"Wie Lämmer auf dem Weg zur Schlachtbank"

Von Interview: Carsten Germann
Liam Becket (unten rechts knieend, mit Vollbart) und die Crusaders kassierten in Bukarest ein 0:11
© Johnston Press
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SPOX: Was waren die größten Erlebnisse Ihrer Karriere?

Beckett: Meine größte Zeit hatte ich in Coleraine, wo ich alle großen Trophäen in Nordirland gewonnen habe. Wir waren zwei Mal, 1975 und 1977, Pokalsieger und das Finale ist in Nordirland immer etwas ganz Besonderes. Auch, weil wir dabei 1977 mit 4:1 gegen den favorisierten FC Linfield gewonnen haben. Das war der beste Tag meines Lebens.

SPOX: Welchen Stars sind Sie begegnet?

Beckett: Ich bin einigen Großen begegnet. Gegen Eintracht Frankfurt habe ich die beiden deutschen Weltmeister Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein kennengelernt. Bis heute schaue ich mir im Internet oder in der Zeitung an, wie Frankfurt gespielt hat. In Großbritannien waren es sehr viele berühmte Fußball-Persönlichkeiten, wie Martin O'Neill von Nottingham Forest oder Manchester Uniteds Torhüter Harry Gregg (rettete beim Flugzeugunglück in München 1958 zwei Kollegen, die Red.). Harry war ein großartiger Torhüter und er wohnt jetzt bei mir in der Nähe. So haben wir viel Zeit, um über Fußball zu quatschen. Und dann natürlich George Best! Er war der beste Fußballer, den Nordirland je hervorgebracht hat und er war mein absoluter Held...

SPOX: ... der sicher für einige kuriose Erlebnisse stand, oder?

Beckett: Oh ja. Es war damals die Zeit der Miniröcke und der Hot Pants. Wir fanden das alles ziemlich sexy. Auch das Bier gehörte damals einfach dazu. Heute liest man mehr über eine andere Form von Drogenkultur im Spitzenfußball. Aber in den Siebzigern war es ganz normal, nach dem Spiel ein paar Bier zu trinken. Wir haben die Beatles oder die Rolling Stones aufgelegt - und haben uns volllaufen lassen. Es war großartig. Und George Best? Er war ein echter Schurke, hat sich nie um sein Benehmen geschert.

SPOX: Was verbinden Sie mit dem Fußballer George Best?

Beckett: George war mit einem wunderbaren fußballerischen Talent gesegnet, er kam aus einem kleinen Land - und wurde zum Weltstar. Egal, was er angestellt hat: Die Fans haben ihm immer verziehen. Sie haben ihn geliebt. Ich erinnere mich gut an das Europacupfinale der Meister 1968 in Wembley, Manchester United gegen Benfica Lissabon. George hat die Portugiesen fast im Alleingang erledigt. Oder die Partie gegen Schottland im Windsor Park von Belfast. Nordirland hat Schottland geschlagen und George hat eine Leistung gebracht, wie man sie davor und danach in unserem kleinen Land nie wieder gesehen hat.

SPOX: Was machte die Siebzigerjahre so einzigartig?

Beckett: Die Musik war einfach fantastisch. Die Haare und die Bärte waren lang, die Mode änderte sich ständig, es war einfach aufregend. Der Fußball und seine Stars waren damals darauf fokussiert, Spaß am Spiel zu haben, sonst nichts. Der moderne Fußball ist manchmal langweilig, weil zu viel taktiert wird. In den Siebzigern war der Fußball aufregender. Jetzt ist er ein Spiel mit Robotern. Das wichtigste Element im modernen Spiel scheint mir diese Super-Fitness zu sein. Die Qualität ist gesunken, weil das Spiel - vor allem in Großbritannien - so vorhersehbar geworden ist.

SPOX: Woran liegt das?

Beckett: Ich glaube, dass es für die Fans sehr schwer geworden ist, sich Fußballspiele anzuschauen. Die Spieler werden von Trainern, die selbst nie in den höchsten Ligen gespielt haben, in taktische Zwänge gepresst. Die Spieler verlieren sich in diesem System. George Best war anders...

SPOX: Sehen Sie einen Exodus von jungen Talenten und Fans, die sich lieber einem englischen oder schottischen Klub anstatt einem nordirischen Team anschließen?

Beckett: Ja, das ist ein sehr guter Punkt. Wir haben in Nordirland eine große Anhängerschaft der Glasgow Rangers und des Celtic FC. Diese Klubs und ihr Umfeld führen die politischen Unruhen Nordirlands auf dem Fußballfeld fort. Die Rangers haben einen protestantischen Hintergrund, Celtic hat katholische Wurzeln. Viele Leute gehen daher zu diesen beiden Vereinen, um diesen Glaubenskampf fortzusetzen. Und dann haben wir noch den FC Liverpool und Manchester United, zu deren Spielen ebenfalls viele Fans an den Wochenenden hinüberfahren.

SPOX: Sie sind heute ein angesehener Fußball-Experte in Nordirland, schreiben Kolumnen und leiten eine eigene Akademie. Wer wird der nächste Superstar aus Ihrem Land?

Beckett: Da muss ich nachdenken. In der nordirischen Nationalmannschaft sind sicherlich einige gute Jungs dabei wie Steve Davis von den Glasgow Rangers oder Top-Verteidiger Aaron Hughes vom FC Fulham. Beide könnten überall in Europa spielen. Außer vielleicht beim FC Barcelona.

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