Bodo Schmidt schaltete sich nach vorne ein. Mit etwas Glück und noch mehr Willenskraft bugsierte der Abwehrspieler die Kugel zu Lars Ricken in den Strafraum. Der damals 18-Jährige fackelte nicht lange und knallte den Ball mit der Innenseite unter die Latte - in der 119. Minute (Video).
Dortmund hatte nach einiger Zeit mal wieder ein echtes Fußballwunder vollbracht. Am 6. Dezember 1994 gewann der BVB mit 3:1 nach Verlängerung gegen Deportivo La Coruna und zog ins UEFA-Cup-Viertelfinale ein.
Damit die Borussia exakt 17 Jahre später den Einzug ins Achtelfinale der Champions League verwirklicht, muss jedoch mehr her, als nur ein 0:1 aus einem Hinspiel umzubiegen.
SPOX klärt vor dem Duell am 6. Spieltag gegen Olympique Marseille (20.30 Uhr im LIVE-TICKER und bei Sky) die wichtigsten Fragen.
Was muss passieren, um in der Champions League zu überwintern?
Eine Menge. Das Achtelfinale ist nur dann überhaupt theoretisch in Aussicht, wenn Dortmund den direkten Vergleich gegen OM (zuletzt 15 Punkte aus den letzten sechs Spielen) für sich entscheidet. Nach dem 0:3 in Frankreich bedeutet dies: 4:0, 5:1, 6:2, also Siege mit mindestens vier Toren Unterschied.
Nach der Pleite beim FC Arsenal verbreiteten ein paar BVB-Spieler angesichts der Tatsache, dass in der Bundesliga bereits einige Kantersiege in Heimspielen gelangen, dezente Zuversicht. Gelingt dies tatsächlich, müssen jedoch auch noch die Gunners mitspielen und ihr bedeutungsloses Match gegen Olympiakos Piräus gewinnen.
"Ich kenne ihn als fairsten Trainer der Welt", sagte Jürgen Klopp in Richtung Arsenal-Coach Arsene Wenger. Angesichts von noch fünf Ligaspielen im Dezember ist dennoch davon auszugehen, dass die Gunners rotieren und einige Spieler schonen werden.
Geht die Partie in Griechenland unentschieden aus - das exakte Ergebnis ist dabei egal - muss der BVB mit mindestens fünf Toren Differenz gewinnen. Grund hierfür ist der Dreiervergleich zwischen Dortmund, Piräus und Marseille, den die Borussia in diesem Fall aufgrund des besseren Torverhältnisses für sich entscheiden würde.
In der Historie sind bislang lediglich fünf Teams mit sieben Punkten aus der Gruppenphase weitergekommen: Legia Warschau (1995/96), Dynamo Kiew (1999/00), Lokomotive Moskau (2002/03), Glasgow Rangers und Werder Bremen (beide 2005/2006).
Die Tabellenkonstellation mit dem Champions-League-Tabellenrechner ausrechnen!
Was muss passieren, um in der Europa League zu überwintern?
Wird der direkte Vergleich gegen Marseille durch einen Sieg mit mindestens vier Toren Differenz gewonnen, ist der BVB sicher Dritter und bleibt auch im neuen Jahr international dabei. Ein Sieg mit einer geringeren Tordifferenz würde erneut die Hilfe der Engländer bedingen.
Schafft es Dortmund nicht, die Südfranzosen zu schlagen, werden die Westfalen zukünftig in einem Atemzug mit dem VfB Stuttgart genannt und wären zusammen mit den Schwaben (2007) der einzige deutsche Meister, der in der Gruppenphase als Letzter ausschied.
Was würde ein Einzug ins CL-Achtelfinale bedeuten?
Schafft der BVB tatsächlich das Wunder, würde dies Verein wie Mannschaft natürlich unheimlich Auftrieb und Selbstbewusstsein für den Rest der Saison geben. Die Weiterentwicklung der Spieler auf höchstem Niveau wäre garantiert, ein drohender Imageschaden behoben.
Zudem würde das Konto allein durch die Achtelfinalteilnahme mit drei Millionen Euro aufgefüllt werden.
Was würde das Überwintern in der Europa League bedeuten?
Erstmal gingen dem Verein die eben angesprochenen drei Millionen Euro durch die Lappen. Spott und Häme würden sich zudem in Grenzen halten. Allerdings wäre die Erwartungshaltung im "kleineren" Wettbewerb deutlich höher, das Viertelfinale dürfte dann das Minimalziel sein.
Ungeachtet der öffentlichen Interessen wäre für den Kader jedoch die Tatsache am wichtigsten, erstmals unter Jürgen Klopp auch nach der Winterpause in einem europäischen Wettbewerb vertreten zu sein. Die vom Verein angestrebte, stetige Weiterentwicklung der Mannschaft würde durch die kontinuierliche Doppelbelastung um eine neue Facette erweitert.
Welchen "Vorteil" hätte ein Scheitern auf internationalem Parkett?
Die Doppelbelastung - lässt man ein mögliches Weiterkommen im DFB-Pokal außer Acht - würde in der Rückrunde wie schon im Vorjahr wegfallen. Damals stieg die Punkteausbeute jedoch nicht automatisch an (32 Punkte ohne, 43 Zähler mit Doppelbelastung).
Dortmund könnte sich zumindest aber ganz auf die Bundesliga konzentrieren und möglicherweise bis zum Ende ein Wörtchen um den Titel mitreden. Angesprochen auf ein mögliches Aus bekräftigte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke erneut, worauf beim BVB der Fokus liegt: "Es wäre schlimmer, wenn wir in der Meisterschaft nur im Mittelfeld dümpeln würden."
Wie sieht die personelle Situation beim Meister aus?
Eine Änderung ist sicher: Nach der dritten Gelben Karte muss Linksverteidiger Marcel Schmelzer aussetzen. Er wird wie gewohnt durch Chris Löwe ersetzt, der damit sein Debüt in der Champions League feiern wird. Zur Verdeutlichung: Im Mai trat Löwe noch gegen den FC Oberneuland an.
"Das ist fast ein kleines Märchen", sagt der 22-Jährige daher und kündigt an: "Es hilft nichts, wenn ich aufgeregt bin und mich verrückt machen lasse. Das bringt nichts. Ich werde versuchen, so cool wie möglich zu bleiben."
Unter Berücksichtigung der letzten Trainingseindrücke kurzfristig entscheiden wird sich der Einsatz von Sechser Moritz Leitner. Rücken- und Brustwirbelprobleme machten zuletzt in Gladbach einen Einsatz des Youngsters unmöglich. Für ihn stünde erneut Ilkay Gündogan bereit.
Sorgen bereitet auch Sebastian Kehl. Der 31-Jährige erlitt am Wochenende einen Schlag aufs Kreuzbein, das nun angeschwollen ist. "Wir werden ein paar Spritzen reinpfeffern und versuchen, dass es wieder funktioniert", so Kehl.
Durchaus möglich ist zudem, dass Klopp wie schon im Derby gegen Schalke Lucas Barrios wieder von Beginn an bringen wird, um die Durchschlagskraft noch einen Zacken zu erhöhen. Angesichts der tollen Form, in der sich Robert Lewandowski seit Wochen befindet, bliebe für Shinji Kagawa in diesem Fall nur ein Platz auf der Bank.
Was sagen die Beteiligten?
Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke: "Wir müssen gewinnen, und im Spielverlauf werden wir sehen, wie hoch wir gewinnen müssen. Ich persönlich glaube, dass Arsenal auch eine gute Chance hat in Piräus; egal, ob da alle Spieler spielen oder nicht. Unsere Chance liegt bei drei Prozent und die wollen wir nutzen."
Sportdirektor Michael Zorc: "Wenn uns in der ersten Halbzeit das eine oder andere Tor gelingt, dann ist alles möglich im Fußball."
Sebastian Kehl: "Wir gehen relativ entspannt in dieses Spiel, weil wir natürlich wissen, dass es ein wichtiges Spiel ist, aber wir durch die Konstellation in den vergangenen Wochen ein bisschen in der Außenseiterrolle stehen. Wir werden versuchen, Powerfußball zu spielen, die Partie sehr offensiv anzugehen, am Anfang gleich zu stürmen, um vielleicht die kleine Chance auf ein Wunder möglich zu machen. Aber viele Mannschaften haben in dieser Gruppe leider am Ende die Nase vorne gehabt. Wir haben uns teilweise ein bisschen blöd angestellt, und deswegen stehen wir jetzt auf einer ungünstigen Position, müssen auch hoffen, dass das andere Spiel dementsprechend ausgeht. Die Chance weiterzukommen, ist sehr gering."
Robert Lewandowski: "Der Druck viele Tore erzielen zu müssen, darf für uns kein Thema sein."
Champions League: Dortmunds Gruppe F im Überblick