Der Preis der Unbesiegbarkeit

Von Florian Bogner
FC Barcelona: Top-Favorit auf den Champions-League-Titel oder Team auf dem absteigenden Ast?
© Getty

Der FC Barcelona schreibt den Liga-Titel angesichts von zehn Punkten Rückstand auf Real Madrid inoffiziell ab. Die Verschleißerscheinungen im Kader sind mittlerweile enorm, was man nicht zuletzt an Leistungsträgern wie Lionel Messi festmachen kann. Vor dem Champions-League-Achtelfinale (Di., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER und bei Sky) kann sich Bayer Leverkusen deswegen aber keineswegs in Sicherheit wiegen.

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Pep Guardiola fasste das fragile Gemüt seiner Landsleute kürzlich treffend zusammen. "Wir Katalanen sind im Allgemeinen ängstlicher", erklärte er vor einigen Wochen im Vorfeld des Liga-Spiels gegen Real Betis und verwies dabei auf historischen Kontext.

Generell sei es in Katalonien nicht besonders weit her mit dem Selbstvertrauen, man sei eben zu oft unterdrückt worden. Das gelte auch im Fall des FC Barcelona, fuhr Guardiola fort. "Vor ein paar Jahren war Real Madrid zwölf Punkte zurück und glaubte immer noch an den Titel. Wenn wir aber zwölf Punkte hinten liegen, hängen wir uns auf", meinte der Barca-Coach damals sarkastisch.

Durchhalteparolen statt Kampfansagen

Seit Sonntag sind es in der Primera Division nunmehr zehn Punkte, die Barcelona den Königlichen aus der Hauptstadt hinterherhinkt, und kaum ein Barca-Anhänger scheint mehr an die Titelverteidigung der Blaugrana zu glauben. Es scheint so, als hätte Guardiola mit seiner Aussage den Nagel auf den Kopf getroffen.

Während in Madrid der "madridismo", eine Art spanisches "mia san mia" gepflegt und zelebriert wird, bläst man in Barcelona stattdessen oftmals vorschnell den Blues. Dabei ist es Barca in der Geschichte der Liga schon fünfmal gelungen, einen Rückstand von mehr als sieben Punkten aufzuholen und am Ende doch noch Meister zu werden - so oft gelang das keinem anderen Team.

So flüchtete sich der Trainer des katalanischen Aushängeschilds nach der 2:3-Niederlage bei CA Osasuna zumindest in Durchhalteparolen.

"Die Wahrheit ist, dass wir einen deftigen Rückstand auf Madrid haben, aber wir müssen bis zum Ende fighten", sagte Guardiola, der sein Team unter der Woche noch ins Endspiel der Copa del Rey geführt hatte - ins zwölfte Finale in Guardiolas dreieinhalbjähriger Amtszeit.

"Wir sind keine Maschinen"

Die Gesamtbilanz ist nach wie vor positiv, doch mit dem Titeldurst der Katalanen gehen auch gewisse Verschleißerscheinungen einher. "Wir sind keine Maschinen, die man einfach an- und ausschalten kann", stellte Kapitän Carles Puyol nach der Niederlage klar.

Mit dem Kapitän auf dem Platz hatte Barca zuvor seit April 2010 kein Spiel mehr verloren - damals zog man gegen Inter Mailand im Champions-League-Halbfinale den Kürzeren. Nun hat es Barca erstmals wieder mit Puyol in der Startelf erwischt. In Pamplona hatte Guardiola schon mit seiner Aufstellung für Aufsehen gesorgt.

Statt der angeschlagenen Weltmeister Andres Iniesta und Xavi sowie des müden Cesc Fabregas und in Abwesenheit von Sergi Busquets (verletzt) und Seydou Keita (Afrika Cup) bildeten Thiago Alcantara, Javier Mascherano und Youngster Sergi Roberto das Mittelfeld - Rotation lautete einmal mehr die Devise.

Messi mit 241 Spielen in nicht mal vier Jahren

Guardiola bleibt mitunter gar nichts anderes übrig. Da in dieser Saison mit Iniesta, Xavi, David Villa, Gerard Pique, Puyol, Busquets, Pedro, Alexis Sanchez, Adriano, Ibrahim Afellay und Andreu Fontas schon eine Vielzahl an Spielern mit Muskel- und Bänderverletzungen zu tun hatte, muss der Barca-Coach die Einsatzzeiten seiner Profis gefühlvoll dosieren - auf Kosten von Ergebnissen.

Die, die vom Verletzungspech verschont blieben, wirken derweil überspielt. Lionel Messi ist das beste Beispiel. Der Argentinier muss sich seine Kräfte auf dem Platz mittlerweile einteilen. Kein Wunder, angesichts von sage und schreibe 241 Pflichtspielen für Klub und Nationalmannschaft seit Juni 2008.

Zum Vergleich: Die deutschen Dauerbrenner Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm kommen im selben Zeitraum auf 198 bzw. 209 Partien - ohne die fortwährenden Reisestrapazen mit Übersee-Flügen nach Südamerika, denen Messi zusätzlich ausgesetzt ist.

"Physisch und psychisch voll auf der Höhe"

Offiziell will man von einer Müdigkeit im Kader natürlich nichts wissen. "Ich habe nicht das Gefühl, dass wir müde sind. Am Samstag haben wir bis zum Schluss alles gegeben. Sicher sind manche Spieler schon mal über ihre Grenzen gegangen und wir haben rotieren müssen, aber mehr nicht", meinte Sportdirektor Andoni Zubizarreta vor dem Abflug gen Leverkusen.

Auch wenn Zubizarreta sagt: "Das Team ist physisch und psychisch voll auf der Höhe" - auf dem Platz sieht man deutlich, wer bereits im roten Bereich angekommen ist. So hatte Barca zuletzt auch auf mentaler Ebene Probleme. Es sind nicht die Reals oder Milans, die dem Champion aller Klassen Kopfzerbrechen bereiten - es sind Teams wie Osasuna, Espanyol oder Getafe.

Gerard Pique leistete sich beispielsweise unerklärliche Stellungsfehler, Keeper Victor Valdes spielte in Pamplona nicht zum ersten Mal einen folgenschweren Fehlpass. Was den Barca-Stars bleibt, ist um Geduld zu bitten.

Auf zu neuen Zielen

"Wir geben die Liga nicht auf. Der Abstand wächst zwar, aber ich bitte die Fans ruhig zu bleiben und uns weiter beizustehen, weil wir sie mehr brauchen denn je", sagte Pique.

Aus Sicht von Bayer Leverkusen ist der einst übermächtig erscheinende Gegner FC Barcelona vielleicht ein bisschen gestutzt worden, aber dennoch klar in der Favoritenrolle. Angesichts der misslichen Ausgangslage in der Liga werden in Katalonien nun andere Prioritäten gesetzt.

"Dann werden wir jetzt eben versuchen, den Titel in Europa zu verteidigen", sagte Guardiola nach der Niederlage bei Osasuna. Und es klang nicht nach Trotz, sondern eher wie eine Drohung.

Barcelonas vorläufiger 22er-Kader: Valdes, Pinto, Oier, Dani Alves, Adriano, Bartra, Puyol, Pique, Abidal, Busquets, Mascherano, Sergi Roberto, Thiago, Messi, Pedro, Alexis Sanchez, Xavi, Iniesta, Fabregas, Cuenca, Tello, dos Santos

Der gesamte Kader des FC Barcelona

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