Über die Jahre hatte es sich bei Peter Dubovsky zur Tradition entwickelt: Wenn die Saison vorbei war, verreiste er gemeinsam mit seiner Freundin Aurelia Caraba, seinem Bruder und dessen Freundin. Irgendwohin, weit weg vom Profifußball. Im Jahr 2000 ging es nach Thailand auf die Insel Koh Samui. Koh Samui, das ist ein Urlaubsparadies mit türkisem Wasser, weißem Sand und grünen Palmen. Es sollte der letzte Ort werden, den Dubovsky bereist.
Am 23. Juni 2000 hingen Wolken über der Insel. "Es war nicht das beste Wetter, um an den Strand zu gehen. Also entschieden wir uns, Sightseeing zu machen, die Insel kennenzulernen und einen Wasserfall zu besichtigen", erzählte seine Freundin Caraba später der spanischen El Mundo. Dubovsky liebte die Natur und auch die Fotografie, um die Natur für immer festzuhalten.
An jenem Tag wurde ihm seine Leidenschaft zum Verhängnis. Beim Versuch, den Wasserfall zu fotografieren, rutschte der damals 28-Jährige ab und stürzte rund 20 Meter in die Tiefe. "Er war bei Bewusstsein und sprach mit uns. Sein Beckenbereich schmerzte, aber wir ahnten nicht, dass ein Schlag auf den Kopf eine innere Blutung ausgelöst hatte", erzählte Caraba.
Die Rettungskräfte erreichten den schwer zugänglichen Unglücksort erst nach rund fünf Stunden. "Der Helikopter konnte nicht landen, weil dort viele Bäume standen und der Krankenwagen kam auch nicht durch. Die Ärzte mussten ein Stück zu Fuß gehen, um ihn zu erreichen. Dann haben sie ihn so gut es ging auf eine Trage gelegt und ins Krankenhaus gebracht", erzählte Caraba. Erst dort fiel die Gehirnblutung auf, doch die Notoperation kam zu spät. Die langwierige Bergung hatte eine Rettung verhindert.
Karhan über Dubovsky: "Er war ein sensationeller Spieler"
Schnell erreichte die Nachricht von Dubovskys Tod Spanien, wo der Stürmer nach zwei Jahren bei Real Madrid mittlerweile für Real Oviedo spielte. Und die Slowakei, seine Heimat. Nur rund drei Wochen vor dem Unfall war der Rekordtorschütze der noch jungen Nationalmannschaft in einem Freundschaftsspiel gegen Russland aufgelaufen, es sollte sein letzter Einsatz als Fußballprofi gewesen sein.
Gemeinsam mit Dubovsky auf dem Platz stand damals Miroslav Karhan, der später für den VfL Wolfsburg und den FSV Mainz 05 in der Bundesliga spielte. "Ich werde nie den Moment vergessen, als ich von seinem Tod erfahren habe. Es war ein riesiger Schock für mich", erinnert sich Karhan im Gespräch mit SPOX und GOAL. "Peter war der zweite Freund, den ich in jener Woche verloren habe. Kurz davor war ein Schulfreund von mir bei einem Autounfall verstorben."
Der Umgang mit dem Tod ihres Mannschaftskollegen sei bei den nächsten Treffen der Nationalmannschaft schwierig gewesen, erinnert sich Karhan. Es fehlte der Mensch, es fehlte aber auch der Sportler. Bis heute gilt Peter Dubovsky als womöglich bester Fußballer, den das seit 1993 unabhängige Land hervorgebracht hat. Trotz Marek Hamsik, trotz Milan Skriniar.
"Peter war stark im Eins-gegen-eins, hatte eine gute Schusstechnik, konnte Freistöße treten", erinnert sich Karhan, der 1995 für die Nationalmannschaft debütierte. "Er war ein sensationeller Spieler, der kompletteste Spieler, den wir gehabt haben. In der Nationalmannschaft war er mein bester Mitspieler." Es war weniger die direkte Torgefahr, die den Linksfuß auszeichnete. Sondern vielmehr seine atemberaubenden technischen Fähigkeiten.
Fünf Flaschen Champagner für Peter Dubovsky?
Dubovsky kam in Bratislava zur Welt, als es noch eine tschechoslowakische Stadt war. Zunächst spielte er für den Stadtteilklub Vinohrady, ehe er mit 13 Jahren als verheißungsvolles Talent zum großen Slovan wechselte. Weil Ablösesummen in diesem jungen Alter nicht zulässig waren, wanderten der Legende nach fünf Flaschen Champagner von Slovan zu Vinohrady. In der Tschechoslowakei herrschte damals noch der Kommunismus. Fünf Flaschen Champagner? Das war durchaus was.
Für Slovan sollte sich der angebliche Deal jedenfalls lohnen: Früh stieß der talentierte Stürmer zur Profimannschaft, die er 1991/92 im Alter von 19 Jahren als Torschützenkönig zum Meistertitel führte. Es war das Ende eines fünfjährigen Siegeszuges von Sparta Prag, dem damals alles dominierenden Hauptstadtklub.
Als erster slowakischer Fußballer des Jahres wechselte Dubovsky ein Jahr später für 4,3 Millionen Euro zu Real Madrid. Aufmerksam geworden auf ihn waren die Königlichen bei einem UEFA-Cup-Duell mit Slovan, bei dem die Slowaken nur knapp scheiterten und Dubovsky ein Tor erzielte. "Der Wechsel war eine Sensation", sagt Karhan. Wenige Monate nach der Unabhängigkeit war das junge Land stolz auf sich und auf seinen ersten berühmten Fußball-Export.
Peter Dubovsky wurde bei Real Madrid nicht glücklich
Bei Real Madrid lief es für Dubovsky aber nicht wie gewünscht. Kam er in seiner ersten Saison noch regelmäßig, aber recht erfolglos, zum Einsatz, spielte er in der zweiten keine Rolle mehr. Im Sturm vertraute der neue Trainer Jorge Valdano lieber dem Chilenen Ivan Zamorano und dem erst 17-jährigen Raul.
"Ich bin sehr traurig", ließ Dubovsky irgendwann ausrichten. Sein Gemütszustand war nicht überraschend. Aber der Umstand, dass er ihn aussprach, schon. Äußerst introvertiert sei Dubovsky gewesen, kein Mann der vielen Worte und schon gar nicht der großen. "Er war zurückhaltend. Er wollte nicht, dass die Leute viel über ihn reden", erinnert sich Karhan.
Sich selbst und den Fußball nahm Dubovsky nie zu wichtig. "Wir sind auf den Platz gegangen, um Geld zu verdienen. Er hat einfach gespielt", erzählte sein einstiger Slovan-Kollege Ondrej Kristofik mal. Dubovsky hatte Interessen neben dem Fußball, begeisterte sich nicht nur für Fotografie, sondern für jegliche Arten der Kunst. Außerdem absolvierte er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften.
Vielleicht auch wegen diesen Ablenkungen nannte Real-Trainer Valdano fehlende Entschlossenheit als Grund für sein Reservistendasein. Nach einer Phase von über fünf Monaten ohne Einsatz in der Primera Division wechselte ihn Valdano bei einem Spiel gegen Real Saragossa dann doch mal ein - und Dubovsky traf mit der ersten Ballberührung. "Ich muss nur spielen", sagte Dubovsky. Doch dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung, es folgte lediglich ein weiterer Kurzeinsatz.
Oviedo und die Slowakei haben Dubovsky nicht vergessen
Nach zwei Jahren und nur drei Toren verließ Dubovsky Real 1995 für umgerechnet 900.000 Euro zu Real Oviedo. Bei den kleineren Königlichen lief es für Dubovsky besser. Abseits des Hauptstadttrubels war er, sofern nicht gerade von einer Verletzung ausgebremst, Stammspieler. Geschätzt wurde er von seinen Trainern und den Fans gleichermaßen, angeblich bot ihm der Klub sogar einen Vertrag auf Lebenszeit an.
Fünf Jahre lang hielt sich Dubovsky mit Oviedo in der Primera Division. Nach seinem tödlichen Absturz auf Koh Samui stürzte aber auch der Klub ab, innerhalb von nur drei Jahren bis in die dritte Liga. Erstklassig spielte Ovideo seitdem nie mehr. Der beste Oviedo-Spieler einer jeden Saison wird bis heute mit dem Peter-Dubovsky-Pokal ausgezeichnet, doch wohl keiner war so gut wie er.
Auch in der Slowakei ist Dubovsky nicht vergessen: Der nationale Verband verleiht alljährlich den Peter-Dubovsky-Preis an das größte slowakische U21-Talent und richtet zu seinen Ehren außerdem ein Jugendturnier aus. Seiner Freundin Aurelia Caraba blieb von Dubovsky ein Verlobungsring, den sie nach ihrer Rückreise aus Thailand in seinen Sachen fand - offensichtlich plante er einen Heiratsantrag. "Ich habe den Ring", erzählte sie später, "und werde ihn immer behalten."