Der Revoluzzer aus dem Show-Business

Von Christian Bernhard
Aurelio De Laurentiis hat Napoli in sieben Jahren von der 3. Liga in die Champions League geführt
© Imago

Präsident Aurelio De Laurentiis hat den SSC Neapel in sieben Jahren von Italiens 3. Liga in die Champions League geführt. Schluss soll damit aber noch lange nicht sein. Italiens größter Filmproduzent will Napoli zu einem Topklub in Europa machen und legt sich gerne mal mit den Institutionen an. So will er beispielsweise die Champions League abschaffen und zusammen mit Karl-Heinz Rummenigge eine europäische Superliga gründen. Das Porträt eines feurigen Mannes.

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83,4 Millionen Dollar hat der im Jahr 2004 produzierte Kinofilm "L.A. Crash" eingespielt. Zwei Jahre später gewann das Drama mit Sandra Bullock und Matt Dillon in den Hauptrollen überraschend drei Oscars, einen davon als "Bester Film". Topfavorit "Brokeback Mountain" schaute blöd aus der Wäsche.

Aurelio De Laurentiis hat das auch gefreut. Der heute 62-Jährige vertrieb den Film in Italien, er ist der größte Filmproduzent des Landes. Noch mehr gefreut haben dürfte sich De Laurentiis 2004 aber über sein ganz persönliches Meisterwerk: den Erwerb der "Napoli Soccer" AG. Das war alles, was nach dem Konkurs des SSC Neapel vom glorreichen Traditionsklub übrig geblieben war. Das Team musste damals in der Serie C1, der 3. italienischen Liga, neu starten.

Sieben Jahre später spielt der SSC Neapel in der Champions League. Ja, der Verein heißt wieder SSC Neapel, das war De Laurentiis ein großes Anliegen. 2006 hatte er auch diesen Kampf gewonnen und den alten Namen zurück erkämpft.

"Du legst das Geld auf den Tisch, dann siehst du das Kamel"

De Laurentiis ist ein Kämpfer. Einer, der sich mit den Institutionen anlegt. Einer, der auch mal über das Ziel hinausschießt und provoziert. Alles zugunsten Napolis. "Ich habe die Liebe zu Neapel nie verloren", sagte er im Interview mit Neapels Tageszeitung "Il Mattino". "Dieses Gefühl, dass mir von meinem Großvater und Vater übertragen wurde, trage ich ganz tief in mir."

Dieses Gefühl und De Laurentiis harte Arbeit haben den SSC wieder dahin gebracht, wo er nach eigenem Befinden hingehört: in die Elite des europäischen Fußballs, die Champions League. Oder um es in seinen Worten auszudrücken: "Nachdem Napoli viele Jahre eine große Leere zu ertragen hatte, möchte es jene Rolle zurück, die ihm aufgrund der unfassbaren Fans zusteht."

Um in der Elite zu bleiben, hat De Laurentiis seinen fußballerischen Juwelierladen geschlossen. Nicht erst seit gestern baggern europäische Topteams sein Traumtrio Hamsik-Lavezzi-Cavani an. Der Präsident wies aber alle in seiner unnachahmlichen Art zurück. "Hattet ihr Zweifel daran, dass die Drei bleiben würden", fragte er nach Ende der Sommer-Transferperiode die Journalisten. "Meine Maxime ist: 'Du legst das Geld auf den Tisch, dann siehst du das Kamel.' In sieben Jahren habe ich dieses Geld noch nicht gesehen."

Neapel ist stolz auf seinen Präsidenten und auch die Spieler wissen um die Wichtigkeit ihres Vorgesetzten. "So einen Präsidenten wie ihn braucht Neapel. Seit er vor sieben Jahren sein Werk in der 3. Liga begonnen hat, hat er sehr gute Aufbauarbeit geleistet. Er hat es geschafft, dass Neapel wieder eine starke Mannschaft hat", sagte Gökhan Inler im Gespräch mit SPOX.

"Er ist einer, der für den Fußball lebt und in jedem Spiel auf 100 ist. Er möchte seine Mannschaft mit Erfolgen sehen."

Gökhan Inler im SPOX-Interview

Statt die Topspieler ziehen zu lassen, wird das Team Jahr für Jahr punktuell verstärkt. Diesen Sommer kam Inler, 2010 Cavani, 2009 Morgan De Sanctis, 2008 Christian Maggio und 2007 Hamsik sowie Lavezzi. Im Sommer 2012 dürfte Giuseppe Rossi ganz oben auf der Liste stehen.

"Er ist eine herausragende Persönlichkeit. Ich werde weiter mit den Spaniern verhandeln, um ihn kommendes Jahr nach Neapel zu holen", sagte De Laurentiis im September ganz offen über den Villarreal-Stürmer.

Filmreifer Auftritt bei der Vorstellung des Serie-A-Spielkalenders

De Laurentiis und das Wahrzeichen Neapels haben eines gemeinsam: sie brechen gerne mal aus. Der Vesuv zuletzt 1944, De Laurentiis im Juli dieses Jahres. Da wurde in Mailand der neue Serie-A-Spielkalender vorgestellt.

De Laurentiis hatte im Vorfeld gefordert, jene Vereine zu schützen, die Italien im Europapokal vertreten. Was dann kam, brachte den Napoli-Präsidenten auf die Palme: Am 3. Spieltag bekam der SSC den AC Milan - vier Tage nach dem Champions-League-Debüt. Am sechsten Spieltag Inter - drei Tage nach der zweiten Partie in der Königsklasse.

De Laurentiis stürmte daraufhin laut schimpfend aus dem Saal, seine Wortwahl hätte dabei feinfühliger sein können. "Ihr seid Schei...! Das war's, ich kehre wieder zum Kino zurück. Ich schäme mich Italiener zu sein." Dann stoppte er einen Jungen, schwang sich zu ihm auf das Moped und brauste davon - ohne Helm.

De Laurentiis kann ganz schön unbequem werden. Haltmachen vor großen Namen und Institutionen? Nicht mit ihm! Selbst die Champions League, den Wettbewerb, den die Neapolitaner nach 21 Jahren langen Wartens in vollen Zügen genießen, greift er an. Warum? De Laurentiis will eine europäische Superliga.

"Die ganze Champions League ist nur eine Inszenierung. Wieso soll man einen Wettbewerb fortführen, der 1,5 Milliarden Euro bringt, wenn alleine wir Präsidenten zehn Milliarden einbringen könnten? Ihr werdet sehen, in zwei, drei Jahren machen wir unsere eigene Liga mit den großen Klubs Europas", prophezeit er.

Seine Vision: Eine europäische Topliga mit 40 Vereinen, den acht größten aus Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland und England. Außerdem würde De Laurentiis die Europa League abschaffen, denn sie sei "heute nichts mehr wert".

Angehen will De Laurentiis dieses Projekt zusammen mit Karl-Heinz Rummenigge. "Ich schätze Rummenigge sehr. Hoffentlich bringen wir diese Liga auf den Weg - ohne schülerhafte Vorgaben von oben."

Platini: Er wird sehen, dass eine Revolution nicht immer möglich ist

Die Reaktion der UEFA auf diese Idee ließ nicht lange auf sich warten. "De Laurentiis ist ein engagierter Mann mit viel Enthusiasmus, der spät in die Fußballwelt eingetreten ist: Er sieht die Dinge von seinem Standpunkt aus", sagte Michel Platini der "Gazzetta dello Sport".

"Er wird aber feststellen, dass es den Fußball bereits seit 100 Jahren gibt. Und um in einen Super-Verband einzutreten, musst du auch etwas gewonnen haben: wer entscheidet, wer daran teilnimmt? Die Vereine selbst? Er möchte eine Revolution starten, aber er wird bemerken, dass das nicht immer möglich ist", sagte der UEFA-Präsident.

Gegenwind ist De Laurentiis nicht neu. Den bekommt er regelmäßig auch in Italien - kein Wunder bei seinen oft provozierenden Auftritten. "De Laurentiis ist noch nicht in der Fußballwelt angekommen. Anscheinend führt er sich hier auf, wie im Showgeschäft. Aber die Fußballwelt ist anders als die Kinowelt", sagte FC-Genua-Präsident Enrico Preziosi nach dem Eklat bei der Spielkalender-Vorstellung. "Beleidigt zu werden und sich anhören zu müssen, dass er alles und alle anderen nichts drauf haben - so läuft es nicht. Der Ruhm der Fußballwelt bekommt ihm anscheinend nicht gut, er kann noch nicht mit ihm umgehen."

De Laurentiis polarisiert, denn er hat auch für Italien revolutionäre Pläne: Ginge es nach ihm, hätte die Serie A nur noch 16 Mannschaften und es gäbe keinen Abstieg mehr. Stattdessen sollten jene Teams, die auf den letzten Plätzen landen, Geldstrafen zahlen. Die Serie B soll dann die Jugendteams der Erstligisten plus provinzielle Traditionsklubs beherbergen.

"So wie Barca bekommen wir Kraft von der Liebe unserer Leute"

Europas und Italiens Fußball zu reformieren und umzugestalten: Nichts Geringeres möchte der Mann aus Italiens Süden. Doch im Mittelpunkt steht immer der SSC Neapel.

De Laurentiis ist fest davon überzeugt, dass sein Projekt weiter wächst und verweist stolz darauf, dass sein SSC "seit vier Jahren schwarze Zahlen schreibt." Im Sommer besuchte er den FC Barcelona und ließ sich alles genauestens zeigen: das Stadion, das Museum, die Cantera.

"Ich glaube, dass Napoli das Potenzial hat, eine Fußball-Macht zu werden. In den sieben Jahren haben wir in unserem Kleinen bereits etwas geleistet. Aber ich habe weiterhin ganz viele Ideen. Barca hat die Titel, aber wir haben unsere Geschichte und unbezahlbare Fans. Und wenn ich sage, dass wir eines Tages da sein möchten, wo sie jetzt sind, übertreibe ich nicht. So wie Barca bekommen wir die Kraft von der Liebe unserer Leute", sagte De Laurentiis am Ende des Besuchs in Katalonien.

Auch in Manchester hat er beide Vereine, United und City, genau unter die Lupe genommen - und dasselbe wird er jetzt in München tun. Die Allianz Arena hat es ihm angetan, denn er will das San-Paolo-Stadion neu gestalten. "In fünf bis sieben Jahren werden wir ein neues San Paolo haben", sagt er.

Viel Arbeit für den Mann, der auf den Filmfestivals und Ehrungen dieser Welt Stammgast ist. Die Kraft dafür holt sich der Film-Mann in seinem Inneren: "Die Emotionen sind bei mir zuhause."

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