Das Münchner Fußball-Publikum ist bekanntlich ziemlich verwöhnt: Traditionell bekommt es alljährlich einen Meistertitel geschenkt, manchmal ein Triple, dazwischen selbstverständlich viele Siege und noch mehr Tore. Trotz dieser chronischen Glücksgefühl-Überdosis lösten beim 2:0-Sieg gegen Paris Saint-Germain nicht nur die beiden Treffer von Eric Maxim Choupo-Moting und Serge Gnabry sowie der Schlusspfiff Ekstase auf den Rängen aus.
Ähnlich frenetisch bejubelt wurden Matthijs de Ligts spektakuläre Rettungstat auf der Linie beim Schuss von Vitinha (38.) und ein gewonnener Zweikampf von Leon Goretzka gegen Lionel Messis im Mittelfeld (43.). Die beiden darauffolgenden Urschreie des Münchner Publikums standen symbolisch für diesen großen Fußball-Abend.
Nach dem 1:0-Hinspielsieg gewann der FC Bayern das Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen PSG mit 2:0 und qualifizierte sich somit für das Viertelfinale. Ausschlaggebend dafür war vor allem die von den Fans zurecht bejubelte Defensivarbeit der Mannschaft. Die Pariser Superstars Kylian Mbappé und Lionel Messi waren abgemeldet, wirklich gefährlich wurde es einzig bei Vitinhas von de Ligt geblocktem Schuss.
"Es waren so viele geile Zweikämpfe dabei und das ist auch auf die Tribüne übergeschwappt", schwärmte Goretzka. Yann Sommer sagte: "Wir blocken viel weg und schmeißen uns rein. Wir finden es geil, unser Tor zu verteidigen."
Nagelsmanns richtige Personal- und Taktik-Entscheidungen
Schon beim Hinspiel in Paris hatte der FC Bayern PSG lange gut unter Kontrolle. Genauer: bis zur Einwechslung von Kylian Mbappé etwa eine halbe Stunde vor Schluss. Der französische Superstar erzielte damals sogar zwei Treffer, die wegen Abseitsstellungen aber zurecht nicht zählten. Drei Wochen lang wurde in München anschließend diskutiert: Wie bitteschön ist dieser Mbappé über ein komplettes Spiel auszuschalten?
Weil Benjamin Pavard gesperrt fehlte, vertraute Trainer Julian Nagelsmann rechts hinten auf Josip Stanisic als Mbappés Gegenspieler. Nach kleineren Wacklern in der Anfangsphase stabilisierte sich Stanisic und nahm den Superstar aus dem Spiel. Beim anschließenden Wettloben sprach Nagelsmann von "Weltklasse" und Sportvorstand Hasan Salihamidzic von einem "sensationellen" Auftritt.
Taktisch agierte der FC Bayern entgegen seinem eigentlichen Naturell phasenweise sehr abwartend, zog sich regelmäßig weit zurück und hatte am Ende sogar nur etwa 45 Prozent Ballbesitz - spektakulär wenig für Münchner Verhältnisse. "Unsere Mannschaft ist keine leidenschaftliche Truppe im tiefen Verteidigen. Die wollen lieber hoch verteidigen, aber manchmal geht das einfach nicht", erklärte Nagelsmann. Hintergrund: Dem flinken Mbappé sollten keine Räume für schnelle Antritte geboten werden.
"Wir wollten etwas abwartend agieren, den Raum hinter unserer Kette klein halten", sagte Müller, "und gleichzeitig wollten wir, wenn wir mal hoch pressen, richtig hoch pressen." Ganz oder gar nicht und ganz klappte vor allem nach dem Seitenwechsel wiederholt überragend. Am offensichtlichsten im Vorfeld von Choupo-Motings 1:0, als Müller im gegnerischen Strafraum Marco Verratti den Ball abluchste.
Julian Nagelsmann: "Matthijs liebt es zu verteidigen"
Dass es zu diesem Zeitpunkt noch 0:0 stand, war de Ligts grandioser Rettungstat Ende der ersten Halbzeit zu verdanken. Ausgelöst wurde Vitinhas Chance durch einen üblen Ballverlust von Sommer, der einzigen Münchner Unachtsamkeit des Abends. Als Entschädigung versprach der Keeper seinem niederländischen Kollegen "einen Lastwagen mit Schweizer Schokolade".
Nagelsmann kündigte zwar keine Süßspeisen-Lieferungen an, fand aber immerhin äußerst lobende Worte für seinen Abwehrchef. "Matthijs liebt es zu verteidigen", betonte der Trainer. "Neun von zehn Verteidigern" würden laut Nagelsmann in dieser Szene stehen bleiben: "Aber er hat einfach Bock zu verteidigen."
Dass ausgerechnet der seit Wochen formstarke de Ligt beim bisher wichtigsten Saisonspiel zum heimlichen Matchwinner des FC Bayern avancierte, war auch ein kleiner Triumph für Nagelsmann und Salihamidzic: Die Verpflichtung eines neuen Abwehrchefs war für den Trainer die oberste Priorität des vergangenen Transfersommers, mit de Ligt stellte ihm der Sportvorstand für 67 Millionen Euro die Königslösung zur Verfügung.
FC Bayern in der Champions League: Acht Siege, sieben Zu-Null
Der teuerste Neuzugang des Vorjahres war mit Dayot Upamecano übrigens ebenfalls ein Innenverteidiger. Auch er glänzte gegen PSG, Nagelsmann hob ihn anschließend euphorisiert in den Kreis der "Top-Verteidiger der Welt". Rekordtransfer des FC Bayern ist mit dem derzeit verletzten Lucas Hernández ein weiterer Innenverteidiger.
Während der FC Bayern in der jüngeren Vergangenheit vor allem seine Defensive mit kostspieligen Transfers aufrüstete, investierte PSG die höchsten Summen in die Offensivabteilung. 222 Millionen Euro für den aktuell verletzten Neymar, 180 Millionen für Mbappé. Messi kam immerhin ablösefrei, aber für sein Gehalt dürfte der eine oder andere de Ligt drinnen sein.
Gegen den FC Bayern hatte Paris' hochkarätige Offensive kaum Chancen - wie in der Gruppenphase schon der FC Barcelona und Inter Mailand. Tatsächlich gewannen die Münchner in dieser Champions-League-Saison bisher alle acht Spiele, sieben davon Zu-Null, einzig Viktoria Pilsen durfte zweimal jubeln. Umso verwunderlicher ist es, dass der FC Bayern in der Bundesliga regelmäßig schludrig verteidigt und im Schnitt fast ein Tor pro Spiel kassiert.
FC Bayern: Die nächsten drei Spiele des FCB
Datum und Spielort | Gegner |
Sa., 11. März, 15.30 Uhr (Allianz Arena) | FC Augsburg (Bundesliga) |
So., 19. März, 17.30 Uhr (BayArena) | Bayer Leverkusen (Bundesliga |
Sa., 01. April, 18.30 Uhr (Allianz Arena) | Borussia Dortmund (Bundesliga) |