EM

Ein komisches Spiel später

Die spanischen Fans müssen ihr Team nun gegen Italien und nicht Portugal unterstützen
© getty

Bei der spanischen Nationalmannschaft läuft es nicht ganz so rund, wie es eigentlich sollte. Nun steht das Hammerlos mit Italien (18 Uhr im LIVETICKER) und der wohl schwierigste Weg ins Finale. Die Ruhe verliert dennoch niemand.

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Rund 25 Minuten waren gespielt, da setzte sich Ante Cacic zum ersten Mal auf die Trainerbank. Die Zeit zuvor hatte der kroatische Trainer im Stehen verbracht, mal in seiner Coachingzone, mal außerhalb. Der 62-Jährige ging die Angriffe mit, feuerte an und dirigierte. Der drei Jahre ältere Vicente del Bosque war bis dahin noch kein einziges Mal überhaupt aufgestanden.

Es war angesichts des Spiels seiner Mannschaft auch nicht unbedingt nötig. Spanien funktioniert ohne seinen Trainer am Seitenrand ganz vorzüglich, das 1:0 fiel auch ohne Anweisung von außen. Doch die Zeit verging und Kroatien fand ins Spiel. Selbst dann sah man den spanischen Trainer nur selten aktiv werden. Hier eine Anweisung, dort eine Anweisung. Cacic schrie sich die Seele aus dem Leib, obwohl sein Team die Kontrolle übernahm.

Szenen, die das Selbstverständnis des spanischen Nationaltrainers gut zusammenfassen. Genauso wie seine Aussage, den Elfmeterschützen zu finden, wäre Aufgabe der Mannschaft, nicht die des Trainers. Die Mannschaft wählte Sergio Ramos, der verschoss, Kroatien erzielte die Führung, Spanien spielt nun gegen Italien in der schweren Hälfte des Turnierbaums.

Weg auf die "pechschwarze Seite"

Aufstehen wird del Bosque allerdings trotzdem nur selten im Achtelfinale der EM 2016. Während man als Journalist langsam müde wird, zu betonen, dass Spaniens Cheftrainer ein Stoiker vor dem Herren ist, wird dem 65-Jährigen seine Sicht der Dinge nie und nimmer unpassend erscheinen.

Über so viel könnte man derzeit diskutieren als Fan der Furia Roja. Es beginnt mit der Niederlage gegen Kroatien, setzt sich fort im verschossenen Elfmeter von Ramos, der besonders viel Spott erntete, geht über den unzufriedenen Pedro bis hin zum nicht fehlerfreien und von Vergewaltigungs-Ermittlungen belasteten Nationaltorhüter David de Gea.

Zusammengefasst in Worten der Presse: "Kroatien stößt uns auf die pechschwarze Seite" (AS). Zusammengefasst in Worten del Bosques: "Ich denke das ist nun nicht mehr der Weg, den wir einschlagen wollten." Tatsächlich wird der Plan nicht gewesen sein, über Italien und womöglich den Weg Deutschland/Frankreich ins Finale einziehen zu müssen. Aber dann gibt es eben eine Planänderung.

Pleite, Torwart-Patzer, Kritik? Geschenkt

"Ich denke wir müssen jetzt analysieren, was das für das Spiel gegen Italien bedeutet", sagte del Bosque im Anschluss an die Kroatien-Pleite und machte jede Hoffnung von öffentlicher Kritik direkt zunichte: "Ich denke nicht, dass wir jetzt jemand einzelnen beschuldigen müssen. Wir alle haben verloren."

Das Fazit, natürlich möchte man fast sagen, fiel ähnlich aus: "Sie haben gut gespielt, wir haben zuvor gut gespielt. Nichtmal heute haben wir schlecht gespielt." Der Patzer von de Gea? "Wir können ihm keine Schuld zuschieben. Das erste war ein Konter, das zweite aus kurzer Entfernung." Der Elfmeter von Ramos? "Wenn es wieder einen gegen Italien gibt, ist mir das egal. Elfmeter kann man nicht trainieren."

Dann wäre da noch die Kritik Pedros im Laufe der Woche. Der Stürmer meinte, "nur um bei der Gruppe zu sein" würde es sich nicht lohnen, zum Nationalteam zu fahren. Er forderte lautstark Einsätze, sprach von unerfüllten Erwartungen. "Das von Pedro hat mir nicht gefallen. Ich habe mit ihm gesprochen und er hat sich entschuldigt", sprach del Bosque.

"Wir sind noch immer im Wettbewerb"

Ein Fazit der Vorrunde sieht aus Sicht des Trainers somit ganz einfach aus. "Wir sind noch immer im Wettbewerb." In den Tenor stimmten die Spieler zahlreich ein, wenn auch Spieler wie Nolito mehr Details verrieten: "In der Kabine war es sehr still. Wir sind niedergeschlagen im Moment."

Vielleicht ist das gerade gar nicht so schlecht. Da steht nun natürlich diese "pechschwarze Seite" des Turniersbaums, andererseits hatte del Bosque vor dem Turnier einen enorm wichtigen Satz gesagt: "Der Fußball bestraft die, die nicht demütig sind." Ein mahnender Finger in Gedanken an das nachlässige Team von 2014, das in Brasilien nach der Gruppenphase nach Hause fuhr.

Die Probleme zwei Jahre später sind anderer Natur. Das Gegenpressing gegen sehr vertikal ausgerichtete Kroaten griff nicht so, wie es sollte. Kleinere Unsauberkeiten schlichen sich ein in das Spiel der Spanier mit Ball, Tempoverluste in wichtigen Situationen führten zum altbekannte, aber nie gewollten Ballgeschiebe in der gegnerischen Hälfte.

Unechte Dominanz ein Problem

Spielen sie so wie gegen Kroatien, werden die Spanier Probleme haben mit den defensivstarken Italienern. Zu wenig Bewegung war zu sehen zwischen den gegnerischen Linien, Spanien spielte mehr um die gegnerische Formation herum als hinein. Das suggeriert Dominanz, welche aber tatsächlich nur bedingt existiert.

Wer den Gegner dominiert, letztlich aber nur wenig klare Chancen herausspielt und dann noch kleinere Strukturmängel in Ballbesitz hat, die den direkten Zugriff nach Ballverlusten erschweren, wird auf höchstem Niveau Probleme haben. Genau dieses Niveau wartet nun im weiteren Turnierverlauf. Wenn auch, wie Andres Iniesta sagt, "in der Theorie."

In der Theorie ist Spanien auch Turnierfavorit. Und als ein solcher Favorit darf ein schwerer Weg ins Finale kein Grund zum Scheitern sein. Eine Niederlage reißt nicht alles ein und somit ist die Ruhe von del Bosque durchaus begründet. "Ein komisches Spiel" (Nolito) ist vorbei. Man wird schielen auf den Weg von Kroatien oder nun Portugal und vielleicht eine Träne verdrücken, aber Spanien bleibt mittendrin im Rennen.

Der Spielplan der UEFA Euro 2016

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