"Unnormal, unnormal", wiederholte sich Branimir Hrgota ständig. Zur Feier des Tages gab der Gladbacher Interview auf Deutsch in der Mixed Zone und hatte sein Lieblingswort schnell gefunden. Wie es sich anfühle, Europameister zu sein? "Unnormal." Was in der Kabine los war? "Eine unnormale Party. Unnormal, unnormal."
Tatsächlich schien nichts an diesem Tag normal zu sein. Auch Schwedens Trainer Hacan Ericsson sprach von einem "Märchen". Schweden, ohnehin Außenseiter von Beginn an, ist erstmals U21-Europameister. Der Sieg Schwedens bedeutet gleichzeitig auch einen Triumph der Prinzipien. Klassik schlägt Moderne.
Die Konstellation war bereits im Vorhinein eindeutig: Auf der einen Seite der Favoritenbezwinger Portugal, der Deutschland spielerisch deklassiert hatte, bei dem es in der Offensivabteilung nur so wimmelt von Ballkünstlern. Auf der anderen Seite: Schweden. Etwas hölzern, altmodisch, klassisch in der Spielanlage. Und immer noch: Außenseiter.
Altmodische Tugenden als Schlüssel
Doch Ericsson hat es geschafft, in einer spielerisch limitierten Mannschaft außergewöhnliche Kräfte freizusetzen. Sein Erfolgsgeheimnis: "Wir müssen das machen, was wir gut können". Der Trainer wagte sich erst gar nicht zu erträumen, dass Schweden über das Spielerische zum Erfolg kommen könnte. Unvorstellbar, dass sein Team Spiele kontrollieren oder gar dominieren könne.
Stattdessen konzentrierte sich seine Mannschaft auf ihre tatsächlichen Stärken. "Wir wissen, dass wir weniger Ressourcen haben als viele andere Länder Europas, aber wir nutzen das, was wir haben, sehr gut", so Ericsson. Gemeint sind die klassischen Fußballtugenden, die auch gegen Portugal den Unterschied ausmachten.
Während sich die Iberer in ihrem Kurzpassspiel verliefen und auch über Einzelaktionen nicht zum Torerfolg kamen, beschränkte sich Schweden auf seine Lieblingsattribute: Kollektiv, Kampf, Konter. "Wir haben immer 110 Prozent gegeben - und sind mehr als jedes andere Team gelaufen. Das war ein Schlüssel", sagte John Guidetti.
"Wir haben zwei Tage kaum geschlafen"
Vor allem in der Verlängerung wurde das spürbar. Die Schweden hatten tatsächlich auf einmal mehr Spielanteile, Portugal schien zwischendurch die Geduld verloren zu haben. Die Skandinavier hingegen rannten weiter an. Für Guidetti auch eine Frage des Zusammenhalts: "Wir kennen uns seit langer Zeit, viele von uns sind beste Freunde. Wir kümmern uns umeinander wie eine große Familie."
Worte, die man romantischer kaum formulieren könnte. An jenem "unnormalen" Abend schien auch der Fußballgott Romantiker zu sein. Am Ende entschied das Glück des Elfmeterschießens. Der Außenseiter mit den altmodischen Tugenden, mit all seinen heroischen Kämpfertypen behielt die Oberhand gegenüber dem modern und ansehnlich geprägten Spiel der Portugiesen.
Doch für Trainer Ericsson entschied trotz des knappen Ausgangs nicht nur das Glück. "Wir haben uns auf viele, viele Situationen sehr gut vorbereitet", verriet er auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. "Wir haben oft Elfmeterschießen geübt und selbst die Reihenfolge einstudiert, in der wir schießen würden. Eines der Geheimnisse ist es, für alles bereit zu sein. Wir haben zwei Tage lang kaum geschlafen!"
Die besondere Note
Ähnlich dürfte es nun auch den schwedischen Fans ergehen. Sie waren zu Tausenden zum Stadion gepilgert, schon den gesamten Tag prägten Grüppchen von Gelb-Blau-gekleideten Fußballfans das Stadtbild. In der Arena waren die wenigen Portugal-Anhänger kaum wahrzunehmen, da die über 10.000 Schweden pausenlos ihr Team anfeuerten.
Auch Guidetti, der über 120 Minuten regelmäßig in persönlichen Sprechchören gefeiert wurde, verneigte sich verbal vor dem schwedischen Anhang: "Sie haben dem Turnier seine besondere Note gegeben - und uns zusätzliche Power."
Auch sein Coach lobte die Anhänger und wünschte sich, "dass unsere unglaublichen Fans heute Abend richtig feiern werden." Darüber hinaus hatte er an diesem besonderen - sagen wir: unnormalen - Abend noch einen weiteren Wunsch: "Ich hoffe, dass dieser Sieg bedeutet, dass viele junge Kinder anfangen Fußball zu spielen und zu kapieren, dass im Leben und im Fußball alles möglich ist." Geht's noch romantischer?
Schweden - Portugal: Daten zum Spiel