Ein Hauch von Real Madrid und ein Rekord in der Champions League: Der BVB siegt deutlich - und präsentiert sich doch teilweise orientierungslos

BVB, Borussia Dortmund, FC Brügge, 1. Spieltag, Champions League
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Borussia Dortmund kommt beim FC Brügge zu einem schwerfälligen Auftaktsieg, aber auch einem Rekord in der Champions League. Nuri Sahin überrascht mit seiner Analyse. Am Wochenende steht dem BVB die erste Härteprüfung ins Haus.

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Behäbig sei das Passspiel gewesen, man habe nicht so viele Lösungen im letzten Drittel gefunden, das Konterpressing war nicht da. Das müsse definitiv besser werden, denn "heute war nicht alles gut". Den Aussagen von Borussia Dortmunds Kapitän Emre Can nach dem glanzlosen 3:0-Auftaktsieg in die neue Champions-League-Runde beim FC Brügge war nicht zu widersprechen.

"Wir nehmen die drei Punkte mit. Am Ende wird niemand fragen, wie wir das gemacht haben, sondern Hauptsache gewonnen", sagte Can abschließend bei DAZN. Doch da sollte er sich nicht so sicher sein. Sein Trainer Nuri Sahin wird garantiert thematisieren, wie es der BVB am Mittwochabend in Belgien gemacht hat. Und er muss es auch.

Sahin benutzt in seinen ersten Monaten als Dortmunder Coach zwei Lieblingswörter, die mit dem Buchstaben P beginnen - Prinzipien und Prozess. Will sagen: Um die spielerischen wie taktischen Grundprinzipien seines Fußballs einzuschleifen, benötigt es Geduld und Zeit. Die Entwicklung muss jedoch sichtbar und ergebnisstabil sein.

Letzteres war auch in Brügge der Fall, Dortmund hat unter Sahin noch nicht ein Spiel verloren. Der Auftritt der Westfalen versprühte gar einen Hauch von Real Madrid: Lange brachte der BVB nur wenig Zielstrebiges Richtung Tor zustande und sah sich nach 21 Spielminuten schon acht Torschüssen des mit zunehmender Spieldauer immer mutiger agierenden Gegners gegenüber. Doch als die Beine der Belgier etwas müder wurden, schlugen die frisch eingewechselten Beine der Gäste eiskalt zu.

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BVB: Der Prozess steht Anspruch und Realität noch im Weg

"Natürlich ist es auch eine Verpflichtung, heute mit voller Intensität und Professionalität ins Spiel zu gehen", hatte Sport-Geschäftsführer Lars Ricken vor dem Anpfiff gefordert. Auch Sahin wollte sehen, dass sein Team mit dem "Bewusstsein eines Champions-League-Finalisten" auftritt. "Diese Verantwortung tragen wir und müssen ihr auch gerecht werden. Wir müssen den Wettbewerb respektieren. Das will ich auch von den Jungs sehen, von der ersten bis letzten Minute. Das wird die Benchmark für uns sein", sagte der Coach.

Dass aktuell zwischen Anspruch und Realität noch der vielzitierte Prozess im Wege steht, war dann nach Anpfiff zu erkennen. Dortmund fehlten im Offensivspiel Tempo und Kreativität, aufgrund fehlender Breite im Spiel lahmte das Flügelspiel bis zur Einwechslung von Matchwinner Jamie Gittens extrem. "Wir haben den Hang, dass wir nach innen kommen, die Breite des Platzes nicht nutzen", sagte Julian Brandt.

Es gab kaum Zug zum Tor und daher auch so gut wie keine zielstrebigen Abschlussaktionen. Es mangelte dazu grundsätzlich an Bewegung und Freilaufverhalten, so dass der Vortrag des BVB meist so aussah: Zu langsames Zuspiel, Ball stoppen, nach Mitspielern suchen und ohne Raumgewinn wieder zu langsam abspielen. Presste Brügge dagegen früh, fehlte es wie so häufig unter Druck an Sicherheit und Ruhe am Ball.

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"Wirklich richtig gutes Spiel": Nuri Sahins Analyse überrascht

Doch gerade auch gegen den Ball zeigten sich die Dortmunder verwundbar und bisweilen gar orientierungslos. Besonders über den Sechserraum trug Brügge seine Angriffe oft vor, Can und Pascal Groß ließen in ihrem Rücken gleich mehrfach die Gegenspieler außer Acht.

Auch das Pressing funktionierte nur sehr unbeständig und wenig energetisch, so dass der BVB Probleme hatte, die Spielverlagerungen und Konter der Hausherren zu verteidigen. "Sie haben es gut geschafft, die Breite zu bespielen. Wenn wir versucht haben, sie defensiv auf eine Seite festzunageln, sind sie sehr gut herausgekommen", sagte Brandt.

Ein fußballerischer Schritt nach vorne war die Leistung in Brügge nicht, weshalb Sahins Analyse schon sehr überraschte: "Mit Ball haben wir das richtig gut gemacht, sowohl in der ersten als auch zweiten Halbzeit. Mit Ball war das ein wirklich richtig gutes Spiel von uns."

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Erste Härteprüfung für den BVB folgt in drei Tagen

Dass am Ende trotz der Unzulänglichkeiten ein auf dem Papier deutlicher Erfolg und das fünfte Pflichtspiel ohne Niederlage steht, dürfte dem Prozess gewiss zuträglich sein. Er wird aber in nur drei Tagen einer ersten Härteprüfung unterzogen.

Am Sonntag gastiert der BVB mit einem Tag weniger Pause beim VfB Stuttgart. Die Schwaben, die in der vergangenen Saison alle drei Partien gegen Dortmund gewannen und sicherlich erpicht darauf sind, diese Serie auszubauen, befinden sich bereits an dem Punkt, an den Sahin mit seiner Truppe kommen will.

Stuttgart ist trotz des personellen Umbruchs bereits jetzt schon recht weit und weitestgehend eingespielt. Die Prinzipien und Muster sitzen, selbst auf ungewohntem Terrain wie am Dienstag im Estadio Santiago Bernabéu in Madrid agiert die Mannschaft harmonisch ausbalanciert. Der Stuttgarter Fußball besitzt einen großen Wiedererkennungswert, unabhängig von Gegner und Stadien.

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BVB stellt gegen Brügge Champions-League-Rekord auf

Um dorthin zu kommen, hat Sahin noch eine Menge Arbeit vor sich und muss diese im laufenden Spielbetrieb voranbringen. Das Duell beim VfB dürfte ein erster Anhaltspunkt sein, wo der BVB derzeit steht und wie stabil das aktuelle Gebilde zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison wirklich ist.

Gegen Brügge war es das unter dem Strich - und bescherte der Borussia einen neuen CL-Rekord: Keine Mannschaft hat es in der Geschichte des Wettbewerbs zuvor geschafft, gegen einen bestimmten Gegner in den ersten fünf Aufeinandertreffen ohne Gegentor zu bleiben.

BVB: Die nächsten Spiele von Borussia Dortmund

Datum, UhrzeitWettbewerbGegner
So., 22. September, 17.30 UhrBundesligaVfB Stuttgart (A)
Fr., 27. September, 20.30 UhrBundesligaVfL Bochum (H)
Di., 1. Oktober, 21 UhrChampions LeagueCeltic FC (H)
Sa., 5. Oktober, 15.30 UhrBundesliga1. FC Union Berlin (A)
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