Nach ständig wechselnden Wasserstandsmeldungen ab dem Frühjahr folgte Ende Oktober die überraschende Wende: Neymar bleibt bis zur WM 2014 beim FC Santos; eine staatliche Bank will den Stürmer mit dem Irokesenschnitt als Werbeträger nutzen.
Diebische Freude herrschte bei Peles Ex-Verein, hämische Kommentare wurden Richtung Spanien geschickt. Dass der junge Star, der als das größtes Talent Brasiliens eingestuft wird, dem Lockruf aus dem Ausland widerstanden hat, galt als große Überraschung.
Topspieler in Brasilien rar
Die Flut der Star-Transfers nach Europa ist deutlich zurückgegangen. Der Trend deutet sich seit einiger Zeit an. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen sind Topspieler in Brasilien rar geworden.
Einen Ronaldo, Romario, Rivaldo oder Ronaldinho gibt es derzeit nicht. Lediglich Neymar ist diese Klasse zuzutrauen. Die zahlreichen Fußballer, die das Land jährlich immer noch verlassen, zählen nicht zur ersten Garnitur.
Mehr Einnahmen vom Fernsehen und Sponsoren
Ein weiteres Motiv für den Kurswechsel des brasilianischen Transfergeschäftes: Im vergangenen Jahr erreichten die Vereine in Brasilien eine historische Erhöhung ihrer Fernsehgelder. Sie können ihren Stars jetzt sattere Gehälter bieten oder sogar Spieler aus Europa an die heimischen Fleischtöpfe locken.
Hatten die Vereine früher ihre Verhandlungen über eine gemeinsame Vereinigung, dem "Klub der 13", mit den Fernsehsendern geführt und anschließend die Erlöse untereinander aufgeteilt, so verhandelt seit vergangenem Jahr jeder Klub einzeln. Corinthians Sao Paulo hatte den Anfang gemacht.
Der Massenklub erreicht die höchsten Einschaltquoten und gilt er bei den TV-Anstalten als das Premiumprodukt schlechthin. Allein 35 Millionen Euro fließen 2012 aus TV-Geldern in die Kassen des Vereins. Werbegelder und die Einnahmen aus Spielen werden ebenfalls immer üppiger, was auch ein Reflex der jüngsten wirtschaftlichen Entwicklung des Landes ist.
Wirtschaftliche Lage insgesamt verbessert
Wichtige Stammspieler halten und Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, so lautet das Leitmotiv der Vereine. Dies ist eine neue Tendenz, denn bis vor kurzem mussten die Klubs ihre besten Spieler verkaufen, um überleben zu können. "Wir können es uns jetzt auch schon einmal leisten, freundlich und verbindlich Nein zu sagen", sagt Luis Alvaro de Oliveira Ribeiro, Präsident des Weltpokalfinalisten FC Santos. Schon in der Vergangenheit seien manche Spieler widerwillig und nur wegen des Geldes ins Ausland gewechselt. Inzwischen besteht immer häufiger die Möglichkeit, dass sie in ihrer Heimat bleiben können.
Ganz neu ist diese Entwicklung zu einer finanziell besseren Grundlage der Vereine zwar nicht. In der Vergangenheit wurden bereits einige Stars nach Brasilien zurückgeholt, weil sich Einzelsponsoren für die Spieler fanden. Aber in dieser Dichte hatte der Reichtum bei den Vereinen in Brasilien noch nicht Einzug gehalten. Früher waren die meisten Klubs über beide Ohren verschuldet. Flamengo Rio de Janeiro soll mit insgesamt 120 Millionen Euro bei den Gläubigern in der Kreide gestanden haben. Und so wurde Ronaldinhos spektakuläre Rückkehr im vergangenen Jahr dann auch von einem externen Unternehmen gestemmt.
Europa bleibt Traum-Ziel
Für die Mehrheit vieler Profis bleibt Europa dennoch das Ziel aller Träume. Nach wie vor verdient die große Mehrheit der gewerkschaftlich registrierten brasilianischen Berufsspieler weniger als 500 Euro im Monat. Und für sie wird sich in absehbarer Zeit auch nichts ändern, denn lediglich die Vereine der ersten brasilianischen Liga profitieren vom Geldsegen der TV-Sender und Sponsoren.
Mit der WM 2014 und den neuen Stadien soll Brasilien endgültig den Sprung in die wirtschaftliche Fußball-Elite schaffen. Ob Neymar bis dahin noch in Brasilien spielen wird, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Erhöhen Real und Barca ihre Angebote, könnten der FC Santos und der Spieler doch noch schwach werden. Aber einen Ausverkauf wie vor Jahren soll es nach dem Willen der Vereine nicht mehr geben.
Die WM-Qualifikation 2014 im Überblick