Peter Zeidler im Interview: "Tuchel hat Neymar und Mbappe besser gemacht"

Peter Zeidler lobt im Interview Thomas Tuchel Arbeit mit den Superstars bei PSG.
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Hätte Jürgen Klopp nicht die Champions League gewonnen, hätte es Leute gegeben, die ihm weiterhin seine vielen verlorenen Finals vorwerfen.

Zeidler: Das ist ein sehr gutes Beispiel. Aber eines ist für mich klar: Jürgen Klopp, Pep Guardiola, Thomas Tuchel. Das sind für mich die drei großen und genialen Trainer unserer Zeit. Ich habe mal mit dem VfR Aalen gegen Klopp gespielt, da ist er auf mich zugekommen: "Ich kenne dich, du spielst ja genauso wie ich!" Ein typischer Kloppo. Authentischer und charismatischer geht es nicht. Aber generell kann man sich von vielen Trainern etwas abschauen. In Frankreich heißt es, dass die besten Trainer die Voleur d'idées sind, sie klauen Ideen von allen möglichen Seiten. Es gibt auch viele verschiedene Wege, wie du als Trainer zum Erfolg kommen kannst. Barnetta hat mir erzählt, dass Jupp Heynckes sein bester Trainer überhaupt gewesen wäre. Weil er in jedem Moment wusste, wie er mit seinen Spielern umgehen muss. Heynckes ist ein Empathie-Trainer. Das gleiche gilt für Ottmar Hitzfeld. Gerard Houllier hat immer nur gesagt: "Think the team first!" So banal, aber auch so wahr. Houllier wollte mich einst nach New York holen zu Red Bull, ich saß mal bei ihm in seiner Wohnung in Paris, direkt gegenüber von Roland Garros, aber es ist dann leider doch nicht dazu gekommen.

Sie haben Tuchel schon erwähnt. Wie haben Sie denn seine erste Saison bei PSG erlebt?

Zeidler: Ich würde vier Punkte nennen. Erstens die Art und Weise, Fußball spielen zu lassen und wie er diese zu Beginn installiert hat. Wie Neymar nach Ballverlust da sofort mitgemacht hat, war beeindruckend. Das hat er vorher noch nie gemacht. Gleicher Fall bei Mbappe. Thomas hat Neymar und Mbappe besser gemacht, das ist grandios. Das ist für jeden Trainer auch das wichtigste Kriterium seiner Arbeit. Zweitens hat er es geschafft, die Führungsspieler fachlich und auch menschlich zu überzeugen. Drittens hat er es geschafft, mit der französischen Öffentlichkeit klarzukommen, in der es den ganzen Tag 24 Stunden lang nur über PSG, PSG und nochmal PSG geht. Viertens war es aber natürlich auch so, dass er vier der letzten sechs Spiele gegen Mannschaften wie Reims verloren hat. Dazu auch das Pokal-Finale verloren hat, nicht im Ligapokal-Finale stand und auf unfassbare Weise gegen ManUnited in der Champions League ausgeschieden ist. Und Thomas ist trotzdem immer noch PSG-Trainer, das ist seine größte Leistung.

Peter Zeidler und Thomas Tuchel machten gemeinsam die Ausbildung zum Fußball-Lehrer.
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Peter Zeidler und Thomas Tuchel machten gemeinsam die Ausbildung zum Fußball-Lehrer.

Peter Zeidler über Thomas Tuchel: "Der typische Student, nie frisiert, Löcher in der Hose"

An was erinnern Sie sich besonders gerne, wenn Sie an die Zugfahrten mit Tuchel zum Trainer-Lehrgang nach Köln denken?

Zeidler: Was mich begeistert hat, war es zu sehen, welch großer Fußball-Liebhaber Thomas ist. Er liebt den Fußball wie ein Fan. Er ist fasziniert von der Begeisterung, die der Fußball entfachen kann. Er liebt die Traditionsklubs. Er war natürlich auch der typische Student, der morgens mal zu spät kam, nie frisiert war und Löcher in den Jeans hatte. Aber ich habe schnell gemerkt, dass er besonders ist. Ich weiß noch gut, wie er in der Ausbildung sagte: Das können wir noch besser machen. Wir müssen in die Schweiz schauen, da hin, dort hin. Und er hatte Recht.

Was ist denn die wichtigste Qualität eines Trainers?

Zeidler: Die Spieler müssen merken, dass du dich wirklich für sie interessierst. Dass du ihnen helfen willst. Wenn ich Lehrer bin und nach drei Monaten den Vornamen meines Schülers nicht kenne, habe ich den Jungen verloren. Da kann ich fachlich der weltbeste Lehrer sein, das nützt mir alles nichts. Genauso ist es als Trainer auch. Ich muss eine gewisse Distanz wahren, aber ich habe das Gefühl, dass es wichtig ist, immer noch mehr mit den Spielern zu sprechen. Ich nehme mir das jede Woche aufs Neue vor, noch mehr mit den Jungs zu reden, sie einfach erzählen zu lassen. Erziehung bedeutet Liebe und Konsequenz - das habe ich von Ralf Rangnick gelernt.

Aber immer klappt das auch nicht, oder?

Zeidler: Nein, ich muss auch akzeptieren, dass ich es nicht immer hinbekomme. Nassim Ben Khalifa hatte vor mir in seiner Karriere schon zwölf Trainer, keiner hat es geschafft. Es gibt den inneren Impuls, dass du glaubst, dass du den Spieler jetzt einfängst. Ich hatte auch mal einen Schüler, der Drogenprobleme hatte, da dachte ich das auch. Aber wenn es zwölf Trainer vor mir vergeblich versucht haben, warum soll es ausgerechnet bei mir anders sein? Es ist nicht immer möglich.