Paul Pogba auf den Titelseiten, Paul Pogba im TV, Paul Pogba in den Internetforen - Frankreich diskutiert seit Tagen eifrig über eine vulgäre Geste seines Superstars. Der nächste Gegner geriet da ein wenig in Vergessenheit, und irgendwann hob die kleine Schweiz dann doch mal den Finger. "Hey, Frankreich", twitterte die "Nati" vor dem "Endspiel" am Sonntag (21.00 Uhr/ARD): "Nicht Pogba ist euer Problem - WIR sind euer Problem!"
Vielleicht eine etwas romantische Sicht auf die Dinge. In Lille geht es zwar um den Sieg in der EM-Gruppe A, beide Mannschaften können viel gewinnen und verlieren: Der Erstplatzierte wird vorerst nicht auf Titelverteidiger Spanien treffen. Doch die Diskussionen um Abseitiges lenken doch erheblich vom Sportlichen ab, und zwar auf beiden Seiten. Denn auch in der Schweiz schwelt ein Streit um den früheren Bayernprofi Xherdan Shaqiri.
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Die Debatte um Pogba hat sich in der Grande Nation längst verselbstständigt. Angefangen hatte alles mit einem unscharfen Standbild, einem Screenshot. Dieser soll beweisen: Nach dem Treffer zum 2:0-Endstand durch Dimitri Payet gegen Albanien ließ sich Pogba zu einem "bras d'honneur" in Richtung Tribüne hinreißen, zu einer Geste ähnlich dem "Stinkefinger".
Französische Pressevertreter, die Pogba zuvor hart kritisiert hatten, fühlten sich angegriffen, Pogba wiederum wies alle Schuld von sich: Es habe sich um seinen "normalen Tanz" gehandelt, den er nach Toren nun mal aufführe. Ähnlich unterhaltsam ging es weiter, auch in Frankreichs Klatschsendungen war der 23-Jährige Thema Nummer eins.
Enormer Druck auf Pogba
Der Fall Pogba zeigt wohl auch, welcher Druck auf der Equipe tricolore lastet. Schon vor dem Spiel gegen die Schweiz steht Frankreich nach Erfolgen gegen Rumänien (2:1) und Albanien sicher im Achtelfinale, und doch ist das Land bislang kaum zufrieden mit dem EM-Gastgeber.
Die Leistungen waren überschaubar, nur Last-Minute-Treffer brachten Siege. Und Pogba, Star von Juventus Turin, galt vor dem Turnier als Schlüsselspieler. Er sollte Les Bleus wie einst Michel Platini bei der EM '84 und Zinedine Zidane bei der WM '98 zu Triumphen im eigenen Land führen. Diesem Druck hielt er bislang nicht stand, seine Reaktion am Sonntag wird mit Spannung erwartet.
Die Schweizer Auswahl stünde derweil schon bei einem Unentschieden erstmals in der K.o.-Runde einer EM. Doch Diskussionen um Shaqiri begleiten die "Nati" seit Turnierbeginn. Fortlaufend wird über einen künftigen Wechsel des besten Schweizer Offensivspielers in die Auswahl des Kosovo spekuliert, auch Shaqiri selbst befeuerte dies vor wenigen Tagen.
Die durchschnittlichen Leistungen des Flügelflitzers werden zudem besonders hart kritisiert. "Shaqiri spaltet die Schweiz!", titelt der Blick gar: "Wo ist der Zauberzwerg, der mit seinen Dribblings und Toren in der Vergangenheit die Fans entzückte?" Und nach nur zwei Spielen fand sich auch schon jemand, der eine Pause für "Shaq" empfiehlt. "Das würde ihm vielleicht gut tun", sagte der langjährige Bundesliga-Profi Ciriaco Sforza: "Vielleicht war zuletzt alles ein bisschen zu viel."
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