Garefrekes: "Ich darf sie aber noch duzen"

Von Interview: Stefan Moser
Kerstin Garefrekes (M.) hat bisher in 125 Länderspielen 41 Tore für Deutschland erzielt
© Getty

Kerstin Garefrekes ist eine der wichtigsten Stützen im Team der deutschen Nationalmannschaft. Für SPOX stellt die 32-Jährige ihre Mannschaftskolleginnen vor: Die Intellektuelle, die Unrhythmische, die Strategin und die Knipserin - die nicht Birgit Prinz heißt.

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SPOX: Fangen wir ganz klassisch an: Wer sind die wichtigsten Führungsspielerinnen im Team?

Kerstin Garefrekes: Die klassische Hierarchie-Diskussion spielt in unserer Mannschaft eigentlich gar keine große Rolle. Ich persönlich glaube ohnehin, dass man in einem großen Turnier nur erfolgreich sein kann, wenn Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt wird.

SPOX: Und wer gibt dann auf dem Platz den Ton an?

Garefrekes: Das kommt darauf an, wo der Ball ist. Die grundsätzliche Idee ist, dass die hintere Spielerin immer die vordere dirigiert. Das fängt im Tor an und zieht sich durch alle Mannschaftsteile. Auch da sind wieder alle gefragt. Die eine Spielerin, die immer und alleine die Kommandos gibt, gibt es nicht.

SPOX: Also auch keinen aggressive Leader? Bei den Männern in Deutschland fast ein goldenes Kalb...

Garefrekes: Frauenfußball ist immer körperbetonter geworden, da geht es mittlerweile auch richtig zur Sache. Aber grundsätzlich wird Fairplay bei den Frauen vielleicht noch größer geschrieben als bei den Männern. Bei uns muss sich keiner Sogen um seine Knochen machen. Und Führungsqualität erwirbt man sich schließlich nicht durch Tritte gegen das Schienbein.

SPOX: Wie steht es mit den Führungsqualitäten von Birgit Prinz? In der Öffentlichkeit wirkt Sie oft verschlossen, fast schüchtern...

Garefrekes: Ich glaube, sie mag es nicht besonders, wenn sich die Medien auf sie als Star fokussieren und sie in der Öffentlichkeit alleine im Mittelpunkt steht. Aber innerhalb der Mannschaft sehen wir ein anderes Gesicht von Birgit Prinz. Dann ist sie sehr selbstbewusst und offen, sie spricht mit allen Spielerinnen, hat guten Kontakt zur gesamten Mannschaft. Und ihr Name spricht schließlich für sich. Sie ist das Aushängeschild des deutschen und auch des internationalen Frauenfußballs.

SPOX: Sie hat auch den Ruf als die "Intellektuelle" innerhalb der Mannschaft. Zu Recht?

Garesfrekes: Richtig ist, dass sie viel liest. Man sieht sie schon häufig mit einem Buch in der Hand. Sie hat Psychologie studiert, bildet sich weiter. Damit ist sie jedoch kein Einzelfall in der deutschen Frauen-Nationalmannschaft.

SPOX: Und wer sorgt für die Stimmung in der Kabine? Ihre Teamkolleginnen nennen beim Thema "guter Humor" immer auch Ihren Namen...

Garefrekes: Ja, mittlerweile habe ich auch mitbekommen, dass die Spielerinnen mich immer beschuldigen, ich hätte irgendeine Form von Humor. Was soll man da noch dementieren! Aber ich habe eher eine andere Definition von Humor, ich erzähle keine Witze oder Ähnliches. Die Stimmungskanone ist eher Nadine Angerer.

SPOX: Ihre Torhüterin und eine zentrale Stütze in der Mannschaft. Was fällt Ihnen sonst noch spontan zu Nadine Angerer ein?

Garefrekes: Einzelkind!

SPOX: Ach ja? Und das merkt man?

Garefrekes: Das möchte ich lieber unkommentiert lassen (lacht). Aber damit ziehen wir sie gerne mal auf, weil sie auch das einzige Einzelkind in der Mannschaft ist. Sie will das aber natürlich nicht wahrhaben.

SPOX: Dass sie kein Rhythmusgefühl hat, will sie aber auch nicht so recht wahrhaben...

Garefrekes: (lacht) Kein Kommentar! Kein Kommentar!

SPOX: Den brauche ich auch gar nicht, ich habe Nadine Angerer beim Aerobic-Training in Köln gesehen. Da war sie zuverlässig auf der rechten Seite, wenn alle anderen nach links gehüpft sind.

Garefrekes: Ach, Gott, ja! Das hat aber mittlerweile schon Tradition. Wir sagen jedes Jahr: 'Natze, geh' nicht in die erste Reihe, Du bringst sonst nur alle anderen durcheinander'. Aber sie lässt sich nicht beirren und glaubt, sie macht das diesmal bestimmt ganz toll. Aber nein, ist nicht: Wieder brechen die Spielerinnen hinter ihr vor Lachen zusammen.

SPOX: Zurück auf den Platz: Welche Spielerin hat den härtesten Schuss?

Garefrekes: Melanie Behringer ist da mit Sicherheit weit vorne. Auch Alex Popp hat einen sehr guten Schuss, genauso wie Kim Kulig. Das sind wohl unsere besten Distanzschützen.

SPOX: Und wer hat das beste Kopfballspiel? In der Luft wirkt die deutsche Mannschaft manchmal noch anfällig.

Garefrekes: Da fallen mir Alex Popp und Kim Kulig ein, die beide sehr gute Kopfballspielerinnen sind. Dazu noch Simone Laudehr und vielleicht auch meine Wenigkeit.

SPOX: In jeder Mannschaft gibt es Spieler, die sich auch theoretisch viel mit Taktik beschäftigen und gerne mit den Trainern diskutieren. Wer ist das in der deutschen Elf?

Garefrekes: Simone Laudehr zum Beispiel muss ganz einfach auch über strategische Dinge nachdenken; schon allein aufgrund ihrer Position im zentralen Mittelfeld, auf der die taktischen Anforderungen sicher komplexer sind, als auf anderen Positionen. Deshalb ist es normal, dass sie in den Taktikeinheiten vielleicht noch einmal mehr mit den Trainerinnen diskutiert.

SPOX: Wie sehr beschäftigen Sie sich auch in der Theorie mit Ihrer Position auf dem rechten Flügel?

Garefrekes: Die Anorderungen auf meiner Position sind oft genug klar beschrieben worden. In der Defensive gehört es zu meinen Aufgaben, dafür zu sorgen, ein gutes Mittelfeld-Pressing aufzuziehen. Wir verteidigen klassisch nach innen. Das heißt, ich muss zusehen, die Angriffe des Gegners von außen in Richtung Zentrum zu steuern, damit der Ball am Ende dahin kommt, wo wir ihn haben wollen. In der Offensive geht es darum, viele Abschlüsse zu haben - entweder durch gute Flanken oder selbst im Strafraum Torgefahr zu erzeugen.

SPOX: Welche Rolle spielen Sie persönlich insgesamt für das Team. Sie sind immerhin eine der erfahrensten und erfolgreichsten Spielerinnen. Sowohl in Bundesliga als auf beim DFB.

Garefrekes: Na ja, ich hoffe, dass ich durch meine Persönlichkeit und meine Art Fußball zu spielen, der Mannschaft helfen kann, ein erfolgreiches Turnier zu spielen. Und dafür versuche ich jetzt alles zu geben. (überlegt). Mist! Und jetzt doch so ein Satz...

SPOX: Unglücklich mit der Formulierung?

Garefrekes: Eigentlich wollte ich ja keine Floskeln verwenden. Aber wenn man so über sich selbst sprechen soll...

SPOX: Einigen wir uns auf "blöde Frage" und sprechen stattdessen von einer anderen Spielerin: Lira Bajramaj.

Garefrekes: Eine sehr, sehr gute Fußballerin, technisch stark, extrem schwer auszurechnen und sehr schnell. Außer in der Kabine: Da braucht sie am längsten.

SPOX: Klischee bestätigt?

Garefrekes: (lacht) Ja, Klischee bestätigt. Aber das ist ja keineswegs negativ gemeint: Lira ist ein Stückweit auch das Aushängeschild für die neue Generation im Frauenfußball. Die Generation, die nicht nur auf dem Fußballplatz glänzt, sondern auch neben dem Platz, durch die Art und Weise sich zu präsentieren. Sie hat damit sicher die Tür zu einer neuen Dimension geöffnet, die vorher so im Frauenfußball nicht bekannt war.

SPOX: Und was fällt Ihnen zu Inka Grings ein?

Garefrekes: Sie steht für Tore! Inka hat eine unwahrscheinlich gute Torquote, sowohl in der Bundesliga als auch in der Nationalmannschaft.

SPOX: Linda Bresonik?

Garefrekes: Eine herausragende Spielerin, die sehr flexibel einsetzbar ist. Bei uns spielt sie im Moment hinten rechts, sie hat aber auch das taktische Verständnis für die Sechs. Technisch stark und sehr, sehr schnell. Sie ist aus dem Team nicht wegzudenken.

SPOX: Und was ist Simone Laudehr für ein Typ?

Garefrekes: Ein Kumpeltyp, mit der man jeden Witz machen kann. Auf dem Platz mit einem enormen Laufpensum. Wahnsinn auch, wie sie sich in die Zweikämpfe reinhängt, sowohl vorne als auch hinten überall präsent ist.

SPOX: Ihre Partnerin auf der Doppelsechs, Kim Kulig, gilt als Shootingstar der letzten zwei Jahre. Wie sehen Sie ihre Entwicklung.

Garefrekes: Kim ist meine zukünftige Mannschaftskameradin beim 1. FFC Frankfurt. Und sie wirkt für ihr junges Alter sehr, sehr abgeklärt, sehr bodenständig, sehr zielorientiert - auch vom ganzen Auftreten her. Ein richtig angenehmer Typ. Auch auf dem Platz schon unheimlich reif und mit Führungsqualitäten.

SPOX: Und zum Schluss: Sivlia Neid. Die Bundestrainerin wirkt sehr streng...

Garefrekes: Das muss sie als Trainerin ja auch sein. Sie muss kritisch sein, um wirklich die Feinheiten aus uns herauszukitzeln. Aber an der richtigen Stelle kann sie auch durchaus loben, motivieren und positiv auf die Spielerinnen eingehen. Gleichzeitig ist sie eine absolute Respektsperson. Die jüngeren Spielerinnen siezen sie auch. Birgit Prinz dagegen, die ja mit ihr noch selbst zusammen gespielt hat, sagt Du. Wäre ja auch komisch, wenn sie sie plötzlich siezen würde. Aber grundsätzlich sollen die Jüngeren sie schon siezen. Ich darf sie aber noch duzen!

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