Einen Moment lang war Julian Nagelsmann ganz allein. Als Allerletzter stand der Trainer von 1899 Hoffenheim spät am Dienstag noch auf dem Rasen der Sinsheimer Arena, als wolle er den ersten Europacup-Abend seiner Karriere bis zum Schluss auskosten. Dass es gegen Jürgen Klopps großen FC Liverpool deutlich besser hätte laufen können, ja müssen, spielte da schon keine Rolle mehr.
"Wir haben ein gutes Spiel gemacht, und wir werden auch in Liverpool ein gutes Spiel machen, das kann ich versprechen", sagte der 30-Jährige nach dem 1:2 (0:1) im Hinspiel der Qualifikation zur Champions League, in dem die TSG "über weite Strecken die bessere Mannschaft" gewesen sei. Dennoch wartet am kommenden Mittwoch (20.45/Sky und ZDF) eine zumindest statistisch kaum lösbare Aufgabe.
An der legendären Anfield Road hat nämlich noch nie (!) ein deutsches Team gewinnen können - und Hoffenheim muss mindestens zwei Tore schießen, um in die Gruppenphase der Königsklasse einzuziehen. Doch Nagelsmann betonte das Positive. "Ich hätte uns auch zugetraut, ein 0:2 aufzuholen", sagte er: "Aber so ist es natürlich ein Stück weit leichter. Das ist einfache Mathematik."
Der eingewechselte Mark Uth (87.) hielt die Hoffenheimer Hoffnung am Leben. Der erst 18-jährige Trent Alexander-Arnold per Freistoß (35.) und TSG-Neuzugang Havard Nordtveit per Eigentor (73.) hatten den 18-maligen englischen Meister in Führung gebracht. Zuvor war Andrej Kramaric mit einem ganz schwach geschossenen Elfmeter an Liverpools Torwart Simon Mignolet gescheitert (12.).
Jürgen Klopp bleibt vorsichtig: "Halbzeit ist"
"Die Dinger haben wir uns selbst reingelöffelt", sagte der glücklose Stürmer Sandro Wagner, der das Stadion aber mit breiter Brust verließ: "Wir haben super Fußball gespielt und gesehen, dass Liverpool keine Übermannschaft ist. Wir hatten einfach Pech und können sehr selbstbewusst nach Liverpool fliegen."
Auch Klopp wusste, dass jetzt erst "Halbzeit ist, nicht mehr und nicht weniger". Zufrieden sei der frühere Meistercoach von Borussia Dortmund zwar, nur das Gegentor "ist natürlich ungünstig". Liverpool hätte "das ein oder andere Tor mehr" machen können, sagte Klopp, der bei seiner Rückkehr nach Deutschland außer "essen, schlafen, trainieren und spielen" kaum etwas erlebt habe.
Das wird für die Hoffenheimer am Mittwoch anders sein. "Wir brauchen Anfield. Und wir kriegen Anfield", kündigte Klopp an. Der Bundesligist wird im für viele hitzigsten aller englischen Hexenkessel bestehen müssen.
"Ich glaube nicht, dass die Spieler die Fangesänge übersetzen und denken, 'oh, jetzt ist's auf Englisch", sagte Nagelsmann: "Die hören nur, dass es laut ist - und das freut jeden." Auch Wagner glaubt nicht, dass die Fans eine Rolle spielen. "Die spielen ja nicht mit", sagte er.
Vor dem Abflug nach England steht für Hoffenheim aber der "Alltag" auf dem Programm. Am kommenden Samstag (15.30/Sky) tritt Werder Bremen zum Liga-Auftakt in Sinsheim an. "Auch wenn wir in den Play-offs zur Champions League spielen, ist das Größte, was man in Deutschland spielen kann, die Bundesliga", sagte Nagelsmann: "Darauf freue ich mich sehr."