"Chelsea sieht mich als Nachfolger von Petr Cech. Es wird zwar nicht in ein oder zwei Jahren passieren, aber in drei, vier oder fünf Jahren", sagte Courtois am 16. Juli 2011. Damals gab der Londoner Klub bekannt, dass er den damals 19-Jährigen für neun Millionen Euro vom KRC Genk gekauft hatte, um ihn direkt an Atletico Madrid zu verleihen.
Eine realistische Einschätzung - mit dem damals 29-jährigen Cech war Chelsea fürs Erste gut aufgestellt, das Vertrauen in das Potenzial von Courtois demonstrierte wiederum der Fünfjahresvertrag für den Belgier.
Courtois kam damals mit der Empfehlung eines belgischen Meistertitels sowie der Auszeichnung als belgischer Torwart des Jahres in seiner allerersten Saison als Stammkeeper. Damit war er einem Weg gefolgt, der schon früh in seiner Kindheit vorgezeichnet zu sein schien.
"Kann etwas besonderes werden"
Als Sohn der beiden belgischen Volleyballprofis Thierry und Gitte Courtois probierte er sich im Sport seiner Eltern und im Fußball aus, ehe er sich für letzteres entschied. Bis zum Alter von zehn Jahren war er dabei als Außenverteidiger aktiv, bis ihn sein Jugendcoach Gilbert Roex zum Torwart umfunktionierte.
"Er war ein entspannter Junge und hat alles leicht gelernt", erinnert sich Roex, "er hatte damals schon die richtige Körper-Koordination und diese unfassbaren Reflexe. Wir haben uns gedacht, dass er etwas besonderes werden kann."
Auch seine Freunde mussten beim Kicken mit Courtois schon früh zu ungewöhnlichen Mitteln greifen: Wo sich sonst fast jeder davor drückt, sich zwischen die Pfosten zu stellen, wurde ihm genau das verboten. "Wir konnten gegen Thibaut keine Tore schießen, das hat keinen Spaß gemacht. Also musste er als Feldspieler ran", erklärt Jugendfreund Jens Brulmans.
Nach dem Durchbruch in Genk sollte es für das Talent also über den Umweg England Richtung Spanien gehen. Chelsea gab ihm zu verstehen: 'Hol Dir in Spanien Spielpraxis, entwickle Dich weiter, dann gehört Dir auch bei uns die Zukunft.'
Lehrjahre in Spanien
Mittlerweile wurde die Leihe zweimal verlängert, Courtois absolviert heuer bereits seine dritte Saison bei Atletico. Spätestens seit dieser Spielzeit ist jedoch klar, dass es für den 21-Jährigen nicht mehr viel zu lernen gibt. Seine Bilanz in Madrid lässt kaum noch Wünsche offen.
Als Nachfolger von David de Gea zeigte er schon in der ersten Saison teilweise unfassbare Leistungen und blieb unter anderem in fünf seiner ersten sieben Pflichtspiele ohne Gegentor. Später in der Saison folgte eine Phase von 578 gegentorlosen Minuten.
Und auch beim größten Triumph der Saison - dem Europa-League-Finale gegen Athletic Bilbao - musste der Youngster nicht ein Mal hinter sich greifen. Champions-League-Sieger Chelsea und Atletico verlängerten die Leihe wenig später um ein Jahr, sodass Courtois seinem eigentlichen Team im europäischen Supercup gegenüberstehen sollte.
"Der Beste der Welt!"
Auch dieses Finale gewann Atletico mit 4:1 überzeugend. Es war der Startschuss für eine Saison, die Courtois' Premiere in Spanien noch um einiges übertreffen sollte.
Die Rojiblancos belegten am Ende den dritten Platz in La Liga, vor allem auch deshalb, weil sie die wenigsten Gegentore kassierten. Courtois kassierte in 37 Ligaspielen nur 29 Tore und spielte sage und schreibe 20 Mal zu Null.
Abgesehen vom Supercup gewann Atletico zudem den spanischen Pokal. Im Finale gegen den verhassten Stadtrivalen Real war es der Keeper, der den Sieg in der Verlängerung mit einer unfassbaren Parade gegen Mesut Özil rettete.
Als er nach dem Spiel in der Mixed-Zone auf die Szene angesprochen wurde, kam ihm Filipe Luis in die Quere. "Was für eine Tat, bei meiner Mutter, was für eine Tat! Der beste Torwart der Welt!", brüllte der Verteidiger dem peinlich berührten 20-Jährigen über die Schulter.
Achtung von allen Seiten
Mittlerweile dürfte sich Courtois an die Superlative gewöhnt haben. Gerardo Martino, Jimmy Floyd Hasselbaink, Diego Simeone - sie alle haben ihn bereits öffentlich als einen der besten Torhüter der Welt bezeichnet, einige halten ihn sogar schon für gleichauf mit Manuel Neuer.
Die vergangene Welttorhüter-Wahl reflektiert diese Ansicht: Courtois belegte dort Platz vier. Mehr Stimmen als er erhielten nur Neuer, Gianluigi Buffon - und Petr Cech. Und genau hier ergibt sich das Dilemma.
Während Courtois sich in Spanien herausragend entwickelt hat, hat auch der Tscheche sein Handwerk keineswegs verlernt. Mit 31 Jahren denkt Cech gar nicht daran, seinen Stammplatz kampflos zu räumen: "Wenn Thibaut am ersten Tag der Saisonvorbereitung hier ist, ist er hier. Wenn nicht, dann nicht. Das ändert gar nichts. Ich habe keine Angst."
Gerüchte um die Zukunft
Für Chelsea ist die Lage schwierig. Cechs Verdienste stehen auf der einen Seite, auf der anderen ließ das Umfeld von Courtois schon mehrfach verlauten, dass er sich nicht bei den Blues auf die Bank setzen würde. Zudem will der Belgier unbedingt bald Klarheit haben.
Jose Mourinho wiederum lässt sich nicht in die Karten blicken und bietet damit Raum für Spekulationen. "Wir müssen uns nicht großartig anstrengen, um ihn zu halten. Er steht bei uns noch zwei Jahre unter Vertrag" sagte der Portugiese kürzlich, ohne auf Stammplatzthematik oder ähnliches einzugehen.
In den letzten Monaten kursierten daher die unterschiedlichsten Gerüchte, von einer Stammplatzgarantie bei Chelsea über Einigungen mit Real und Barca sowie einem Tausch, der Courtois im Austausch für Stürmer Diego Costa langfristig an Atletico binden würde.
Aufschub oder Lösung?
Den Gerüchten um Real und Barca hat Courtois mittlerweile selbst einen Riegel vorgeschoben. Eine Stammplatzgarantie wäre für Mourinho ungewöhnlich, für einen langfristigen Vertrag in Madrid fehlen Atletico die finanziellen Mittel, und abgeben will Chelsea ihn eigentlich ohnehin nicht.
Gleichzeitig betont Courtois, er sei "sehr glücklich" bei Atletico. "Ich will unbedingt spielen. Wenn das bei Chelsea nicht möglich ist und ich weiterhin hier bleiben könnte, wäre ich sehr glücklich." Vor diesem Hintergrund erscheint ein Kompromiss denkbar, von dem in den letzten Wochen vermehrt die Rede ist.
Angeblich wird der Torhüter bei Chelsea einen neuen Vertrag mit deutlich höherem Gehalt und mehr Laufzeit unterschreiben, mit der Aussicht, zunächst ein viertes Jahr an Atletico ausgeliehen zu werden. Damit wären alle Parteien zufriedengestellt - zumindest bis zum nächsten Jahr. Viel länger wird sich die Thronfolge aber nicht mehr aufschieben lassen.
Thibaut Courtois im Steckbrief