschen sich, dass Tuchel beim FC Bayern zu einer Erfolgsgeschichte wird.

Sollte Tuchel jedoch überhaupt mal zur Disposition stehen, hätte dies nicht nur mit Resultaten auf der Anzeigetafel, sondern auch mit den Ungereimtheiten in der Kabine zu tun. Die Reibereien zwischen Tuchel und Joshua Kimmich etwa sind in den vergangenen Tagen nach außen getreten und analysiert worden.

Während des Supercup-Spiels am Samstag rief der Bayern-Trainer mehrfach Anweisungen in Richtung von Kimmich sowie Matthijs de Ligtm, ebenfalls ein Leader und auch öffentlicher Klartextsprecher in der Mannschaft. Sein Unbehagen war nicht zu übersehen. Denn Tuchel möchte eigentlich, dass der Ball schnell durch die erste Pressing-Linie des Gegners hindurch und zur Offensivreihe rund um Jamal Musiala gespielt wird. Die Offensivspieler sollen die Angriffe vorantreiben, nicht Kimmich, der zu häufig mehrere Kontakte in Anspruch nimmt und querschiebt.

Es wäre Spekulation, für Tuchels Verhalten an der Seitenlinie vergangenen Samstag auch andere als nur taktische Gründe zu vermuten. Doch es ist kein Geheimnis, dass Trainer, einzelne Spieler und sportlich Verantwortliche beim FC Bayern teils unterschiedliche sportliche Einschätzungen haben.

Tuchel wünscht sich bekanntlich seit längerem einen positionshaltenden Sechser, der vor der Abwehr die Räume kontrollieren und blockieren kann. Tuchels absoluter Wunschtransfer des Sommers war in erster Linie Declan Rice, der sich aber für einen Wechsel von West Ham United zum FC Arsenal entschied. Harry Kane hat Tuchel - siehe oben - sehr gerne genommen, aber seine Priorität war das Mittelfeld.

Auch wenn weder Rice noch Moisés Caicedo (zu Chelsea) für die Bayern zu bekommen waren, ist damit Tuchels Wunsch nach einem "Holding Midfielder", wie die Position im englischen Fußballsprachgebrauch genannt wird, nicht verschwunden. Das Problem: Die Alternativen werden nicht mehr, Tuchel ist nicht der einzige Trainer, der einen Mittelfeldabräumer sucht.

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FC Bayern: Querelen gehen voraussichtlich weiter

Auch wenn Tuchel gerade während seiner Zeit beim FC Chelsea ruhiger geworden ist und nicht mehr regelmäßig die Konfrontation mit Spielern oder Funktionären sucht, so kann der 49-Jährige immer noch dünnhäutig reagieren, wenn einzelne Mitglieder seiner Mannschaft seine Autorität oder auch Fachkenntnis in Frage stellen oder etwa Stammplätze für Mitspieler einfordern.

Dem Vernehmen nach haben jedoch schon Tuchels offen zur Schau getragene Ratlos-Auftritte nach Niederlagen die FCB-Verantwortlichen irritiert.

Dass Tuchel aktuell besonders Neuzugang Kane in den Himmel hebt, entspringt wohl nicht nur einer ehrlichen Bewunderung für den englischen Nationalmannschaftskapitän, sondern könnte teilweise eine kommunikationstaktische Maßnahme des Bayern-Trainers sein. Verbündete kann man immer gebrauchen.

Zumal Kane nicht der einzige Neuzugang ist, den Tuchel in den Himmel lobt. In einem englischen Interview auf bundesliga.com sagte Tuchel über den neuen Innenverteidiger Min-Jae Kim: "Ich liebe ihn, ich liebe ihn. Er ist so ruhig, so geradlinig - sein Ausdruck, sein Bewusstsein, sein Spiel. Ein Pass ist ein Pass. Ein Pass ist nichts Ausgefallenes, es ist ein Pass mit dem Innenfuß. Die erste Berührung ist Kontrolle, die zweite Berührung ist ein Pass. Er hat das richtige Tempo, er ist nicht zu hart, nicht zu langsam, er springt nicht auf, er ist nicht auffällig. Das ist so schön, weil es genau das ist, was man sich von einem Aufbauspieler wünscht", sagte Tuchel. Und ergänzte: "Er verteidigt sehr mutig, er ist schnell, er schaut immer über die Schulter, wo er helfen kann, wie er sich im Verhältnis zu unserem linken Verteidiger und zum rechten Innenverteidiger positioniert. Das ist ein Vergnügen."

Nun liegt es natürlich in der Natur der Sache, dass Neuzugänge einen gewissen Vertrauensvorschuss haben und Trainer sie erst mal gut finden, sonst hätte man sie ja nicht geholt. Doch je öfter jemand erwähnt, was er erwartet und was für eine Art von Fußball er spielen lassen will und je öfter er die einen Spieler lobt und andere eben nicht beziehungsweise kritisiert für deren Spielweise, desto größer die mögliche Reibung. Das ist an sich nicht schlecht, Reibung ist gut. Doch zu viel Reibung kann auch zu Brüchen führen.

FC Bayern: Der Bundesliga-Spielplan zum Saisonstart

DatumGegner
18. AugustWerder Bremen (A)
27. AugustFC Augsburg (H)
2. SeptemberBorussia Mönchengladbach (A)
15. SeptemberBayer Leverkusen (H)
23. SeptemberVfL Bochum (H
30. SeptemberRB Leipzig (A)
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