Erkenntnisse zum FC Bayern München: Endlich wird Joshua Kimmich verstanden

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Thomas Müller bringt zwar die Hormone zum Tanzen, doch insgesamt sprang beim eher drögen 2:0 der Funke nicht über. Harry Kane hängt in der Luft. Joshua Kimmich könnte endlich einen Trainer haben, der ihn versteht. Drei Erkenntnisse zum Spiel des FC Bayern München gegen den SC Freiburg am zweiten Spieltag.

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Trotz Müllers Hormon-Konfusion: Bayern Münchens Spiel fehlen die Emotionen

Sicher, es ist erst einige Wochen her, dass es in der Allianz Arena zuvor schon ähnlich laut geworden ist wie am Sonntag während des Spiels des FC Bayern München gegen den SC Freiburg. Doch die Stimmungsexplosionen während der EURO 2024 sind eben nicht die Regel bei Spielen mit Beteiligung des FC Bayern München. Und somit ging die Stimmung nach Thomas Müllers Tor zum 2:0 durchaus als infernalisch durch.

Der 245. Treffer in Müllers Rekordspiel war ja auch wirklich herrlich: Müller hatte einen langen Ball von Serge Gnabry nach einem ebenso langen und trickreichen Lauf mit dem einen Fuß angenommen und sich selbst zum Schuss vorgelegt. "Es war eines meiner Top-Ten-Tore von der Klasse her. Eine sehr leckere technische Darbietung", befand Müller hinterher.

Bei DAZN hatte er zuvor schon einem der geistigen Urheber dieses Tors gedankt. "Laimer macht den Raum auf und dann habe ich einen Lauf gemacht, den hat mein früher Förderer, und der hat mir viel beigebracht, den "van-Basten-Lauf" genannt. Das war Louis van Gaal. Wenn du den Laufweg antäuschst und dann in den Rücken des Verteidigers wegziehst. Es ist schön, wenn man so viele gute Trainer hat. Am Ende lernt man vor 15 Jahren was und das kann man heute verwenden. So soll es sein. Danke, Louis".

Van Basten, van Gaal, Müller - ganz schön viel Weltklasse vereint in einem Tor, das bei Müller mehr Gefühlswallungen hervorrief als sein Rekord mit dem 710. Spiel für den FCB. "Da scheppert's oben in der Birne, da haut's die Hormone durcheinander", sagte er.

Die Fans hätten wahrscheinlich auch (sprichwörtlich!) das Stadiondach wegfliegen lassen, wenn das Tor weniger einzigartig gewesen wäre, ihnen hätte wahrscheinlich schon Müllers Einzigartigkeit genügt.

Dass das 2:0 gegen gut organisierte und fleißige Freiburger aber ansonsten eher für wenige Gefühlsregungen sorgte, kann nicht dem in seinem Grundzustand traditionell eher zurückhaltenden Münchner Publikum in die Schuhe geschoben werden. Und auch nicht unbedingt Vincent Kompanys Startelf. Dass fünf nominelle Offensivspieler und Stürmer von Anfang an spielen - und dann auch noch auf sehr offensiven Grundpositionen, Bayern agierte mit den zwei Flügelstürmern Serge Gnabry und Mathys Tel, den zwei Zehnern Jamal Musiala und Michael Olise und dazu noch Harry Kane an vorderster Front - kommt eher selten vor.

Dass diese Offensive voller Hochveranlagter sich zwar redlich bemühte, aber irgendwie nie den Funken überspringen ließ, war umso seltsamer und lag gar nicht mal so sehr an den zumeist gut und eng am Mann verteidigenden Freiburgern oder daran, dass es zu wenige offensive Szenen gegeben hätte. Die technisch herausragenden Musiala und Olise versuchten Einiges, Gnabry machte eine gute Partie, Kane erzielte seinen ersten Saisontreffer, aber richtig aufregend war das alles nicht. Weder der Vortrag, noch das Drumherum. Bis eben Thomas Müller kam und die Hormone durcheinander brachte.

Harry Kane, FC Bayern München
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FC Bayern unter Vincent Kompany: Harry Kane zu wenig im Spiel eingebunden

Die Frage, ob sich Mittelstürmer mehr ins Spiel einbringen müssen, gibt es, seit es Mittelstürmer gibt, und ganz oft tut sie den Mittelstürmern auch unrecht. Müssen die Spieler in vorderster Reihe wirklich immer mitkombinieren, wenn sie auch so regelmäßig Tore erzielen? Bei Harry Kane ist diese Debatte noch unfairer, weil der am Sonntag erst mit dem Goldenen Schuh als erfolgreichster Torjäger Europas ausgezeichnete Kane für einen Torjäger auch noch richtig uneigennützig ist und auch immer wieder Tore vorbereitet.

Gegen Freiburg erzielte er in seinem 34. Bundesligaspiel seinen 37. Treffer - dass dies durch einen regelkonformen, aber nicht minder absurden Elfmeter geschah: Grundsätzlich geschenkt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Kane ziemlich sicher kein Tor aus dem laufenden Spiel heraus erzielt hätte. Schlicht, weil er kaum angespielt wurde und Kompanys Bayern noch eine übergreifende Idee zu fehlen scheint, wie Kanes Stärken eingebunden werden können.

Bezeichnend, dass Kane gegen Freiburg lange Zeit die meisten Pässe (vier) mit Dayot Upamecano austauschte, einem Innenverteidiger. Erst als Kingsley Coman eingewechselt wurde, wurde Kane mehr gesucht.

Joshua Kimmich, FC Bayern, SC Freiburg
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FC Bayern: Vincent Kompanys Idee mit Joshua Kimmich war gut

Nach einem Blick auf den Spielberichtsbogen schien alles klar: Nach zwei - überaus ordentlichen - Pflichtspielen im zentralen Mittelfeld würde Joshua Kimmich gegen Freiburg also auch unter Trainer Vincent Kompany wieder mal auf die rechte Verteidigerposition rücken müssen. Auch zum Anstoß formierte sich in der Defensive der Münchner eine Viererkette - mit Kimmich als rechtem Glied.

Doch kaum war das Spiel angepfiffen, zog es Kimmich ins Zentrum. Und dort blieb er meist. Entweder etwas hinter Aleksandar Pavlovic agierend - oder als zentraler Spieler einer Dreier-Abwehrkette. Auch im Spiel gegen den Ball orientierte sich Kimmich nur nach rechts, wenn der Weg vom Angriffsdrittel nach rechts hinten zu weit gewesen wäre für seinen Kumpel und Rechtsaußen Serge Gnabry. Über weite Strecken des Spiels agieren die Münchner gegen Freiburg also ohne richtigen Rechtsverteidiger. Sondern mit zwei Hybriden.

So luftig, unkonventionell und riskant die Taktik auch klingt, die Bayern standen in der Defensive lange nicht mehr so sicher, wie mit der 3,5-Mann-Verteidigung.

Weil Kimmich als Libero-Rechtsverteidiger seine Spielintelligenz und Lautstärke perfekt ausspielen konnte und die Innenverteidiger Min-Jae Kim und Dayot Upamecano ständig hochklassige Unterstützung hatten. Weil Rechtsaußen und Teilzeit-Rechtsverteidiger Serge Gnabry endlich wieder fit genug ist für das enorme Laufpensum, das seine Rolle erforderte.

Vincent Kompanys Idee mit Kimmich (und Gnabry) war also gut, doch sie war nicht unbedingt eine für immer.

"Generell ist es gegnerspezifisch", erklärte Kimmich später. Vincenzo Grifo spiele keinen klassischen Linksaußen, sondern sei ein freier Spieler. "Es hat nicht den klassischen Rechtsverteidiger gebraucht, da er kein klassischer Flügel, sondern ein freier Spieler ist." Daher konnte Kimmich eben auch 'free floaten'.

Und auch wenn Kimmich sagte, dass das "sehr spezifisch heute" gewesen sei, verfestigte sich ein Eindruck, der sich schon in den vergangenen Wochen andeutete: Die Zusammenarbeit zwischen Kompany und Kimmich könnte eine ziemlich fruchtbare werden. Kompany scheint Kimmich nicht nur nehmen zu können, wie der zum übermäßigen Ehrgeiz neigende Spieler es braucht. Er scheint den nicht nur bei Bayern sehr oft unverstandenen Kimmich auch sehr gut zu verstehen.

Ganz neu war die Hybrid-Rolle für Kimmich ohnehin nicht: Ganz am Anfang seiner Karriere beim FC Bayern hatte der damals sehr junge Kimmich unter einem anderen Trainer, der sich gerne am Gegner orientierte, immer wieder als Innenverteidiger agiert - sowohl in Viererketten, als auch als zentraler Mann einer Dreierkette. Sein Trainer damals: Pep Guardiola, auch ein Lehrmeister von Kompany.

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