"Gerd Müller schaut fast jedes Heimspiel"

Von Interview: Frank Oschwald
Die 21-jährige Julia Simic spielt seit 2005 für den FC Bayern München

Auch die Frauen des FC Bayern stehen im Halbfinale des DFB-Pokals. Am Mittwoch gewannen die Münchnerinnen überraschend mit 3:0 gegen FCR Duisburg. SPOX sprach mit Torschützin und Spielmacherin Julia Simic (21). Die "weiße Brasilianerin" über ihren Spitznamen, Ronaldinho, die WM im eigenen Land und den Stellenwert des Frauenfußballs beim FC Bayern München.

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SPOX: Der FC Bayern ist mit einem schweren Rucksack in die Rückrunde gestartet: Aktuell Rang sechs und ein fast schon uneinholbarer Rückstand auf die Spitze. Kann das der Anspruch des FC Bayern sein?

Julia Simic: Wir haben uns vor der Saison vorgenommen, im vorderen Drittel zu landen. Diesem Ziel laufen wir nun aufgrund einer durchwachsenen Hinrunde hinterher. Wir wollen so schnell es geht aus dem Niemandsland der Tabelle raus.

SPOX: Begeben wir uns auf Ursachenforschung: Woran lag's?

Simic: Wir sind mit 15 Punkten aus 7 Spielen stark in die Saison gestartet. Doch dann haben uns zahlreiche Verletzungen wirklich weit zurückgeworfen.

SPOX: Wie schätzen Sie ihre eigene Leistung ein?

Simic: Auch meine Hinrunde verlief durchwachsen. Sowohl am Anfang als auch am Ende habe ich einige gute Spiele gemacht. Aber zwischenzeitlich saß ich plötzlich bei drei Spielen auf der Bank. Das kam für mich überraschend und hat mich etwas aus dem Rhythmus gebracht.

SPOX: Was war los?

Simic: Der Trainer wollte mehr über die Zweikämpfe ins Spiel kommen und sah in diesem Bereich andere Spielerinnen vor mir. Und dann hat das Team ohne mich ordentlich agiert. Da gab es dann für den Trainer keinen Grund, sofort erneut zu wechseln.

SPOX: Gibt es den denn für Sie? Ihr Vertrag läuft nach der Saison aus.

Simic: In erster Linie ist für mich die sportliche Perspektive entscheidend. Ich möchte die Chance haben, um den Titel mitzuspielen. Wenn ich diese Möglichkeit in Zukunft bei Bayern sehe, kann ich mir schon vorstellen, erneut zu verlängern. Ich fühle mich sehr wohl in München. Und dass nun auch Kathrin Längert und Isabell Bachor unterschrieben haben, ist für mich ein positives Signal. Aber die sportliche Entwicklung unserer Mannschaft darf eben nicht stagnieren. Und es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass mir keine anderen Angebote vorliegen würden.

SPOX: Was genau meinen Sie mit sportlicher Entwicklung?

Simic: Ich spiele nun bereits meine sechste Bundesliga-Saison beim FC Bayern. In dieser Zeit habe ich nun schon dreimal gehört, dass sich das Team in einem Umbruch befindet. Aber ein Umbruch kann nicht ewig andauern oder ständig neu gestartet werden. Für mich war es nur schwer nachzuvollziehen, dass wir 2009 Vizemeister werden und dann vier Topspielerinnen abgeben. Wir brauchen ein festes Gerüst aus Topspielerinnen, einen stabilen Kern der Mannschaft, um uns kontinuierlich an die Liga-Spitze zu arbeiten. Von der sind wir einfach noch zu weit entfernt.

SPOX: Das heißt, der aktuelle Tabellenplatz spiegelt die personelle Situation derzeit ganz gut wider?

Simic: Wie sagt man auch im Männerfußball so schön: Die Tabelle lügt nicht! Es steckt ohne Frage viel Potenzial in unserer Mannschaft, aber für ganz oben reicht es halt momentan nicht.

SPOX: Der FC Bayern hat bei den Herren den Anspruch, der beste Verein der Bundesliga zu sein. Warum nicht bei den Frauen?

Simic: Die Männer haben das größte Budget in der Bundesliga. Das können wir von uns leider nicht behaupten. Die finanziellen Mittel, die uns zur Verfügung stehen, spielen mit Sicherheit eine Rolle. Aber uns fehlt auch noch dieses typische Bayern-Gen, immer alles gewinnen zu wollen. Es kommt vor, dass wir uns zu schnell mit einem Unentschieden oder gar einer Niederlage abfinden.

SPOX: Sind Sie abhängig vom Erfolg der Herren-Mannschaft?

Simic: Wir sind abhängig vom Budget, das der Verein uns für die Frauen-Bundesliga zur Verfügung stellt.

SPOX: Schauen Schweinsteiger, Ribery, Hoeneß und Co. dann wenigstens hin und wieder bei euch vorbei?

Simic: Gerd Müller hat bei uns einen Stammplatz auf der Tribüne. Er schaut wirklich bei fast jedem Heimspiel zu. Das finde ich toll. Und dadurch, dass wir mittlerweile auch regelmäßig an der Säbener Straße trainieren, läuft man hin und wieder schon mal einem männlichen Profi oder Verantwortlichen über den Weg.

SPOX: Sie selbst haben sieben bis acht Mal Training in der Woche und die Wochenenden sind durch Auswärtsfahrten und Spiele natürlich schon im Voraus verplant. Gleichzeitig studieren Sie auch noch Sportwissenschaft in München. Verraten Sie uns, wie Sie den Tag länger machen.

Simic: Es ist schon extrem stressig. Aber es lässt sich zeitlich einigermaßen arrangieren, da wir alleine viermal die Woche abends trainieren. Klar ist natürlich auch, dass hin und wieder eine Vorlesung ausfällt. Denn wenn Uni und Training sich überschneiden, gehen die Bayern vor - ganz klar.

SPOX: Sie sind vom Spitznamen her das weibliche Pendant zu Bernd Schneider. Wie kam es zum Kosenamen "weiße Brasilianerin"?

Simic: Oje, das ist schwierig zu sagen. Ich glaube, der ist irgendwann nach einem Interview entstanden. Es hängt natürlich mit meiner Spielweise zusammen. Ich bin nicht die allergrößte und komme eher über die Technik als über die Robustheit.

SPOX: In Ihrem Steckbrief steht, dass Ronaldinho Ihr Vorbild ist - hinter dem Namen stehen sieben Ausrufezeichen. Was gefällt Ihnen an ihm?

Simic: Da haben Sie aber einen älteren Steckbrief von mir angeschaut (lacht). Vor rund fünf Jahren war Ronaldinho ja wirklich überragend - eigentlich der beste Fußballer der Welt. Inzwischen haben ihn allerdings einige andere überholt.

SPOX: Was hat Sie an der 2006er-Version von Ronaldinho fasziniert?

Simic: Ihm hat es einfach immer Spaß gemacht, Fußball zu spielen. Immer wenn er auf dem Platz stand, hat er ein breites Grinsen im Gesicht gehabt. Mittlerweile fällt er halt leider mehr durch ein ordentliches Gewicht auf.

SPOX: Bei der WM 2006 in Deutschland war für Brasilien trotz Ronaldinho im Viertelfinale Schluss.  Jetzt steht wieder eine Weltmeisterschaft in Deutschland an. Wie stehen die Chancen für ein deutsches Sommermärchen mit einem Titel-Happy-End?

Simic: Ich denke, dass Deutschland als Topfavorit ins Turnier geht. Die Bundesliga hört ja im März schon auf, damit das Team sich explizit auf das Turnier vorbereiten kann. Wenn alles normal läuft, werden wir Weltmeister.

SPOX: Denken Sie, dass der Frauen-Fußball in Deutschland nach diesem Sommer einen richtigen Aufschwung erlebt?

Simic: Auf jeden Fall. Die Frage ist nur, wie lange dieser Aufschwung dann anhält. Grundsätzlich ist die Formel ja ganz einfach: Mit dem Erfolg einer Mannschaft boomt auch die dazugehörige Sportart im Land. Es ist deshalb speziell wichtig, dass die Nationalmannschaft erfolgreich ist. Denn der normale Fan bekommt mehr als die DFB-Elf vom Frauen-Fußball nicht zu sehen. Dazu steckt die Bundesliga noch zu stark in der Entwicklung.

SPOX: Wie stehen dabei Ihre persönlichen Chancen? Steigen Sie noch auf den WM-Zug auf?

Simic: Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden, bei der WM nicht dabei zu sein. Für mich zählt jetzt nur, im Verein kontinuierlich Top-Leistungen abzurufen und mich noch weiter zu verbessern. Wenn mir das gelingt, kommt das Thema A-Nationalmannschaft irgendwann wieder von ganz alleine. Nach einem großen Turnier erfolgt ja oftmals ein großer Umbruch.

SPOX: Sie sprechen den Umbruch an: Dadurch, dass bereits jetzt öffentlichkeitswirksame Spielerinnen wie Fatmire Bajramaj ins Team gekommen sind, wird das DFB-Team und auch der Frauenfußball in der Öffentlichkeit mehr und mehr von einer boulevardesken Seite beleuchtet. Nervt es nicht, als Frauenfußballerin immer nur auf das Äußere reduziert zu werden?

Simic: Wir alle wollen mehr Aufmerksamkeit. Da kann man nicht sagen: Ich möchte aber nur über Abseits und Doppelpässe sprechen. Wir haben inzwischen in Deutschland tolle Typen wie Lira Bajramaj, die sich vermarkten lassen. Typen, bei denen die Leute sagen: Die kann gut Fußball spielen und sieht auch noch richtig gut aus. Das tut dem Frauenfußball enorm gut.

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