Not hatte Robin Dutt keine. Der Spielerwechsel war sogar gut gemeint. 3:0-Führung beim Zweitliga-Aufsteiger Dynamo Dresden nach 63 Spielminuten - da konnte man schon mal dem einen oder anderen Spieler vor dem Bundesliga-Start noch ein paar Minuten zum Warmwerden geben.
Michael Ballack, ausgestattet mit knapp 100 Länderspielen, unzähligen internationalen Auftritten und vielen Titeln, war da mitnichten eine Risikoeinwechslung. Aber es geschah das oft gesehene Pokal-Wunder, Startschuss fünf Minuten nach Ballacks Einwechslung: Bayer verlor 3:4 nach Verlängerung und das Erstrunden-Aus war besiegelt.
Der Beginn der Ballack-Diskussion
Spätestens an diesem Tag entbrannte bei Bayer Leverkusen die Dauer-Diskussion um Ballack. Für den "Capitano", der schon von der Nationalmannschaft unrühmlich verabschiedet wurde, schien Dutt keine Verwendung zu haben und stattdessen vorzugsweise auf Kapitän Simon Rolfes zu setzen.
Dutt erklärte - wieder ohne Not - vor Saisonstart, dass es in seiner Startelf nur einen geben kann, nur Ballack oder nur Rolfes: "Sie sind beide Strategen und damit zu ähnliche Spielertypen", so Dutts Begründung. Freunde machte sich der neue Leverkusen-Trainer damit nicht, zumal beide Spieler im Umfeld des Klubs sehr beliebt und anerkannt sind. Dutts Strategie verlangte im Zentrum einen Kreativen wie Renato Augusto, einen Mischtypen, also Lars Bender, und einen Strategen, eben Rolfes oder Ballack. Doch welcher von den beiden ist der Richtige?
Bisher: Vorteil Rolfes
Im bisherigen Saisonverlauf heißt Dutts Antwort auf diese Frage: Simon Rolfes. Der 28-Jährige stand in allen neun Saisonspielen auf dem Platz, davon sechs Mal in der Startelf. Das gleiche gilt für die Champions League, wo Rolfes zwei Mal durchspielen durfte. Ballack dagegen brachte es bisher auf fünf Bundesliga-Einsätze, spielte aber kein einziges Mal durch. Auch in der Champions League sprangen in zwei Spielen bisher nur 76 Minuten Einsatzzeit heraus.
Die Wende?
Allerdings scheint sich das Blatt derzeit zu wenden und der Zeiger Richtung Ballack auszuschlagen. Nach seinem Tor in der Champions League gegen den KRC Genk fand sich Ballack in der Startelf wieder und stach sowohl gegen den VfL Wolfsburg (3:1) als auch bei Borussia Mönchengladbach (2:2) als einer der besten Leverkusener heraus. Leidtragender der Ballack-Hereinnahme war wenig überraschend Rolfes, der gegen Wolfsburg eingewechselt wurde, erst nachdem Lars Bender verletzt runter musste. Gegen Mönchengladbach kam der Kapitän für Ballack nach 61 Minuten.
Der Bruch im Spiel
Auffällig oft wirkten sich Ein- und Auswechslungen Michael Ballacks auf den Spielverlauf Leverkusens aus. Das 3:4 in Dresden ist mittlerweile bekannt, aber es ging auch in die andere Richtung: Da ist das Gastspiel beim FC Chelsea, als Leverkusen nach Ballacks Auswechslung die Ordnung im Zentrum verlor, gleiches gilt für das Spiel in Mönchengladbach, als die Borussia plötzlich Räume im Zentrum fand und so das Spiel zwischenzeitlich von 0:1 auf 2:1 umdrehte. Beide Male musste Dutt hinterher erklären, weshalb er den starken Ballack herunternahm. Die Argumente leuchteten nicht immer ein.
Wer spielt welche Rolle?
Womöglich liegt es daran, dass Rolfes, der in diesen Spielen für Ballack eingewechselt wurde, seine Rolle anders wahrnimmt, auch wenn beide Spieler in den meisten Fällen etatmäßig als Sechser neben Lars Bender aufgestellt werden. Ballack sucht mehr die Offensive, wird von Mitspielern viel mehr als Anspielstation gesucht, was seine Ballbesitz-Statistik beweist: Ballack hat durchschnittlich die meisten Ballkontakte bei Bayer (66,8 Prozent), hat trotz erheblich weniger Einsatzzeit als Rolfes (6) mehr Torschüsse (9) abgegeben. Ballack schlug auch mehr Flanken (4:1) als Rolfes - zumeist aus dem Halbfeld für die Angreifer.
In der Defensivarbeit ist Ballack aber statistisch gesehen in der Bundesliga schwächer als Rolfes. Letzterer gewann knapp 63 Prozent seiner Zweikämpfe, während sich dieser Wert bei Ballack bei 43,5 eingependelt hat. Auch die Fehlpassquote ist mit 13 Prozent etwas besser als bei Ballack (16,7 Prozent). Insbesondere Rolfes' Fähigkeiten in der Defensivarbeit machen ihn zur etwas besseren Lösung, zumal Bayer ansonsten recht offensiv aufgestellt ist und Absicherungen wie Rolfes benötigt.Dass Ballack zuletzt dennoch den Vorzug bekam, hatte sicherlich auch damit etwas zutun, dass Bayer gegen Köln, in München und gegen Genk in Serie Probleme im Vorwärtsgang hatte und einen offensiven Strategen wie Ballack benötigte. Insbesondere gegen Wolfsburg ging das Vorhaben des Trainers voll auf, war doch Ballack einer der besten Spieler auf dem Platz.
Wer darf gegen Valencia ran?
Man könnte meinen, das Dutt in der Champions League gegen die kombinationsstarken Offensivspieler Valencias erneut auf Rolfes setzt, um wieder etwas mehr Kompaktheit und Sicherheit im Mittelfeld zu gewährleisten, aber beachtlicher Weise sind Rolfes' Zweikampfdaten in der Champions League schlechter als die von Ballack: Während Rolfes nur 37 Prozent seiner Zweikämpfe gewann, steht Ballacks Wert bei 46,4 Prozent. Ballack hat im Durchschnitt auch mehr Ballkontakte auf dem Konto, was für den Einsatz des "Capitanos" sprechen würde. Dutt verzichtete in der Champions League bisher aber nicht auf Rolfes und das wird er wohl auch diesmal kaum tun. Möglich ist, dass beide Strategen gleichzeitig spielen, wie es Dutt schon beim Gastspiel gegen den FC Chelsea versuchte - jedoch auch nur eine Stunde. Sicher spielen wird dagegen erneut Lars Bender...
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Ein Fixpunkt namens Lars B.
Wie hoch der Stellenwert von Lars Bender bei Bayer Leverkusen ist, bewies das Gladbach-Spiel: Trainer Dutt musste sich nach eigenen Angaben zwischen Ballack und Bender entscheiden, um einen Wechsel vorzunehmen - und schickte Ballack frühzeitig zum Duschen. Dutt legte früh fest, dass sein einziger "Mischtyp" Lars Bender einen festen Platz in der Stammelf bekommt.Bender ist zweikampfstark, sucht viele Zweikämpfe und ist auch passsicher - entscheidend ist auch die Fähigkeit Benders - im Vergleich zu Rolfes und Ballack - noch schneller umzuschalten. Ballack und Simon Rolfes agieren dagegen mehr im Raum und vor dem Hintergrund der schwachen Bayer-Defensive braucht Dutt im Mittelfeld vor der Abwehr eine "Arbeitsbiene" wie Bender.
Die Statistiken belegen, wie wertvoll Bender für Bayer ist: Seine Fehlpassquote ist verschwindend gering (11 Prozent), sein Ballbesitz (62 im Schnitt) ordentlich und seine Akribie in den Zweikämpfen beachtlich: Mit 202 Zweikämpfen ist Bender der fleißigste Spieler im Bayer-Kader (zum Vergleich: Rolfes 137): 55 Prozent gewann Bender im Durchschnitt, was für einen defensiven Mittelfeldspieler durchaus ausbaufähig ist. Auch in der Offensive ist Bender nicht allzu oft präsent, war bisher an neun Torschüssen beteiligt. Dutt wird gerade letzteres damit entschuldigen, dass Bender andere Aufgaben hat - und die meistert der Youngster mit Bravour.
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