Matthias Sammer schaute nur kurz vorbei hinter der Tribüne des West Stands im Old Trafford. Der Sportvorstand des FC Bayern sparte sich seinen Weg rund um die Absperrgitter raus zum Mannschaftsbus, ging wieder zurück und verschwand ohne mit den wartenden Journalisten über das 1:1 bei Manchester United zu reden.
Dafür sprachen die Spieler vor der Herrentoilette neben Block W 106. Und sie sagten in etwa das Gleiche, was Sammer ein paar Minuten zuvor in seinem Statement im Fernsehen bei "Sky" über den Äther schickte.
"Manchmal will man nicht Recht haben. Aber Manchester hat das gespielt, was wir erwartet haben. Sie waren physisch stark, haben versucht, auf Konter zu spielen. Das haben sie exzellent gemacht, wir haben uns schwer getan", sagte Sammer dort.
Leicht negativer Touch
Auch Philipp Lahm, Manuel Neuer, Toni Kroos und Arjen Robben betonten nochmal, dass es sich bei Manchester United um eine internationale Top-Mannschaft handelt und man nicht im Vorbeigehen im Old Trafford gewinnt.
Den Bayern konnte nicht gefallen haben, dass seit der Auslosung quasi über eine Art Freilos für den Titelverteidiger schwadroniert worden war. Im Vorfeld wurde eigentlich nur über die Höhe des Sieges diskutiert.Es gab Zeiten, da wäre ein 1:1 auswärts im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinals mit Handkuss genommen worden. Doch die Bayern gingen als derart haushoher Favorit ins Rennen, dass das Remis schon fast einen leicht negativen Touch bekommen könnte.
United pflegt Underdog-Image
United hatte seine Außenseiterrolle in den letzten Tagen und Wochen gepflegt und es sich als Underdog gemütlich gemacht. Wo immer man Stunden vor dem Spiel mit Fans von United in Kontakt kam, ging es in erster Linie darum, nach den beiden 0:3-Klatschen gegen Manchester City und den FC Liverpool nicht die nächste Demütigung im Theatre of Dreams zu kassieren.
Entsprechend genügsam gaben sich die Fans auch in den 90 Minuten, in denen die Red Devils die Bayern zwar spielerisch nicht fordern konnten, mit ihrer ultradefensiven Ausrichtung die Münchner aber zumindest vor arge Probleme stellten.
Jeder Befreiungsschlag, jeder gewonnene Zweikampf wurde lautstark bejubelt. Es herrschte eine David-gegen-Goliath-Stimmung.
Wie in der Bundesliga
Für die Bayern war der Spielverlauf keine ungewohnte Situation, sie kennen diese Anforderungen aus dem Bundesliga-Alltag, nur das Kaliber des Gegners war anders. Im Prinzip laufen Spiele des FC Bayern München eigentlich immer gleich ab, von Spielen gegen 1899 Hoffenheim nach Meisterfeierlichkeiten mal abgesehen.
Die Münchner diktieren die Partie mit einem erdrückenden Plus an Ballbesitz und versuchten, sich dadurch ihre Chancen zu erspielen. Als große Gefahr hat Trainer Pep Guardiola schon früh in der Saison leichtfertige Ballverluste und Konter ausgemacht.
Dabei gilt es die richtige Balance aus Offensive und Defensive, aus Risiko und Zurückhaltung zu finden. Zu Beginn der Saison hat ihm die Ausgewogenheit im Spiel seiner Mannschaft oft gefehlt. Die Ergebnisse haben zwar gestimmt, mit der Art und Weise der Siege war Guardiola aber nur partiell zufrieden.
Dominanz ohne Torgefahr
Noch immer sieht er bei seiner Mannschaft in der Kontrolle des Rhythmus die größten Entwicklungsmöglichkeiten. Im Old Trafford dürfte ihm die Ballkontrolle der ersten Halbzeit ebenso gefallen haben wie das Gegenpressing.
Die Bayern waren kaum anfällig für Konter, weil der Gegner nach Ballverlust blitzschnell unter Druck gesetzt und der Ball sehr schnell wieder zurückgewonnen wurde. Nur als Jerome Boateng einmal eine verunglückte Grätsche ansetzte, kam Danny Welbeck zur größten Chance des ersten Durchgangs.
Es war ja auch ein Kuriosum dieses Spiels, dass die Bayern zwar die Dominanz im gegnerischen Stadion ausstrahlten, aber United die gefährlicheren Aktionen Richtung Tor hatte. Nicht nur Neuer fühlte sich an das Finale 2012 gegen den FC Chelsea erinnert.
Der letzte Pass hat gefehlt
Die Engländer verteidigten geballt tief in der eigenen Hälfte, die Verteidiger wichen sogar immer wieder bis in den Strafraum zurück. Nur fanden die Bayern aufgrund der Vollversammlung dann keine Lücken mehr oder sie verzettelten sich mit gut gemeinten Pässen.
"Wir haben sie so defensiv erwartet, aber den letzten Pass nicht gefunden. Wir hatten in der ersten Halbzeit vor allem über Außen mehr Möglichkeiten. Da hat dann aber die richtige Bewegung im Strafraum nicht gestimmt", sagte Lahm.
Wie in einem Trichter öffnete United die Flanken und lenkte die Angriffe ins Zentrum, nur dass dem Trichter das Loch fehlte, wo der Ball hindurch flutschen hätte können. Die vielen hohen Bälle waren für Rio Ferdinand und Nemanja Vidic leicht zu verteidigen, erst als in der zweiten Halbzeit Mario Mandzukic ins Spiel kam, war Bayern auch bei hohen Bällen ebenbürtig.
Nemanja Vidic' durchschnittliche Position gegen Bayern
Wer ersetzt Schweinsteiger?
United wird vermutlich auch im Rückspiel in München am kommenden Mittwoch erstmal nicht aus seiner Deckung kommen und auf einen Lucky Punch hoffen. "Wir wissen, dass wir uns etwas überlegen müssen, damit wir zu klaren Tormöglichkeiten kommen", sagte Neuer. Die Bayern werden etwas mehr Tempo und Risiko benötigen, um die Defensive zu knacken.
Auch personell muss Guardiola nach Lösungen suchen. Hatte er vor fünf Tagen noch ein Überangebot an zentralen Mittelfeldspielern, fehlen im Rückspiel mit Thiago (verletzt) sowie Javi Martinez und Bastian Schweinsteiger drei mögliche Kandidaten. Beim Blick auf den noch immer hochkarätig besetzten Kader dürfte Ersatz aber schnell gefunden sein, Mario Götze ist die erste Option.
Mit dem 1:1 haben sich die Bayern eine ordentliche Ausgangsposition für das dritte Halbfinale in Folge erspielt und unabhängig vom Personal ist für Lahm klar: "Wenn wir unsere Leistung abrufen, werden wir eine Runde weiterkommen."
Manchester United - Bayern München: Daten zum Spiel