DFB-Team: "Auch ein gesellschaftliches Problem!" Stefan Kuntz spricht über den Niedergang des deutschen Fußballs

Von Felix Götz
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Der frühere U21-Bundestrainer Stefan Kuntz hat das Abschneiden der deutschen U21-Nationalmannschaft bei der EM mit dem Aus in der Gruppenphase als "generell einfach schlecht" bewertet.

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"Die Situation ist besorgniserregend. Es ist ein schleichender Prozess", sagte Kuntz in einem Sport1-Interview auf die Lage im deutschen Fußball angesprochen: "Die Nationalmannschaft begeistert nicht mehr, auch weil keine tollen Ergebnisse eingefahren werden. Die Nationalteams sind ein Spiegelbild der aktuellen Situation im deutschen Fußball. Momentan sieht es nicht so gut aus. Seit 2018 sind wir nicht mehr an der Spitze in Europa."

Das DFB-Team ist bei der Europameisterschaft in Rumänien und Georgien nach einem Remis gegen Israel (1:1) und zwei Niederlagen gegen Tschechien (1:2) und England (0:2) sang- und klanglos als Gruppenletzter ausgeschieden. Dabei hatte Deutschland zuvor in der Ära Kuntz von 2016 bis 2021 noch zweimal den Titel geholt und einmal das Endspiel erreicht.

"Man kann bei der U21 nicht immer alles mit früheren Turnieren vergleichen, weil neue Spieler dazukommen und auch ein neuer Jahrgang", meinte Kuntz dazu und nahm Coach Antonio Di Salvo in Schutz: "Als Bundestrainer bist du von externen Entwicklungen abhängig. Eine wichtige Frage ist da: Wie viel Spielzeit bekommen die jungen Spieler in ihren Vereinen? Da gab es genug Vergleiche, dass es da immer etwas weniger wird."

Kuntz: "In Konflikten lernst du dazu"

Der 60-Jährige sieht ein grundsätzliches Problem in der Nachwuchsarbeit in Deutschland. "Es ist auch ein gesellschaftliches Problem, weil letztendlich versuchen wir den Kindern so viele Konflikte wie nur möglich abzunehmen. Jeder einzelne Konflikt führt aber dazu, die Persönlichkeit und den Charakter zu fördern. In Konflikten lernst du dazu", so der Europameister von 1996, der mittlerweile die türkische A-Nationalmannschaft trainiert.

"Du machst Fehler, musst dich behaupten und musst versuchen, Lösungen zu finden. Da wird es unseren Jungs zu einfach gemacht. Ein Spieler, der sich in einem Nachwuchsleistungszentrum nicht durchsetzt oder auch mal eine Strafe bekommt, geht dann in das nächste NLZ, das 40 Kilometer entfernt liegt. Dort wird er mit offenen Armen empfangen. So kann der Charakter und die Persönlichkeit junger Spieler nicht nachhaltig ausgebildet werden. Dem deutschen Fußball fehlt es gerade an Speed. Und das defensive wie auch das offensive Eins gegen Eins", sagte Kuntz.

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