55 Mann groß war Ende 2022 die Liste mit dem vorläufigen Kader der deutschen Nationalmannschaft, die der damalige Bundestrainer Hansi Flick vor der WM in Katar bei der FIFA einreichte. Rani Khedira, Grischa Prömel oder Vitaly Janelt gehörten beispielsweise dazu. Am Ende schaffte es keiner von ihnen ins Aufgebot des DFB-Teams.
Mit seiner finalen Nominierung für die Heim-EM 2024 hat Bundestrainer Julian Nagelsmann noch ein paar Monate Zeit. Die nächsten Länderspiele stehen aber bereits in ein paar Wochen an - am 23. März gegen Frankreich und am 26. März gegen die Niederlande.
Wir blicken daher auf Spieler, die aufgrund ihrer bisherigen Leistungen in der laufenden Saison eine Nominierung verdient hätten - Stand jetzt!
Deniz Undav
Besser kann ein Leihgeschäft kaum sein! Der VfB Stuttgart holte den 27-Jährigen für eine Saison von Premier-League-Klub Brighton Hove & Albion - und mit zwölf Toren ist Undav nun der beste deutsche Stürmer.
Bisher setzte Nagelsmann auf Dortmunds Niclas Füllkrug, der mit neun Saisontreffern in der "deutschen" Torjägerliste hinter Undav liegt. Sinn ergeben könnte es für den DFB und auf dem Feld andersrum: Undav bringt seine Stärken nämlich dann besonders zur Geltung, wenn er wie beim VfB mit Serhou Guirassy hinter und um einen echten Neuner herumspielen kann.
Die Abschlussqualität und Finesse in seinen Aktionen würde Deutschland gewiss gut zu Gesicht stehen, wenn Undav seine starke Form beibehält. "Du musst im Kopf versuchen, schneller zu sein als der Gegner, um bestimmte Situationen vorher schon zu erkennen. Das habe ich als kleines Kind gelernt. Ich bin ein Straßenkicker", sagt er, der sich als "schlauen Spieler" bezeichnet und noch nie das Trikot einer Nationalelf trug.
Jan-Niklas Beste
"Ich bekomme aktuell viele Fragen dazu, aber muss weiter drüber schmunzeln. Es ist doch absurd, jetzt über die Nationalmannschaft zu sprechen", sagte Beste kurz vor Weihnachten der Schwäbischen Zeitung. Mittlerweile sind für den Linksfuß vom 1. FC Heidenheim drei weitere Partien hinzugekommen. Doch man kommt nicht darum herum: Beste sticht aus einer beeindruckenden Mannschaft noch einmal heraus.
Und das eben nicht nur, weil er ein exzellenter Standardschütze ist - was bei einem Turnier wie der Europameisterschaft auch immer eine besondere Waffe einer Mannschaft sein kann. Bereits in der Vorsaison, Bestes erstem Jahr in Heidenheim, schoss er in Liga zwei zwölf Tore und legte 14 vor. Eine Etage weiter höher hat der 25-Jährige bislang fünf Treffer und neun Vorlage zustande gebracht.
Beste, der von der U16 an bis zur U20 alle DFB-Nachwuchsteams durchlief, befindet sich in der Form seines Lebens. Auf der linken Flanke ist er zudem flexibel einsetzbar und könnte auch als Linksverteidiger fungieren - und dort drückt Deutschland ja bekanntlich der Schuh.
Angelo Stiller
Der 22-Jährige ist der zweite und wird nicht der letzte Spieler vom VfB Stuttgart sein, der in dieser Auflistung auftaucht. Kurz vor Schluss des Transferfensters holten die Schwaben den Sechser als Ersatz für den kurzfristig nach Liverpool abgewanderten Wataru Endo - und Stiller fügte sich bärenstark ein.
Das hat wohl auch mit VfB-Trainer Sebastian Hoeneß zu tun, der Stiller bereits bei der zweiten Mannschaft des FC Bayern München trainierte. Dort wurden beide zusammen Meister der 3. Liga. Anschließend in Hoffenheim lief es für Stiller - zunächst erneut unter Hoeneß - allenfalls solide: Auf lediglich 24 Startelfeinsätze in der Bundesliga kam er in den beiden Jahren dort.
Vier DFB-Nationalteams hat Stiller schon durchlaufen, zuletzt spielte er für die U21 bei der EM im vergangenen Sommer. Seine überzeugenden Vorstellungen am Neckar, wo Stiller im Maschinenraum des VfB-Spiels mutig agiert und eine gute Balance findet, lassen ihn träumen: "Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich noch nie darüber nachgedacht habe. Wenn es weiter so läuft, geht der Traum von der Nationalmannschaft vielleicht irgendwann in Erfüllung", sagte er im Oktober der Bild.
Anton Stach
"Blamier' mich nicht, Junge!" waren die Worte von Stachs Vater und Kommentator Matthias, als sein Junior im März 2021 bei der U21-Europameisterschaft erstmals eingewechselt wurde - ohne zuvor jemals ein DFB-Dress getragen zu haben. Genau ein Jahr später nahm Flick den damaligen Mainzer zum ersten Mal ins Aufgebot der A-Nationalelf auf und Stach feierte in einem Testspiel gegen Israel sein Debüt.
Seit Sommer nun steht der 25-Jährige in Hoffenheim unter Vertrag. Dort laufen seine Leistungen etwas unter dem Radar, doch der Zentrumsspieler weist bisweilen herausragende Statistiken auf. Bei der 0:3-Pleite gegen den FC Bayern etwa gewann er 14 Zweikämpfe, was ihm zuvor noch nie gelang.
Aktuell weist Stach mit 260 die zweitmeisten gewonnenen Zweikämpfe der Liga auf. Auch in den Kategorien Ballgewinne und abgefangene Pässe des Gegners gehört er zu den Besten der Bundesliga. Beeindruckend ist das vor allem auch deshalb, weil Stach bei der TSG eben nicht bei einem Überraschungsteam, sondern dem derzeit Tabellenachten spielt.
Maximilian Mittelstädt
Akteur Nummer drei vom VfB hat sich derart schnell im Schwabenland akklimatisiert, dass er Stuttgart kürzlich bei den Stuttgarter Nachrichten bereits als "zweite Heimat" betitelte . Der Linksverteidiger hat mit konstant starken Leistungen den im Sommer abgewanderten Borna Sosa schnell vergessen lassen.
Der 26-Jährige hat Offensivdrang, besticht im Spielaufbau und bleibt unter Druck auch im Passspiel klar. Dazu wirft er sich in jeden Zweikampf und geht aus seinen Aktionen in der Defensive meist als Sieger hervor. Mittelstädt ist zudem sehr anpassungsfähig und kann nicht nur im Mittelfeld, sondern auch in einer Dreierkette spielen.
Von U18 bis U21 war der ehemalige Herthaner bereits bei den Nachwuchsteams des DFB dabei. Noch mehr als bei Beste gilt für Mittelstädt: Angesichts der Problematiken, die sich für Nagelsmann links hinten stellen, wäre er zweifelsfrei mehr als nur eine Überlegung wert.
Robin Koch
Der Leihspieler von Leeds United hat sich bei Eintracht Frankfurt in der Innenverteidigung unverzichtbar gemacht, so dass die SGE den 27-Jährigen nun im Januar fest verpflichtete. Zwischenzeitlich trug Koch sogar die Kapitänsbinde und stand in jeder Partie, in der er verfügbar war, in der Startelf.
Acht Länderspiele hat er bereits absolviert, nachdem ihn der einstige Bundestrainer Joachim Löw im Oktober 2019 erstmals einlud. Im Juni 2021 absolvierte Koch sein bislang letztes Länderspiel, hofft dank seiner beständig guten Leistungen aber nicht zu Unrecht auf ein Comeback bei der EM.
"Das ist mein klares Ziel", sagte Koch vor drei Wochen. Seine Chancen stehen nicht nur aufgrund der wackelnden DFB-Defensive gut. Schließlich wollte ihn Nagelsmann schon bei den jüngsten Länderspielen gegen die Türkei und Österreich mitnehmen, doch Koch zog sich eine Wadenverletzung zu. Dennoch erhielt er vom Bundestrainer Video-Sequenzen zu taktischen Anforderungen.
Waldemar Anton
Der Kapitän rundet das VfB-Quartett in dieser Liste ab. Schon länger ist Anton, der auch für Russland auflaufen könnte, mit Nachfragen zum DFB-Team konfrontiert.
Der Innenverteidiger spielt eine ähnlich überzeugende, wenn nicht sogar einen Tick bessere Runde als Koch. In Stuttgart ist er der eindeutige Kopf und Leader des Teams, was der Verein vor zwei Wochen mit einer Vertragsverlängerung bis 2027 belohnte.
Der 27-Jährige würde zur Gänze Nagelsmanns Forderung nach den beiden düsteren Länderspielen zuletzt entsprechen, als der Bundestrainer ankündigte, künftig "auf zwei Prozentpunkte Talent zu verzichten und zwei Prozentpunkte mehr Worker reinzutun". Worker Anton sagte im SPOX-Interview: "Wenn ein Anruf käme, würde ich schon abnehmen."